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03.10.2025 11:00

Letzter Schritt für die Biosynthese von Iridoiden aufgeklärt

Angela Overmeyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

    Für die Biosynthese von Iridoiden, einer Klasse pflanzlicher Abwehrsubstanzen, die auch medizinisch relevant ist, blieb ein entscheidender Schritt bislang unentdeckt. Ein Team des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie konnte nun in Zusammenarbeit mit der University of Georgia und weiteren internationalen Partnerinnen und Partnern in der Brechwurzel nachweisen, welches Enzym für diesen Schritt verantwortlich ist. Das Enzym hat großes Potenzial, wichtige Iridoide und davon abgeleitete Krebsmittel zukünftig biotechnologisch herzustellen.

    Iridoide sind eine weit verbreitete und evolutionär alte Klasse pflanzlicher Sekundärstoffe, die zu den Terpenen gehören. Sie kommen in Tausenden von Pflanzenarten vor und spielen eine wichtige Rolle bei der Pflanzenabwehr und anderen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und ihrer Umgebung. Iridoide kommen auch in Nahrungsmitteln, wie z.B. Oliven oder Blaubeeren vor, und ihnen wird eine entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben. Darüber hinaus sind sie essenzielle Vorläufer für eine Reihe medizinisch wichtiger Verbindungen, beispielsweise für das Krebsmedikament Vinblastin sowie für die Ipecacuanha-Alkaloide, die in den beiden Heilpflanzen Salbeibblättrigem Alangium und der Brechwurzel vorkommen. Trotz ihrer Bedeutung war die vollständige Aufklärung ihres Biosynthesewegs bislang noch nicht gelungen. Der entscheidende Schritt, die Cyclisierung zu Nepetalactol, der Grundstruktur aller Iridoide, fehlte noch.

    Sarah O’Connor, Leiterin der Abteilung Naturstoffbiosynthese am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena, erforscht diesen Biosyntheseweg seit über 15 Jahren. „Seit langem sind Enzyme bekannt, die das Iridoidgerüst bilden können. Diese Iridoid-Synthasen produzieren geringe Mengen Nepetalactol und gleichzeitig große Mengen an Nebenprodukten. Wir vermuteten also lange, dass die entscheidende Cyclisierungsreaktion spontan ablaufen könnte – ohne die Hilfe eines weiteren Enzyms. Spätere Experimente, unter anderem an Katzenminze, ergaben jedoch Hinweise darauf, dass die Cyclisierung durch ein Enzym katalysiert wird. Allerdings hatten wir keine Ahnung, wie ein solches Cyclisierungsenzym wohl aussehen könnte“, erklärt Sarah O’Connor den Ausgangspunkt der Forschung. Da es nicht möglich war, die Suche auf bestimmte Enzymklassen einzugrenzen, hätten normalerweise hunderte mögliche Kandidaten auf Aktivität getestet werden müssen. Dank der Zusammenarbeit mit Robin Buell von der Universität Georgia (USA) stand jedoch ein neuer Datensatz zur Verfügung, der sich als entscheidend für die Eingrenzung der Kandidatenzahl herausstellte.

    Dieser von Robin Buells Labor mit neuesten Methoden generierte Datensatz beinhaltete die Expression von Genen in einzelnen Zellen der Brechwurzel und nicht nur in verschiedenen Geweben wie ein vorher erstellter Datensatz. Beim Vergleich beider Datensätze zeigte sich, dass nur eine sehr kleine Anzahl unbekannter Gene mit der Expression der bekannten Iridoid-Biosynthese-Gene in beiden Datensätzen korrelierte. Diese kleine Anzahl ermöglichte das rasche Testen auf Aktivität, das von Masterstudentin Chloée Tymen durchgeführt wurde. Für eines dieser unbekannten Gene konnten die Forschenden schließlich nachweisen, dass die Cyclisierungsreaktion katalysiert wird, wenn es in Pflanzen oder Bakterien exprimiert wird. Somit wurde bestätigt, dass dieses Gen die lang gesuchte Cyclase kodiert. Ein Vergleich der Aminosäuresequenz der gefundenen Cyclase mit Sequenzen tausender Pflanzenarten aus öffentlichen Datenbanken ergab, dass das Enzym genau in den Pflanzenarten vorkommt, die auch Iridoide bilden. „Wir konnten zeigen, dass die von uns untersuchte Reaktion tatsächlich durch das Enzym katalysiert wird und die erwartete Substanz, das Nepetalactol, gebildet wird. Zu unserer Überraschung gehört das von uns gefundene Enzym jedoch zu einer vollkommen unerwarteten Klasse von Enzymen. Diese Enzymklasse ist bekannt dafür, eine völlig andere Reaktion zu katalysieren“, erläutert Maite Colinas, Gruppenleiterin in der Abteilung von Sarah O’Connor und Erstautorin der Studie.

    Wie die Cyclisierung mechanistisch abläuft, ist noch unklar. Es gibt unterschiedliche Wege, wie eine Cyclisierung chemisch ablaufen kann, und noch ist unbekannt, durch welchen der möglichen chemischen Reaktionsmechanismen die entdeckte Cyclisierung erfolgt. Zudem ist unklar, wie sich die Cyclisierungsfunktion im Verlauf der Evolution aus einer völlig anderen Enzymreaktion entwickeln konnte. Diese Fragen sind Gegenstand weiterer Untersuchungen.

    Die Entdeckung der für die Iridoidbildung wichtigen Cyclase zeigt einmal mehr, dass Enzyme auch völlig unerwartete Reaktionen katalysieren können, die selbst heute noch nicht durch bioinformatische Methoden vorhersagbar sind. Das Enzym ebnet den Weg für die zukünftige biotechnologische Produktion von Nepetalactol und den daraus abgeleiteten Krebswirkstoffen Vinblastin und Vincristin in Hefepilzen oder anderen Pflanzenarten.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Maite Colinas, Abteilung Naturstoffbiosynthese, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena, Tel. +49 (0)3641 57-1262, E-Mail mmartinez@ice.mpg.de
    Prof. Dr. Sarah O‘Connor, Abteilung Naturstoffbiosynthese, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena, Tel. +49 (0)3641 57-1200, E-Mail oconnor@ice.mpg.de


    Originalpublikation:

    Colinas, M., Tymen, C., Wood, J. C., David, A., Wurlitzer, J., Morweiser, C., Gase, K., Alam R. M., Titchiner, G. R., Hamilton, J. P., Heinicke, S., Dirks, R. P., Lopes, A. A., Caputi, L., Buell, C. R., O’Connor, S. E. (2025) Discovery of iridoid cyclase completes the iridoid pathway in asterids. Nature Plants, doi: 10.1038/s41477-025-02122-6
    https://www.nature.com/articles/s41477-025-02122-6


    Weitere Informationen:

    https://www.ice.mpg.de/512745/PR_Colinas2 Originalpressemeldung auf der Webseite des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie (ab 3.10.2025)
    https://www.ice.mpg.de/462616/evolution-and-regulation-of-natural-product-biosyn... Projektgruppe Evolution und Regulierung der Biosynthese von Naturstoffen


    Bilder

    Pflanzenarten, die Iridoide bilden
    Pflanzenarten, die Iridoide bilden
    Quelle: Eva Rothe und Maite Colinas
    Copyright: Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie

    Maite Colinas und Sarah O'Connor
    Maite Colinas und Sarah O'Connor
    Quelle: Karin Groten
    Copyright: Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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