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01.09.2025 09:51

Cannabis aus dem eigenen Anbau statt über Dealer*innen

Silke Schmidt-Thrö Kommunikation
Frankfurt University of Applied Sciences

    Online-Erhebung mit fast 11.500 Befragten zeigt deutliche Verschiebungen durch das neue Cannabisgesetz; Projekt von Frankfurt UAS in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule Freiburg beleuchtete, welche Veränderungen von Konsummustern, Bezug und Einstellungen bei Konsumierenden durch das Gesetz stattgefunden haben.

    Das neue Cannabisgesetz (CanG) regelt seit 1. April 2024 den legalen Bezug von Cannabis auf verschiedenen Wegen. Und diese nützen viele Konsumierende auch, sie bauen mehrheitlich selbst Cannabis an oder beziehen es per Rezept über Apotheken statt über den illegalen Markt. Dies zeigt eine Online-Erhebung des Instituts für Suchtforschung (ISFF) der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule Freiburg. Das Forschungsteam wertete Fragebögen von fast 11.500 Konsumierenden aus, um zu untersuchen, welche Veränderungen von Konsummustern, Bezug und Einstellungen bei Konsumierenden durch das Gesetz stattgefunden haben. Abrufbar ist die Auswertung als PDF unter http://www.frankfurt-university.de/fileadmin/standard/ISFF/KonCanG_Projektbericht.pdf.

    Deutliche Veränderung bei Bezugsquellen
    Das Projekt „Veränderungen für Konsumierende von Cannabis durch das Cannabisgesetz“ wurde durch den Innovationsfond Forschung der Frankfurt UAS gefördert. An der nicht-repräsentativen Online-Erhebung konnten Nutzer*innen mit einem Mindestalter von 14 Jahren von Ende März bis Anfang Juni 2025 teilnehmen. Ziel war es, vor allem regelmäßig oder häufig Konsumierende zu erreichen. In der Stichprobe konsumierten 81 Prozent mindestens wöchentlich, 39 Prozent sogar täglich. Die Antworten der fast ausschließlich (99 Prozent) volljährigen Teilnehmenden weisen dabei auf eine deutliche Tendenz weg von Dealer*innen hin, wenn es darum geht, woher ihr Cannabis kommt. „Die Befragung zeigt, dass das Cannabisgesetz bereits jetzt ein Erfolg im Hinblick auf die Schwächung des illegalen Marktes ist: Gerade diejenigen, die den Großteil des Cannabis in Deutschland verbrauchen, nutzen weit überwiegend legale Quellen“, so Prof. Dr. Bernd Werse, Direktor des ISFF und Leiter des Projektes. 88 Prozent der befragten Erwachsenen bezogen in den letzten sechs Monaten Cannabis hauptsächlich aus einer grundsätzlich legalen Quelle. In der Zeit vor dem Gesetz nutzten 24 Prozent eine der jetzt legalisierten Möglichkeiten als Hauptquelle. Eigenanbau oder den Bezug aus der (Online-)Apotheke benennen fast 80 Prozent als aktuelle hauptsächliche Bezugsquelle.

    Der Joint daheim ist beliebter als der Konsum in der Öffentlichkeit
    Zudem gibt die Auswertung einen Einblick, wie die Befragten konsumieren. Am beliebtesten ist hier der Joint mit Tabak, knapp gefolgt von Vaporizern. Jeder Fünfte der Befragten nutzt auch synthetische Cannabisprodukte. Mit dem Gesetz wird es zudem möglich, legal in weiten Bereichen des öffentlichen Raums zu konsumieren. Das nutzen viele aber nicht. „Laut unserer Studie konsumieren die meisten Befragten im privaten Rahmen; so geben fast alle das eigene Grundstück als einen ihrer Konsumorte an. Knapp die Hälfte nennt auch den öffentlichen Raum als Konsumort. Die wenigen befragten Jugendlichen dagegen nennen deutlich häufiger auch den öffentlichen Raum als einen der Orte des Konsums", so Prof. Dr. Anke Stallwitz, Professorin für Sozialpsychologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg.

    Frauen konsumieren anders
    Was den Umgang mit Cannabis angeht, zeigen sich weitere Muster nicht nur auf das Alter bezogen, sondern auch mit Blick auf das Geschlecht. Zwar ist regelmäßiger Cannabiskonsum unter Frauen generell deutlich geringer verbreitet; so sind in der vorliegenden Stichprobe mit 86% auch um ein Vielfaches mehr Männer als Frauen vertreten. Jedoch konsumieren sie insgesamt risikoreicher: „Wenn Frauen oder Jugendliche konsumieren, verwenden sie eher riskante Konsumformen als Männer. Cannabis wird meist als Joint geraucht und es werden auch etwas eher synthetische Cannabinoide konsumiert“, fasst Larissa Steimle, ehemals Frankfurt UAS und nun Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm, zusammen. Zudem nutzen Frauen eher weiterhin illegale Quellen – vor allem, weil sie deutlich häufiger Cannabis von Freund*innen nutzen, statt sich selbst um die Beschaffung zu kümmern. Diese Erkenntnisse gäben Ansatzpunkte für eine gezielte Aufklärung.

