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Pläne für Windkraft-Projekte lösen in den betroffenen Kommunen häufig Widerstand aus. Zu den Gegnern zählen auch Rechtspopulisten. Sind sie eine Triebkraft für die lokalen Proteste? Eine Studie von Wissenschaftlern des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit kommt zu dem Schluss, dass der Widerstand meist von Initiativen vor Ort ausgeht. Konkrete Kritik an den Entscheidungsprozessen überwiegt gegenüber populistischen Einstellungen. Für mehr Zufriedenheit mit der Umsetzung der Energiewende müssten politische Entscheidungsträger die Anliegen der Bevölkerung stärker berücksichtigen. Dann könnten Rechtspopulisten die lokalen Initiativen auch nicht für sich vereinnahmen, so die Autoren.
„Die Energiewende genießt in der Bevölkerung grundsätzlich großen Rückhalt. Dennoch stoßen Erneuerbare-Energien-Projekte vor Ort häufig auf Widerstand. Wir wollten wissen, welchen Einfluss Rechtspopulisten auf die Proteste haben. Denn auf nationaler Ebene sind sie, vor allem die AfD, die einzige politische Kraft, die grundsätzlich gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien ist“, erläutert Erstautor Jörg Radtke. Dafür führten die Forscher ausführliche Interviews mit 36 lokalen Akteuren aus Politik, Behörden und Zivilgesellschaft. Ergänzend analysierten sie eine bundesweite Erhebung, bei der die Verknüpfungen zwischen Einstellungen zur Energiewende und Rechtspopulismus verglichen wurden.
Sorgen bezüglich Landschaft, Umwelt und Gesundheit
Die untersuchten Konflikte betreffen fünf Windenergie- und zwei Netzausbauprojekte in sechs Bundesländern. Keins der Projekte ist bis heute abgeschlossen, da es erheblichen Widerstand von lokalen Bürgerinitiativen und überregionalen Netzwerken gibt. Bei allen gab es Versuche von Rechtspopulisten, insbesondere der AfD, lokale Proteste für sich zu vereinnahmen. Dies war jedoch größtenteils erfolglos, da lokale Initiativen generell nicht bereit waren, mit politischen Parteien zusammenzuarbeiten und besonders gegenüber der AfD Vorbehalte hatten. Sie konzentrieren sich auf unmittelbare, lokale Anliegen, im Mittelpunkt stehen häufig Sorgen bezüglich Landschaft, Umwelt und Gesundheit.
Populistische Rhetorik ist unter Gegnern der Energiewende-Projekte laut der Studie dennoch allgegenwärtig. Die Kernbestandteile des klassischen Populismus, nämlich Anti-Elitismus, Anti-Pluralismus und die Fokussierung auf den „einfachen Menschen“, nimmt in der Energiewende spezifische Formen an. So tritt Anti-Elitismus als weit verbreitetes Ressentiment gegen politische und wirtschaftliche Eliten zutage, die Energie-Projekte zu ihrem persönlichen Vorteil ausnutzen würden. Umfragedaten zeigen, dass in der Landbevölkerung das Gefühl verbreitet ist, man trage die Lasten des städtischen Energieverbrauchs und die Stadtbevölkerung habe keine Ahnung von den praktischen Problemen des Landlebens.
Eng mit dem Anti-Elitismus verbunden ist der Antipluralismus – die Überzeugung, dass es ein homogenes Volk gebe. Dieses solle direkt über die Energiewende entscheiden. „Wir sehen das zum Beispiel in unserem Fallbeispiel aus Mecklenburg-Vorpommern, wo Bürgerinnen und Bürger Volksabstimmungen über Energieprojekte fordern und eine angebliche ‚Scheindemokratie‘ anprangern, in der ihre Einwände und Bedenken ignoriert werden“, so Ko-Autor David Löw-Beer. Auch die Forderung, der Mensch solle im Mittelpunkt stehen, ist ein wiederkehrendes Thema. Nach dieser Sichtweise gelten „normale Bürgerinnen und Bürger“ als von Natur aus tugendhaft, ihre Belastung durch die Kosten der Energiewende sei ungerecht.
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Politik muss Bedenken ernstnehmen
Die Forscher sehen in der Neigung der lokalen Protestinitiativen zum Populismus ein erhebliches Potenzial für Rechtspopulisten, mit diesen in Kontakt zu treten. Dieses Potenzial werde durch unzureichende Reaktionen der Politik auf Proteste – wenn Projekte entweder unverändert fortgeführt werden oder mit längeren Verzögerungen konfrontiert sind – noch verstärkt. Ihr Rat an politische Entscheidungsträger lautet entsprechend, den Bedenken der Bürgerinnen und Bürger Rechnung zu tragen, besonders im Hinblick auf soziale und ökologische Gerechtigkeit. Ein konstruktiver Umgang mit Kritik, eine sinnvolle Beteiligung und die ernsthafte Berücksichtigung der Anliegen der Gemeinschaft seien von entscheidender Bedeutung, um die gesellschaftliche Legitimität und Nachhaltigkeit von Energiewende-Projekten zu verbessern.
Dr. Jörg Radtke: joerg.radtke@rifs-potsdam.de
Dr. David Löw-Beer: david.loewbeer@rifs-potsdam.de
Jörg Radtke, David Löw-Beer, Unpacking local energy conflicts: Drivers, narratives, and dynamics of right-wing populism and local resistance to energy transitions in Germany, Energy Strategy Reviews, Volume 61, 2025, 101844, ISSN 2211-467X, https://doi.org/10.1016/j.esr.2025.101844.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Energie, Politik, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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