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Wissenschaft
Die Klosterruine Eldena bei Greifswald – ein beliebter Ausflugsort, bekanntes Motiv des Malers Caspar David Friedrich und nun ein Ort der Forschung für den Greifswalder Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Christer Lindqvist. Denn in der Ruine des Zisterzienserklosters St. Marien östlich von Greifswald findet sich an einem Backstein eine gut leserliche Inschrift, die sich als „þiriX“ transliterieren lässt. Nach wissenschaftlicher Einschätzung stammt sie aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Was hat es damit auf sich?
Bereits 1996 hatten Bauhistoriker im ehemaligen Zisterzienserkloster Eldena eine ungewöhnliche Inschrift entdeckt, die neue Fragen zur Geschichte des Klosters und seiner Bewohner aufwirft. Auf einem Backstein im Ostflügel des Klausurgevierts wurden die Zeichen „þiriX“ eingeritzt. Diese Entdeckung hat der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Christer Lindqvist von der Universität Greifswald nun im Detail untersucht und seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift European Journal of Scandinavian Studies https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/ejss-2025-2007/html publiziert.
„Die Inschrift datiert vermutlich auf Mitte des 13. Jahrhunderts. Während das erste Zeichen eine mittelalterliche Rune („þ“) ist, könnten die folgenden drei Zeichen sowohl runisch als auch lateinschriftlich gelesen werden“, sagt Professor Lindqvist. Das abschließende „X“ weist zwar eine gewisse epigraphische Eigenständigkeit auf, kann aber aufgrund seiner basalen Form unterschiedlich gelesen werden, beispielsweise als römische Zahl X, als Andreaskreuz oder als Christuszeichen.
Historische Zusammenhänge deuten auf dänische Einflüsse in Eldena hin. Ortsnamen, Rechtspraktiken und Architektur legen die Anwesenheit einer kleinen dänischsprachigen Gemeinschaft bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts nahe. „Vor diesem Hintergrund könnte die Inschrift auf Altdänisch verfasst sein – am ehesten handelt es sich wohl um einen Personennamen, vielleicht Þı̄riR. Denkbar wäre aber auch eine in den Mund des Backsteins gelegte Aussage wie (ek) þerri ‘(ich) trockne‘“, so Lindqvist. Selbst lateinische Deutungen kämen in Frage: So ließe sich „þir“ mit lat. dīrus und der Phrase anguis dīrus ‘unheilvolle Schlange’ verbinden, wobei „IX“ eine christliche Schutzformel (Iesus Christus) darstellen könnte.
Die Deutungsvielfalt zeigt, dass unklar ist, welchen Bildungshintergrund die Person hatte, die die Inschrift geritzt hat – alles vom Handwerker in der Klosterziegelei bis hin zu einem Mönch wäre für den Sprachwissenschaftler denkbar. Welche Wirkung die Inschrift damals entfalten sollte, bleibt offen – sicher ist jedoch, dass sie bis heute fasziniert.
Hintergrund
Das Zisterzienserkloster Eldena wurde 1199 gegründet und weist aufgrund seiner Lage und der Verbindungen zum Mutterkloster Esrom in Dänemark starke dänische Einflüsse auf. Die Entdeckung der Inschrift wirft neues Licht auf die Sprach- und Kulturlandschaft der Region und die Zusammensetzung der mittelalterlichen Bevölkerung in Eldena.
Weitere Informationen
Publikation: Lindqvist, Christer. „Eine Runeninschrift im Kloster Eldena bei Greifswald: Interpretationsvorschläge im Kontext der mittelalterlichen Sprachlandschaft Vorpommerns“, European Journal of Scandinavian Studies, vol. 55, no. 1, 2025, pp. 135–173. https://doi.org/10.1515/ejss-2025-2007
Webseite Prof. Dr. Christer Lindqvist: https://ifs.uni-greifswald.de/lindqvist/
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Christer Lindqvist
Institut für Fennistik und Skandinavistik
Skandinavistische Sprachwissenschaft
Ernst-Lohmeyer-Platz 3, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 3607
lindqvis@uni-greifswald.de
Östliche Außenmauer des Ostflügels des Klosters Eldena bei Greifswald mit eingezeichneter Verortung ...
Quelle: Foto: Christer Lindqvist
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Sprache / Literatur
überregional
Organisatorisches, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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