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Hochwirksame Medikamente haben HIV-Infektionen ihren einst tödlichen Schrecken genommen und sie zumindest in den Industrienationen zu einer chronischen Krankheit gemacht. Heilbar sind sie aber nicht, was das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen kann. Denn viele HI-Viren verstecken sich vor dem Immunsystem und bilden ein Latenzreservoir. Dr. rer. nat. Frauke Mücksch (36) erforscht an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg die Mechanismen der HIV-Latenz, um Angriffspunkte für eine Heilung zu identifizieren. Um ihr den Weg zu einer unbefristeten Professur zu ebnen, verleiht ihr die Aventis Foundation heute Abend einen Life Sciences Bridge Award.
Seit dem plötzlichen Auftauchen des humanen Immundefizienz-Virus (HIV) Anfang der 1980er Jahre sind etwa 44 Millionen Menschen an den Folgen einer HIV-Infektion gestorben. Außer der Pest hat keine Pandemie in der Geschichte der Menschheit mehr Todesopfer gefordert. Durch die Einführung antiviraler Kombinationstherapien Mitte der 1990er Jahre sind HIV-Infektionen zumindest in der westlichen Welt als chronische Krankheit beherrschbar geworden. Heilbar ist diese Krankheit jedoch nicht. Mehr als 40 Millionen Menschen mit HIV in aller Welt sind dauerhaft auf Medikamente angewiesen und leben teilweise mit erheblichen Beeinträchtigungen. Das liegt daran, dass sich nicht alle HIV-Erreger in den Immunzellen, die sie befallen, vermehren und damit für Medikamente angreifbar werden. Ein Teil von ihnen verbirgt sich im Genom ihrer Wirtszellen und wird erst wieder virulent, wenn die Medikamente abgesetzt worden sind. HI-Viren können in dieser Latenz zudem entzündungsfördernd wirken und zu AIDS-unabhängigen Begleiterkrankungen führen. Mit ihrer Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Heidelberg verfolgt Dr. rer. nat. Frauke Mücksch die Spur dieser „Schläfer“ und ist ihnen bereits dicht auf den Fersen.
Mücksch ist auf gutem Weg, die Faktoren zu identifizieren, von denen es abhängt, ob sich ein HI-Virus in seiner Wirtszelle vermehrt oder versteckt. Dafür nimmt sie die Stellen, an denen sich HIV als Provirus in das Wirtsgenom integriert, Zelle für Zelle in den Blick. Denn in jeder Zelle erfolgt diese Integration an einer anderen Stelle. Gezielt steuert Mücksch mit einem von ihr entwickelten Latenz-Reporter-System die Stellen an, an denen Latenz entsteht. Sie verknüpft ein modifiziertes HI-Virus mit dem Gen für ein Leuchtprotein. Damit infiziert sie humane T-Zelllinien. Zellen, in denen das Provirus zur HIV-Replikation führt, leuchten auf – Zellen, in denen das Provirus in die Latenz geht, dagegen nicht. Sie werden von den leuchtenden Zellen getrennt. Aus jeder einzelnen latenten Zelle wird dann eine neue Zelllinie gezüchtet. Auf diese Art hat Mücksch die größte Bibliothek latent HIV-infizierter CD4-T-Zellen weltweit erstellt. Im Abgleich mit Patientendaten wählt sie mit ihrem Team daraus T-Zellen mit klinisch relevanten Integrationsstellen aus. In diesen schalten sie durch Genomeditierung jedes Gen aus, um herauszufinden, ob und wie es die HIV-Latenz beeinflusst. Daneben erforscht Mücksch mit ihrem Team, wie genau sich spezifische HIV-Integrationsstellen auf die Persistenz des Virus und dessen Reaktivierbarkeit auswirken. Aus einem besseren Verständnis dieser Mechanismen können sich neue therapeutische Strategien ergeben. Ein Beispiel hierfür sind neue Angriffspunkte für latenzumkehrende Arzneimittel. Diese könnten das Virus entweder aufwecken, um es der Immunabwehr zu präsentieren (Shock-and-Kill), oder es einmauern, damit es nie wieder erwacht (Block-and-Lock).
Auf die HIV-Forschung hatte sich Frauke Mücksch nach dem Abschluss ihres Studiums der Humanbiologie in Marburg während ihrer Promotion bei Prof. Hans-Georg Kräusslich in Heidelberg spezialisiert – mit so ausgezeichnetem Ergebnis, dass Prof. Paul Bieniasz an der New Yorker Rockefeller University sie 2019 als Postdoktorandin einstellte. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie veranlasste sie, sich dort neben ihrer Forschung zur HIV-Latenz auf die Interaktionen von SARS-CoV-2 und dem menschlichen Immunsystem zu fokussieren. Dabei leistete sie herausragende Beiträge zum Verständnis der Antikörperantworten auf das Coronavirus und die dagegen gerichteten mRNA-Impfungen.
Mit einem fünfjährigen Förderstipendium der Chica und Heinz Schaller Stiftung bedacht, kehrte sie 2022 nach Heidelberg zurück, und baute dort am Institut für Infektiologie ihre eigene Forschungsgruppe auf. „Mit großem wissenschaftlichem Mut und technischem Geschick verfolgt Frauke Mücksch das Ziel, HIV-Infektionen heilbar zu machen“, sagt Prof. Werner Müller-Esterl, Vorsitzender der Jury des Life Sciences Bridge Award. „Wir möchten ihr mit diesem Preis über die Brücke zu einer unbefristeten Professur helfen“.
Der Life Sciences Bridge Award ist einer der höchstdotierten Nachwuchspreise Deutschlands. Er wird jährlich an drei Preisträger:innen vergeben, die an deutschen Universitäten forschen.
Sie erhalten jeweils 100.000 Euro. Zehn Prozent davon dürfen sie für persönliche Zwecke nutzen, der Rest ist der Finanzierung ihrer Forschung vorbehalten.
Die Aventis Foundation ist eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie dient der Förderung von Kunst und Kultur sowie von Wissenschaft, Forschung und Lehre.
Dr. rer. nat. Frauke Mücksch
Universitätsklinikum Heidelberg
Zentrum für Infektiologie, Virologie
Im Neuenheimer Feld 344
69120 Heidelberg
06221-56-35643
Frauke.Muecksch@med.uni-heidelberg.de
Mücksch F, Laketa V, Müller B, Schultz C, et al. Synchronized HIV assembly by tunable PIP2 changes reveals PIP2 requirement for stable Gag anchoring. eLife 6:e2528 (2017) DOI: 10.7554/eLife.25287
Muecksch F, Wang Z, Cho A, Gaebler C, et al. Increased memory B cell potency and breadth after a SARS- CoV-2 mRNA boost. Nature 607, 128-134 (2022)
DOI: 10.1038/s41586-022-04778-y
https://www.aventis-foundation.org
https://www.aventis-foundation.org/wissenschaft/life-sciences-bridge-award/
Dr. rer. nat. Frauke Mücksch vom Universitätsklinikum Heidelberg wird von der Aventis Foundation mit ...
Quelle: Uwe Dettmar
Copyright: Aventis Foundation
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Informationstechnik, Medizin
überregional
Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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