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Die Europäische Kommission hat Kisunla (Wirkstoff: Donanemab) zugelassen – nach Leqembi das zweite Anitkörper-Medikament in der EU. Er kann den Krankheitsverlauf im frühen Stadium moderat verlangsamen und unterscheidet sich von Leqembi durch eine zeitlich begrenzte Therapie. Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. ordnet die Zulassung in einer aktuellen Pressemitteilung ein.
Der Alzheimer-Wirkstoff Donanemab (Handelsname Kisunla) hat von der Europäischen Kommission die Zulassung erhalten. Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) begrüßt diesen Schritt: Nach Leqembi (Lecanemab) ist Kisunla das zweite Medikament, das den Krankheitsverlauf im frühen Stadium moderat verlangsamen kann und dabei an einer der möglichen Ursachen ansetzt. Die Besonderheit: Kisunla wird nur einmal im Monat als Infusion verabreicht und die Behandlung kann beendet werden, sobald die krankheitsrelevanten Proteinablagerungen weitgehend entfernt sind. Leqembi dagegen muss alle zwei Wochen gegeben werden und ist als Dauertherapie angelegt.
„Nach Leqembi ist nun auch Kisunla in der EU zugelassen. Für die Forschung ist das ein wichtiger Schritt, für Erkrankte jedoch ein eher kleiner Hoffnungsschimmer. Denn nur ein begrenzter Kreis von Patientinnen und Patienten kommt für die Behandlung infrage, und auch Kisunla kann die Krankheit nicht heilen. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Therapie zeitlich begrenzt sein kann – das eröffnet eine neue Perspektive in der Alzheimer-Therapie“, sagt Dr. Anne Pfitzer-Bilsing, Leiterin der Abteilung Wissenschaft bei der Alzheimer Forschung Initiative.
Für wen ist Kisunla geeignet?
Kisunla kann bei Menschen im frühen Stadium von Alzheimer eingesetzt werden – also bei milder kognitiver Beeinträchtigung (MCI) oder beginnender Demenz. Voraussetzung ist, dass Amyloid-Ablagerungen im Gehirn durch eine Untersuchung nachgewiesen werden.
Außerdem dürfen Patientinnen und Patienten höchstens eine Kopie des ApoE4-Gens haben. Wer zwei Kopien des Gens trägt, hat ein deutlich höheres Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen wie Schwellungen oder Blutungen im Gehirn und ist von der Behandlung ausgeschlossen. Auch für Menschen mit einer fortgeschrittenen Alzheimer-Erkrankung oder anderen Demenzformen ist Kisunla nicht geeignet.
Die Therapie erfordert mehrere Untersuchungen und regelmäßige Kontrollen. Daher müssen Patientinnen und Patienten mobil und belastbar sein.
Wer bekommt Leqembi, wer Kisunla?
Welche der beiden neuen Therapien infrage kommt, bleibt immer eine Einzelfallentscheidung, die gemeinsam mit erfahrenen Ärztinnen und Ärzten getroffen werden muss.
Ein Vorteil von Kisunla ist, dass es nur einmal monatlich verabreicht wird und die Behandlung beendet werden kann, sobald die krankheitsrelevanten Ablagerungen entfernt sind. Leqembi dagegen muss alle zwei Wochen gegeben werden, zeigt aber eine geringere Rate an symptomatischen Nebenwirkungen (ARIAs).
Es gibt Hinweise darauf, dass Leqembi bei Frauen schlechter wirkt als bei Männern. Für Kisunla gibt es diese Beobachtung bislang nicht. Ob das Geschlecht also künftig eine Rolle bei der Wahl der Therapie spielen wird, muss noch genauer diskutiert werden.
Welche Untersuchungen werden vorab durchgeführt?
Bevor Kisunla verabreicht werden kann, sind mehrere Untersuchungen erforderlich:
• Nachweis von Amyloid-Ablagerungen im Gehirn durch eine Nervenwasseruntersuchung oder eine spezielle Bildgebung (Amyloid-PET)
• Gentest auf das ApoE4-Gen.