    Die Auswertung der Befragung erscheint im Vorfeld der ersten Ergebnisse eines wissenschaftlichen Evaluationsprozesses, den die Bundesregierung zu den gesellschaftlichen Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes angestoßen hat. Ein Verbundprojekt (ohne Beteiligung der Autor*innen) untersucht hierzu unterschiedliche Fragestellungen. Eine erste Teilevaluation soll im Herbst 2025 vorliegen. Werse hierzu: „Bisher liegen keine belastbaren Hinweise zur zentralen Frage vor, wie sich die Beschaffung verlagert hat. Unsere Studie mit ihrer großen erreichten Stichprobe wird genau zu diesem Punkt als externe Quelle für die offizielle Evaluation wichtige Erkenntnisse liefern.“ Zumindest bei den Konsumierenden hat das Gesetz bereits zu einer Wahrnehmungsänderung geführt. Mehr als drei Viertel gaben bei der Erhebung an, keine Angst mehr vor einer Strafverfolgung zu haben, mehr als zwei Drittel haben auch weniger Hemmungen, sich bei Problemen mit ihrem Konsum Hilfe zu suchen.

    Die Teilnehmenden der Online-Erhebung im Überblick:
    • Geschlecht: 85,9 % männlich, 13,4 % weiblich, 0,7 % divers.
    • Alter: Median = 37 Jahre; 14–18 Jahre: 0,8 %, 19–24 Jahre: 12 %, 25–30 Jahre: 19 %, 31 –35 Jahre: 15,6 %, 36–40 Jahre: 18,8 %, 41–50 Jahre: 24,3 %, über 50 Jahre: 10,3 %
    • Staatsbürgerschaft: 96,5 % deutsch, 1,9 % doppelte Staatsbürgerschaft, 1,6 % andere Staatsbürgerschaft
    • Wohnort: >100.000 Einwohner: 37,1 %, 10.000–100.000: 31,1 %, <10.000: 31,8 %

    Weitere Informationen zum Institut für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences: http://www.frankfurt-university.de/isff.

    Evangelische Hochschule Freiburg:
    Die Hochschule hat ihren Sitz in der Trinationalen Metropolregion Oberrhein und das ist Programm! Sie entwickelt mit Partner*innen aller Strukturebenen einen Europäischen Campus für Soziale Arbeit, kurz CELIS. Sie ist eine staatlich anerkannte Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und gehört zum Verbund der 24 HAW in Baden-Württemberg. Sie steht für anspruchsvolle Lehre in den Bereichen Soziale Arbeit, Kindheitspädagogik, Religionspädagogik, Supervision und Sozialmanagement, sowie für praxisnahe wissenschaftliche Weiterbildung und eine internationale Ausrichtung mit über 30 Hochschulpartnerschaften. An ihr wird weitgehend interdisziplinär geforscht. Forschungsschwerpunkte sind die Kindheitspädagogik sowie Gender Studies (mit einem Kompetenzzentrum Gewalt im Geschlechterverhältnis). Darüber hinaus arbeitet sie zu Forschungsthemen, die weltweit virulent sind: zum Beispiel Rechtsextremismus und Rechtspopulismus, Migration und Rassismus, Antisemitismus, Nachhaltigkeit, demografischer Wandel, Friedensforschung (insbesondere durch das Friedensinstitut der Hochschule), Gesundheit sowie Versorgungsforschung. Anke Stallwitz forscht schwerpunktmäßig zu Verhaltensweisen und -normen in Drogenmilieus, mehr Info: http://www.eh-freiburg.de/personen/anke-stallwitz

    Die Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS):
    Mit über 15.000 Studierenden und 1.000 Lehrenden, Forschenden und Mitarbeitenden im Herzen von Frankfurt am Main ist die Frankfurt University of Applied Sciences eine der größten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Deutschland. Durch Partnerschaften mit weltweit rund 200 Hochschulen ist die Frankfurt UAS in einer globalen Bildungswelt gut vernetzt. Vier Fachbereiche bieten 72 Studiengänge mit technischer, wirtschaftlich-rechtlicher und sozialer Ausrichtung an. Das Selbstverständnis der Hochschule ist es, Studierende auf ihrem Weg zu verantwortungsvollen Zukunftsgestalter*innen zu fördern. Sie richtet ihr Tun konsequent an ihren strategischen Leitplanken Praxisnähe, Interdisziplinarität, Internationalität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und gesellschaftliche Verantwortung aus. Durch exzellente Lehre und Forschung bringt sie Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in der Region und darüber hinaus entscheidend voran. www.frankfurt-university.de

    Seit 2024 trägt die Hochschule den Titel „U!REKA European University“. Das internationale Hochschulnetzwerk U!REKA wird von der EU-Kommission gefördert. www.ureka.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit, Leitung Institut für Suchtforschung (ISFF) an der Frankfurt UAS, Prof. Dr. phil. Bernd Werse, Telefon: +49 69 1533-2617, E-Mail: bernd.werse@fra-uas.de.


    Weitere Informationen:

    http://www.frankfurt-university.de/fileadmin/standard/ISFF/KonCanG_Projektbericht.pdf


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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