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Entlassene Arbeitnehmer ziehen deutlich häufiger um, wenn sie ehemalige Kollegen in wohlhabenderen Zielregionen haben. So erhöhte ein ehemaliger Kollege aus Ostdeutschland, der nun in Westdeutschland beschäftigt war, die Wahrscheinlichkeit eines Umzugs für einen entlassenen Arbeitnehmer nach der Wiedervereinigung um 6 Prozent. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die die Rockwool Foundation Berlin (RFBerlin) anlässlich des 35. Jahrestags der Wiedervereinigung veröffentlicht hat.
„Dies ist der erste ursächliche Beweis dafür, dass ehemalige Kollegen eine entscheidende Rolle bei Mobilitätsentscheidungen während großflächiger wirtschaftlicher Umbrüche spielen“, sagt Jan Sebastian Nimczik von der European School of Management and Technology, einer der Ko-Autoren der RFBerlin-Studie.
„Der Effekt wurde speziell durch ehemalige Kollegen aus dem gleichen Berufsfeld verursacht, nicht durch allgemeine Kontakte am Arbeitsplatz oder durch Nachbarn“, fügt Alexandra Spitz-Oener hinzu, Ko-Autorin von der Humboldt-Universität zu Berlin und Vize-Direktorin von RFBerlin. „Unsere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass ehemalige Kollegen Mobilität beförderten, weil sie glaubwürdige Informationen über attraktive Arbeitsplätze weitergaben. Arbeitnehmer zogen um, wenn sie realistisch davon ausgehen konnten, dass sie in derselben Umgebung wie ihre ehemaligen Arbeitskollegen aus der DDR erfolgreich sein würden.“
Michelle Hansch, Forscherin bei RFBerlin und an der Humboldt-Universität, sagt: „Entlassene Arbeitnehmer können strategische Standortentscheidungen treffen, wobei sie die spezifischen Merkmale ihrer ehemaligen Kollegen und die Qualität der Beschäftigungsmöglichkeiten am Zielort berücksichtigen.“
Selbst in Ländern mit gut entwickelten Arbeitsmarktinstitutionen und sozialen Sicherheitsnetzen können berufliche Netzwerke Informationslücken füllen, die formelle Systeme nicht schließen können. Daher könnte ein gezielterer Ansatz bei der Arbeitsmarktberatung helfen. Dies erscheint im Zeitalter der künstlichen Intelligenz nicht unrealistisch, in dem Empfehlungssysteme die Informationen und Erfahrungen ähnlicher Nutzer systematisch verarbeiten und für Empfehlungen nutzen können.
Die Studie zeigt, dass die Mobilität von Ost- nach Westdeutschland nach einem kurzen Hoch zur Wendezeit überraschend gering war. So zogen nur 3,6 Prozent der zwischen 1992 und 2005 entlassenen Arbeitnehmer aus Ostdeutschland nach Westdeutschland, während 96,4 Prozent in den fünf Jahren nach ihrer Entlassung im Osten blieben. „Dieses Muster mag überraschend erscheinen, da die ehemaligen DDR-Bürger Zugang zum gesamten deutschen Arbeitsmarkt hatten und im Vergleich zur internationalen Migration keine sprachlichen oder kulturellen Barrieren bestanden. Außerdem waren die Reallöhne im Westen um etwa 12 Prozent höher und die Arbeitsplatzsicherheit war ebenfalls größer“, fügt Spitz-Oener hinzu. Untersuchungen aus aller Welt zeigten jedoch, dass Migration nicht nur von wirtschaftlichen Faktoren abhängt, sondern auch von anderen Faktoren, wie der Verwurzelung in der Heimatregion oder der Unsicherheit über die Verwertbarkeit der eigenen Qualifikationen im neuen Land.
Im Jahre 1989 und erneut 1990 zogen je rund 400.000 der 16,4 Millionen Ostdeutschen nach Westdeutschland. Dann sank die Zahl 1991 auf 250.000 und 1992 sogar weiter auf 150.000 Menschen im Jahr. Dies blieb so für den Rest der 1990er Jahre.
Die Studie stützt sich auf einen neuartigen Datensatz, der administrative Daten aus der DDR mit Beschäftigungsdaten aus der Zeit nach der Wiedervereinigung kombiniert. Die Analyse umfasst die gesamten Arbeitsmarktbiografien nahezu aller Arbeitnehmer der DDR während des dramatischen wirtschaftlichen Wandels von 1989 bis 2005.
Prof. Alexandra Spitz-Oener; aso@rfberlin.com; 0171 205 41 32
Prof. Jan Sebastian Nimczik; jan.nimczik@esmt.org; 030 212 31 15 55
Dr. Michelle Hansch; mih@rfberlin.com; 0176 43 27 41 85
www.rfberlin.com/25077.pdf
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