Über eine Behandlung entscheiden spezialisierte Ärztinnen und Ärzte in Kliniken oder Praxen mit entsprechender Erfahrung.
Über die Einnahme antithrombotischer Medikamente (inkl. Aspirin) muss die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt informiert werden.
Wie läuft die Behandlung ab?
Kisunla wird unter ärztlicher Aufsicht verabreicht. Die Infusion erfolgt alle vier Wochen über die Vene und dauert etwa 30 Minuten. Nach der Gabe erfolgt eine Beobachtung von weiteren 30 Minuten. Die Dosis wird zu Beginn langsam gesteigert. Die genauen Details regelt die Fachinformation.
Die Therapie wird so lange fortgesetzt, bis bildgebende Verfahren zeigen, dass die Amyloid-Ablagerungen weitgehend entfernt sind. Danach kann die Behandlung beendet werden. In Studien wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meist zwischen sechs und 18 Monaten behandelt, bis die Therapie abgesetzt werden konnte. Rund drei Viertel hatten danach keine nachweisbaren Ablagerungen mehr im Gehirn. Aufgrund dieser Beobachtung wird die Option, das Medikament nach 18 Monaten abzusetzen, in Betracht gezogen. Um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder Blutungen frühzeitig zu erkennen, werden regelmäßige MRT-Kontrollen durchgeführt.
Welche Risiken gibt es?
Eine Behandlung mit Kisunla kann zu sogenannten Amyloid-assoziierten Bildgebungsanomalien (ARIA) im Gehirn führen. Dazu zählen Schwellungen oder kleine Blutungen, die oft keine Beschwerden verursachen und nur im MRT sichtbar sind. In manchen Fällen können jedoch Kopfschmerzen, Schwindel oder Verwirrtheit auftreten. Selten können auch schwerwiegende Komplikationen auftreten. Diese Nebenwirkungen sind der Grund für die engmaschige MRT-Überwachung.
Ein nächster Schritt, aber noch kein Durchbruch
Mit Kisunla und Leqembi stehen in Europa nun erstmals zwei Medikamente zur Verfügung, die den Verlauf der Alzheimer-Krankheit moderat verlangsamen können und an einer der möglichen Ursachen ansetzen. Für die Mehrheit der Erkrankten bieten sie jedoch keine Behandlungsmöglichkeit.
Die Alzheimer Forschung Initiative betont, dass beide Wirkstoffe eine mögliche Krankheitsursache angehen, indem sie krankhafte Proteinablagerungen im Gehirn reduzieren. Das ist ein Fortschritt, aber weder ein Stopp noch eine Heilung. Um wirksamere Therapien zu entwickeln, ist weiterhin Forschung zu anderen Ansätzen nötig, etwa zu Tau-Ablagerungen oder Entzündungsprozessen. Langfristig wird eine maßgeschneiderte Kombinationstherapie mehrerer Wirkstoffe Alzheimer zu einer medikamentös einstellbaren Erkrankung machen.
Über die Alzheimer Forschung Initiative e.V.
Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) ist ein gemeinnütziger Verein, der das Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrats e.V. trägt. Seit 1995 fördert die AFI mit Spendengeldern Forschungsprojekte engagierter Demenzforscherinnen und -forscher. Seit 2025 stellt die AFI auch Fördergelder für Pflegeforschung bereit. Mit kostenlosen Broschüren und auf ihrer Website informiert die AFI über die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzen. In 30 Jahren konnte der Verein 421 Forschungsaktivitäten mit 18,2 Millionen Euro unterstützen und über 975.000 Ratgeber und Broschüren verteilen. Botschafterin der AFI ist die Journalistin und Sportmoderatorin Okka Gundel. Weitere Informationen zur Arbeit des Vereins und zu Spendenmöglichkeiten sind zu finden unter www.alzheimer-forschung.de.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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