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22.09.2025 10:00

Leben ohne Sex: Groß angelegte Studie zeigt Faktoren auf, die Sexlosigkeit bis ins hohe Erwachsenenalter beeinflussen

Ina Wittmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik

    Wie kommt es, dass manche Menschen selbst im hohen Erwachsenenalter noch nie Sex hatten? Dieser Frage ist ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main nachgegangen. In der bislang größten Studie zu Menschen ohne sexuelle Erfahrung fanden die Forscher:innen heraus, dass Jungfräulichkeit im höheren Alter auf eine komplexe Mischung aus psychologischen, sozialen und genetischen Faktoren zurückzuführen ist. Die Arbeit wurde kürzlich in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.

    Maßgeblich an der Studie beteiligt waren das Amsterdam University Medical Center (UMC), Niederlande, und die University of Queensland, Australien. Das Forschungsteam analysierte Daten von mehr als 400.000 Brit:innen im Alter von 39 bis 73 Jahren. Rund ein Prozent der Teilnehmer:innen gab an, noch nie Sex gehabt zu haben. Diese Gruppe war im Durchschnitt besser ausgebildet, aber auch einsamer, nervöser und unglücklicher als diejenigen mit sexueller Erfahrung.

    Die Forscher:innen fanden weiterhin heraus, dass Sexlosigkeit in Gegenden mit größerer sozioökonomischer Einkommensungleichheit häufiger auftrat. Insbesondere bei Männern spielten körperliche Merkmale, wie zum Beispiel Stärke, eine Rolle: Männer, die nie Sex hatten, waren häufiger physisch schwächer und lebten tendenziell in Regionen, in denen es weniger Frauen gab. „Romantische und sexuelle Beziehungen sind oft eine wichtige soziale Stütze. Ihr Fehlen ist für Viele mit Einsamkeit, Angstzuständen, depressiven Gefühlen und vermindertem Wohlbefinden verbunden“, erklärt Co-Erstautorin Laura Wesseldijk vom MPIEA.

    Etwa 15 Prozent der Unterschiede in der lebenslangen Sexlosigkeit konnten durch genetische Faktoren erklärt werden. Co-Erstautor Abdel Abdellaoui vom Amsterdam UMC berichtet: „Am auffälligsten ist die Überschneidung mit genetischen Faktoren, die mit Intelligenz, Bildung und neurologischen Entwicklungsstörungen wie Autismus zusammenhängen.“ Die Studie zeigte außerdem, dass Menschen, die nie Sex hatten, seltener Alkohol und Drogen konsumierten und in jungen Jahren häufiger eine Brille trugen. „Wir erkennen hier eine Gruppe von Menschen, die tendenziell sozial eher zurückgezogen lebt und daher häufiger Schwierigkeiten hat, einen Partner zu finden“, kommentiert Co-Seniorautor Brendan Zietsch von der University of Queensland.

    Laut Co-Seniorautorin Karin Verweij vom Amsterdam UMC unterstreichen die Ergebnisse, dass Sexlosigkeit das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen biologischen und sozialen Faktoren ist: „Es geht sicherlich nicht um ‚Jungfräulichkeitsgene‘. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sowohl Umwelt, Persönlichkeit als auch Genetik eine Rolle spielen. Die von uns gefundenen Zusammenhänge beweisen zwar nicht direkt Ursache und Wirkung, aber sie zeigen, wie verschiedene Faktoren bei einem Leben ohne Sex zusammenwirken.“

    Die Forscher:innen betonen, dass ihre Ergebnisse keine Werturteile enthalten. Manche Menschen entscheiden sich bewusst für ein Leben ohne Sex. Das Team konnte zwar nicht zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Jungfräulichkeit unterscheiden, aber die zahlreichen damit zusammenhängenden Faktoren aufzeigen. Damit liefert die Studie neue Erkenntnisse und eröffnet neue Ansatzpunkte für die weitere Forschung – sowohl in Hinblick auf den Zusammenhang zwischen einem Leben ohne Sex und psychischer Gesundheit als auch in Hinblick auf evolutionsbiologische Fragen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik
    Laura Wesseldijk, PhD: laura.wesseldijk@ae.mpg.de
    Miriam A. Mosing, PhD: miriam.mosing@ae.mpg.de


    Originalpublikation:

    Abdellaoui, A., Wesseldijk, L. W., Gordon, S. D., Pasman, J. A., Smit, D. J. A., Androvičová, R., Martin, N. G., Ullén, F., Mosing, M. A., Zietsch, B. P., & Verweij, K. J. H. (2025). Large-Scale Study Links Sexlessness to Physical, Cognitive, and Personality Traits, Socioecological Factors, and DNA. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 122(38), e2418257122. https://doi.org/10.1073/pnas.2418257122


    Bilder

    Jungfräulichkeit im höheren Erwachsenenalter ist auf eine komplexe Mischung aus psychologischen, sozialen und genetischen Faktoren zurückzuführen.
    Jungfräulichkeit im höheren Erwachsenenalter ist auf eine komplexe Mischung aus psychologischen, soz ...

    Copyright: (Bild: MPI für empirische Ästhetik / F. Bernoully)


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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