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24.09.2025 20:00

Künstliches Licht verändert die Monduhr

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Mit großer Wahrscheinlichkeit war der weibliche Menstruationszyklus ursprünglich mit dem Mondzyklus synchronisiert. Das hat sich mit dem Siegeszug von künstlichem Licht und Smartphones stark verändert, wie eine neue Studie der Universität Würzburg zeigt.

    Keine Frage: Der Mond übt einen deutlichen Einfluss auf die Erde aus. Mit seiner Gravitationskraft zieht er an dem Planeten und bewegt Wassermassen im täglichen Rhythmus von Ebbe und Flut – dieser Punkt ist unumstritten. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob sich dieselbe Gravitationskraft auch auf das Leben auf der Erde auswirkt, speziell auf den menschlichen Organismus. Und noch komplizierter wird es in der Diskussion, wie sich die schwankende Helligkeit des Erdtrabanten zwischen Voll- und Neumond auf Menschen auswirkt.

    Ein Forschungsteam unter Federführung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) hat dazu jetzt neue Erkenntnisse vorgelegt. Sein Fazit: „Wir zeigen, dass die Synchronisation mit dem Mond seit der Einführung von LEDs und der zunehmenden Nutzung von Smartphones und Bildschirmen jeder Art deutlich nachgelassen hat“, erklärt Charlotte Förster. Die Würzburger Chronobiologin hat bis vor Kurzem den Lehrstuhl für Neurobiologie und Genetik geleitet; inzwischen forscht sie dort als Seniorprofessorin.

    Aufzeichnungen aus zwei Jahrhunderten im Vergleich

    Für ihre jetzt in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlichte Studie haben Förster und ihr Team langfristige Menstruationsaufzeichnungen von Frauen aus den vergangenen 50 Jahren analysiert. „Dabei zeigte sich, dass die Menstruationszyklen von Frauen, deren Aufzeichnungen vor der Einführung von Leuchtdioden im Jahr 2010 und der weit verbreiteten Nutzung von Smartphones erstellt wurden, signifikant mit dem Zyklus von Voll- und Neumond synchronisiert waren“, schildert Förster das zentrale Ergebnis. Nach 2010 waren die Zyklen meist nur noch im Januar synchron, wenn die Gravitationskräfte zwischen Mond, Sonne und Erde am höchsten sind.

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen deshalb die Hypothese auf, dass der Mensch eine innere Monduhr besitzt, die durch das natürliche Nachtlicht und Gravitationskräfte auf den Mondzyklus synchronisiert werden kann. Allerdings werde die Kopplung der Monduhr an den Mondzyklus beim Menschen durch die zunehmende nächtliche Beleuchtung durch künstliches Licht beeinträchtigt.

    Andere Studien unterstützen die Hypothese von der Monduhr

    „Monduhren sind bei Meeresorganismen weit verbreitet, aber bisher nicht für den Menschen nachgewiesen“, erklärt Charlotte Förster. Tatsächlich synchronisieren viele Arten ihr Fortpflanzungsverhalten mit einer bestimmten Phase des Mondzyklus, um so den Fortpflanzungserfolg zu steigern. Der menschliche Menstruationszyklus hat ebenfalls eine ähnliche Dauer wie der Mondzyklus mit seinen annähernd 29,5 Tagen, und aktuelle Studien deuten ebenfalls auf eine zumindest vorübergehende Synchronität zwischen Menstruations- und Mondzyklus hin.

    Dennoch bleibt der Einfluss des Mondes auf den Zyklus der Frau umstritten. „Es ist völlig unklar wie eine solche Monduhr durch die geringen zyklischen Änderungen der Gravitation zwischen Erde und Mond synchronisiert werden kann“, so Förster. Allerdings stünden die jetzt veröffentlichten Erkenntnisse im Einklang mit Ergebnissen aus der Schlafforschung und der Psychiatrie.

