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24.09.2025 08:00

Energiewende: Infrastruktur unter der Erde, Ernte-Erträge über der Erde

Florian Klebs Pressearbeit, interne Kommunikation und Social Media
Universität Hohenheim

    Forschungsprojekt der Universität Hohenheim und des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW: Stromkabel in der Erde bringen in der Landwirtschaft keine Einbußen

    Gleichstrom-Erdkabel mindern weder den Ertrag noch die Qualität von landwirtschaftlich genutzten Kulturen – das zeigen erste Zwischenergebnisse eines Forschungsprojektes der Universität Hohenheim in Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW. Entscheidend ist jedoch eine fachgerechte Bauweise. Seit vier Jahren untersuchen die Projektbeteiligten im Rahmen des SuedLink-Vorhabens die Auswirkungen von 525-Kilovolt-Gleichstrom-Erdkabeln. Dazu simulieren die Forschenden auf vier Versuchsfeldern den Betrieb von Erdstromkabeln und analysieren deren Einfluss auf die Temperatur und Feuchtigkeitsverläufe im Boden sowie die Auswirkungen auf Ertrag und Qualität der angebauten Feldfrüchte.

    Um erneuerbare Energien wie beispielsweise Strom aus Windkraftanlagen verlustarm über große Entfernungen zu transportieren, müssen laut Gesetz in Deutschland Hochspannungs-Gleichstromleitungen als Erdkabel verlegt werden. So unter anderem auch im Projekt SuedLink, einem der größten Netzausbauprojekte in Deutschland. Die 700 km lange Gleichstrom-Erdkabelverbindung transportiert Windstrom aus Norddeutschland nach Bayern und Baden-Württemberg und wird von TenneT (Nordabschnitt) und TransnetBW (Südabschnitt) realisiert.

    Doch welche Auswirkungen haben Erdstromkabel auf landwirtschaftliche Böden und Ernteerträge? Die Frage ist umso wichtiger, weil die Flächen für die geplante SuedLink-Leitung von den Netzbetreibern nicht erworben werden, sondern im Eigentum der landwirtschaftlichen Betriebe bleiben. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Flächen nach dem Bau normal weiter bewirtschaftet werden können und auch die gewohnten Erträge bringen.

    Das Forschungsprojekt CHARGE der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit TransnetBW und gefördert durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg liefert nun erste Antworten: Bau und Betrieb von Gleichstromerdkabeln beeinträchtigen weder die Erträge noch die Qualität der angebauten Feldfrüchte - sofern beim Bau einige Vorgaben eingehalten werden.

    Praxisnahe Feldversuche an vier repräsentativen Standorten

    Auf vier Untersuchungsflächen in Baden-Württemberg und Bayern, deren unterschiedliche Bodentypen repräsentativ für Süddeutschland sind, untersuchen die Projektbeteiligten den Einfluss von Bau und Betrieb von Erdstromkabeln auf die landwirtschaftliche Nutzung. Die Auswirkungen auf Bodenstruktur, Temperatur und Feuchtigkeit interessieren sie dabei genauso wie Entwicklung, Wachstum und Ertrag der angebauten Kulturpflanzen.

    Zu den Untersuchungsstandorten gehören in Baden-Württemberg die Orte Bad Friedrichshall/Kochendorf (Landkreis Heilbronn), Boxberg und Großrinderfeld (Main-Tauber-Kreis) sowie in Bayern die Gemeinde Güntersleben (Landkreis Würzburg).

    Innerhalb der etwa fußballfeldgroßen Versuchsflächen wurden je drei Kabelgräben angelegt: Zwei Gräben sind mit beheizbaren Stahlrohren ausgestattet, die den maximalen Energieeintrag von 32 Watt pro laufenden Meter der späteren SuedLink-Erdkabel simulieren. Der dritte Graben dient als Kontrolle, der lediglich ausgehoben und wiederverfüllt wurde. So können die Forschenden Effekte erfassen, die allein auf die Baumaßnahmen zurückzuführen sind.

    Die Flächen wurden von den Landwirt:innen vier Jahre lang in der gewohnten Fruchtfolge bewirtschaftet, darunter Getreidearten wie Weizen, Gerste, Dinkel, aber auch Raps und Mais. Sensoren erfassten während dieser Zeit kontinuierlich Bodentemperatur und -feuchte bis in 1,25 m Tiefe.

    Bau und Betrieb beeinflussen Boden

    Sowohl der Bau als auch der Betrieb von Erdstromkabeln beeinflussen die Umwelt: „Um die Kabeltrassen zu bauen, müssen die Bauunternehmen schweres Gerät einsetzen. Dadurch wird unter Umständen der Boden rund um die Kabelgräben verdichtet. Im eigentlichen Kabelgraben stören zumindest zeitweise das Ausheben und Wiederverfüllen die natürliche Struktur des Bodens“, erklärt Jonas Trenz, Doktorand im Fachgebiet Pflanzenbau der Universität Hohenheim.

    Deshalb achteten die Forschenden beim Bau der Kabelgräben darauf, dass die natürliche Schichtung des Bodens beim Ausheben und Wiederverfüllen weitgehend erhalten bleibt. Fachleute sprechen hier von „fachgerechter Bauweise“. So wurden beispielsweise die natürlichen Bodenschichten getrennt gelagert und wiederverfüllt, Arbeiten auf stark durchnässten Böden wurden vermieden und verdichtete Bereiche anschließend gelockert. „Denn nasse Erde kann sich stark verdichten, so dass die Pflanzen später Schwierigkeiten haben, ihre Wurzeln auszubreiten“, beschreibt der Experte den Grund.