    So zeigen beispielsweise Studien zweier Chronobiologen, des Basler Forschers Christian Cajochen und des Washingtoner Biologen Horacio de la Iglesia, dass Menschen um Voll- und Neumond herum signifikant kürzer schlafen als zu anderen Zeiten. „Interessanterweise gilt dies auch für Großstadtmenschen, bei denen die nächtliche Stadtbeleuchtung weit heller ist als das Vollmondlicht“, so die Chronobiologin. Und der US-amerikanische Psychiater Thomas Wehr ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Menschen mit bipolaren Störungen vermehrt zu Voll- und zu Neumond zwischen Manien und Depressionen wechseln.

    Künstliches Licht stört die Synchronisation

    Zusammengenommen sprechen diese Erkenntnisse nach Ansicht des Würzburger Forschungsteams dafür, dass Menschen nicht nur auf das Mondlicht, sondern auch auf die durch den Mond hervorgerufenen Gravitationszyklen reagieren können. „Unsere Studie zeigt jedoch, dass eine erhöhte Exposition gegenüber künstlichem Licht die Anpassung des Menstruationszyklus an den Mondzyklus stark beeinträchtigt“, erklärt Charlotte Förster.

    Demnach „überstrahlt“ künstliches Licht in der Nacht nicht nur die natürlichen Mondlichtzyklen, sondern verkürzt auch die Periodenlänge des Menstruationszyklus. Da eine fortlaufende Synchronisation aber nur dann möglich ist, wenn die Periodenlänge dem Mondzyklus nahekommt, verringert diese Verkürzung wiederum die Wahrscheinlichkeit einer Synchronisation.

    Ein hoher Anteil von blauem Licht steigert den Effekt

    Wer sich jetzt vielleicht fragt, warum eigentlich die Einführung von LEDs und die zunehmende Nutzung von Smartphones diesen Effekt haben – schließlich gab es auch schon früher künstliche Beleuchtung, angefangen bei Gaslaternen bis zu Glühbirnen, für den hat Charlotte Förster eine Erklärung: „LEDs haben eine wesentlich höhere Energie als Gaslaternen und Glühbirnen. Zusätzlich haben sie einen hohen Anteil an Blaulicht, gegenüber dem unsere Photorezeptoren im Auge besonders empfindlich sind“. Deswegen wirke LED-Licht wesentlich stärker auf den Menschen als frühere Leuchtmittel.

    Und auch wenn Charlotte Förster und ihr Team eindeutig nachweisen konnten, dass die Synchronisation des weibliche Menstruationszyklus‘ mit dem Mond durch LEDs und Smartphones und Bildschirmen jeder Art geschwächt wird, gibt es eine kleine Einschränkung bei der Interpretation dieser Ergebnisse: „Unsere Befunde zeigen eine Korrelation zwischen diesen beiden Phänomenen auf. Einen kausalen Zusammenhang konnten wir nicht herstellen“, so die Wissenschaftlerin.

    Prinzipiell handelt es sich bei der jetzt veröffentlichten Studie um Grundlagenforschung. Ein potenzieller Nutzen zeichnet sich in der Auswertung der Daten trotzdem ab: „Da die Periodenlänge ein möglicher altersabhängiger Marker für die weibliche Fruchtbarkeit zu sein scheint, könnten unsere Ergebnisse nicht nur für die menschliche Physiologie und das Verhalten, sondern auch für die Fruchtbarkeit und Empfängnisverhütung relevant sein“, sagt Charlotte Förster.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Charlotte Förster, Lehrstuhl für Neurobiologie und Genetik, T: +49 931 31-88823, charlotte.foerster@uni-wuerzburg.de


    Originalpublikation:

    Synchronization of women's menstruation with the Moon has decreased but remains detectable when gravitational pull is strong. Charlotte Helfrich-Förster, Oliver Mitesser, Thomas Hovestadt. DOI: 10.1126/sciadv.adw4096


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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