    „Neben Veränderungen in der Bodenstruktur führen Erdstromkabel zu einer Wärmeabgabe an den umliegenden Boden. Uns interessiert, welche Folgen das für den Boden und die Pflanzen hat, die auf ihm wachsen“, ergänzt Fachgebietsleiterin Prof. Dr. Simone Graeff-Hönninger. „Wir untersuchten: Ist der Grad der Erwärmung beispielsweise im Oberboden für die Pflanzen relevant? Steht den Pflanzen eventuell weniger Wasser für ihr Wachstum zur Verfügung? Welche Auswirkungen hat das auf die Erträge und Qualitäten der angebauten Kulturarten sowie auf ihre Entwicklung und Reifung?“

    Ergebnisse: Keine Einbußen – teilweise Vorteile

    Nach vier Jahren Versuchslaufzeit zeigt sich, dass auf den Versuchsflächen sowohl durch den Bau als auch durch den Wärmeeintrag keine Ertragseinbußen festgestellt werden konnten. „Allerdings beeinflussen die unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten das Wachstum der Kulturpflanzen deutlich“, so Jonas Trenz. „Auf flachgründigen oder steinigen Standorten profitierten die Kulturarten sogar und wir konnten höhere Erträge beobachten.“

    „Was das Pflanzenwachstum sowie Ertragshöhe und Kornqualität betrifft, können wir Effekte durch den Bau und die abgegebene Wärme beobachten, aber wir können noch nicht eindeutig zuordnen, welcher Effekt worauf zurückzuführen ist“, so Prof. Dr. Graeff-Hönninger. „Ganz allgemein finden wir eine hohe Abhängigkeit vom Standort und der Kulturart.“

    „Die Temperaturmessungen ergaben, dass die Erwärmung unmittelbar am Kabel zwischen 14 und 16 Grad Celsius beträgt, während im Oberboden in 15 cm Tiefe die Temperaturen nur um 1 bis 3 Grad steigen“, sagt Dr. Joachim Ingwersen vom Fachgebiet für Biogeophysik an der Universität. „Mit zunehmendem Abstand vom Kabel nimmt die Bodenerwärmung rasch ab und ist in vier Metern Entfernung nicht mehr nachweisbar.“

    Forschung für eine nachhaltige Zukunft

    „Unsere Untersuchungen zeigen, dass landwirtschaftliche Flächen auch mit Erdstromkabeln produktiv bleiben und unter bestimmten Bedingungen sogar profitieren können“, fasst Prof. Dr. Graeff-Hönninger zusammen. „Unser Ziel ist, die gewonnenen Daten in Pflanzenwachstumsmodelle einzubetten, die es uns erlauben, unsere Ergebnisse auch auf andere Standorte zu übertragen.“

    Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, bodenschonende Bauweisen weiterzuentwickeln, die Bodenerwärmung durch Erdkabel zu minimieren und die nachhaltige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zu sichern. Die Forschungsergebnisse könnten auch wichtige Hinweise darauf geben, wie steigende Bodentemperaturen – verursacht durch Klimawandel oder technische Anlagen – landwirtschaftliche Böden und Nutzpflanzen grundsätzlich beeinflussen.

    HINTERGRUND: Projekt CHARGE − Felduntersuchung zum Einfluss von Hochspannungsgleichstromübertragungserdkabel auf Böden und landwirtschaftliche Kulturpflanzen

    Mit dem Forschungsprojekt CHARGE untersucht die Universität Hohenheim in Kooperation mit dem baden-württembergischen Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW, welche Auswirkungen die Wärmeabgabe von Erdstromkabeln und die baubedingten Veränderungen der Bodenstruktur und Bodenlagerung auf die Landwirtschaft haben. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg fördert das Projekt mit knapp 1,3 Million Euro. Die Laufzeit des Projekts erstreckt sich vom 1.1.2021 bis 31.8.2026.

    HINTERGRUND: SuedLink

    SuedLink ist eines der größten Infrastrukturvorhaben der Energiewende. Die Gleichstrom-Erdkabelverbindung wird die windreichen Regionen Norddeutschlands mit Bayern und Baden-Württemberg verbinden. Die 700 Kilometer lange Verbindung wird von den beiden Übertragungsnetzbetreibern TransnetBW und TenneT realisiert. TenneT ist für den nördlichen Trassenabschnitt und die Konverter in Schleswig-Holstein und Bayern zuständig, TransnetBW ist für den Bau und Betrieb, den südlichen Trassenabschnitt und den Konverter in Baden-Württemberg verantwortlich.

    Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
    http://www.uni-hohenheim.de/presse

    Text: Stuhlemmer


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Simone Graeff-Hönninger, Universität Hohenheim, Fachgebiet Pflanzenbau,
    +49 (0)711 459 24114, simone.graeff@uni-hohenheim.de

    Jonas Trenz, Universität Hohenheim, Fachgebiet Pflanzenbau,
    +49 (0)711 459 24386, j.trenz@uni-hohenheim.de

    Dr. Joachim Ingwersen, Universität Hohenheim, Fachgebiet für Biogeophysik,
    +49 (0)711 459 23675, joachim.ingwersen@uni-hohenheim.de

    Clemens von Walzel, TransnetBW, Leiter Externe Kommunikation
    +49 (0)175 7514668, C.vonWalzel@transnetbw.de


    Weitere Informationen:

    https://suedlink.com


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Energie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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