idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Das Gewandhaus zu Leipzig ersetzt die Kiesflächen auf seinem Flachdach teilweise durch Dachbegrünung, um einen Beitrag für eine klimaresilientere Stadt zu leisten. Damit die Pflanzen in einem guten Zustand bleiben, sind vielfältige Maßnahmen erforderlich. Um diese zu erproben und Erkenntnisse über das Management von Gründächern zu gewinnen, arbeitet das Konzerthaus eng mit Forschungseinrichtungen zusammen. Dazu gehören Forschende der HTWK Leipzig, des Forschungs- und Transferzentrums Leipzig (FTZ) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Glasfasern messen im und auf dem Substrat die Temperaturen und können so vor zu viel Trockenheit warnen, bevor Pflanzen absterben.
Vorteile faseroptischer Messungen auf Gründächern
Die Forschenden waren im Frühjahr dieses Jahres auf das Dach des Gewandhauses mit dabei, als die bisherigen Kiesflächen durch ein Gründach ersetzt wurden, und verlegten zeitgleich Glasfasern im und auf dem Substrat. Unter Leitung von Dr. Martin Weisbrich von der Forschungsgruppe „Sensorik und Monitoring“ vom Institut für Betonbau der HTWK Leipzig verlegten sie faseroptische Messtechnik in mehreren Ebenen und Schleifen an einem Versuchsfeld mit einer Größe von etwa 150 Quadratmetern. Anschließend wurde das Gründach bepflanzt. „Die Methode erlaubt es, über lange Zeiträume Temperaturen im Gründach kontinuierlich und vor allem ortspezifisch zu erfassen. Sie liefert Rückschlüsse zur Feuchte und zum Zustand des Gründachs, was sonst nur durch aufwändige Begehung durch Sachkundige möglich wäre“, so der promovierte Bauingenieur. Zukünftig sollen die Informationen des Messsystems jederzeit abrufbar sein, sodass beispielsweise im Falle von Trockenheit die Pflanzen zeitnah bewässert werden – nicht nach dem Gießkannen-Prinzip, sondern genau dort, wo das Substrat zu trocken ist.
„Die Messungen im Substrat des Gründachs können wir durch drohnengestützte Aufnahmen mit einer Wärmebildkamera ergänzen und so wichtige Zusammenhänge zwischen Volumen- und Oberflächentemperaturen ableiten“, erläutert Weisbrich. Diese Korrelation ist bislang nicht möglich und die meisten Aussagen zu Gründächern resultieren bisher aus Infrarotaufnahmen, die nur die Oberfläche abbilden können. Um Gründächer in ihrer wichtigen Funktion beurteilen und schließlich für die vielfältigen möglichen Anwendungen optimieren zu können, sind diese Kenntnisse unverzichtbar.
Gewandhausdach als Forschungslabor
„Das Gewandhaus ist wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens in Leipzig. Wir möchten auch über die Kultur hinaus zu einer lebenswerten Stadt beitragen. Deswegen haben wir, mit Unterstützung des Amtes für Umweltschutz der Stadt Leipzig, auf unserem Flachdach naturnahe Grünflächen errichtet“, so Toni Schlesinger, technischer Leiter des Gewandhauses. Daher ermöglicht das Gewandhaus zu Leipzig auch zukünftig, das Gründach für Forschungsarbeiten zu nutzen, um Kenntnisse über das Anlegen und die Pflege bepflanzter Dächer im urbanen Raum zu sammeln.
Bei der Projektgestaltung und Umsetzung unterstützte der „Leipziger Gründach Think Tank“, in dem sich Akteure aus dem Gartenbau, der Forschung und kommunalen Behörden auf Initiative des UFZ und des Amtes für Umweltschutz der Stadt Leipzig vor einigen Jahren zusammengeschlossen haben. „Gründächer sind ein wichtiger Bestandteil von zukunftsfähigen Städten, die auch unter den Bedingungen des Klimawandels lebenswerte Bedingungen bieten können. Aus diesem Grund forschen wir am UFZ zu Funktionen von Gründächern, zur Resilienz gegenüber Temperatur- und Feuchteschwankungen oder zum Abbau von Schadstoffen durch die Bepflanzung“, erklärt Dr. Lucie Moeller, Umweltbiotechnologin am UFZ.
Das nächste gemeinsame Forschungsprojekt haben die Beteiligten bereits im Auge: Im Projekt ValiGrün werden sie unter der Leitung des UFZ insbesondere mikroklimatische Effekte erforschen und dafür das Gründach des Gewandhauses als Forschungslabor nutzen. Zusammen mit der HTWK Leipzig, der Technischen Universität Dresden und dem Leipziger Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) untersucht das UFZ dabei, wie gut sich blau-grüne Infrastrukturen wie Gründächer für eine Anpassung an das Klima eignen und wie sich ihre Funktionen im städtischen Raum verbessern lassen.
Methode aus dem Bauwerksmonitoring
Die auf dem Gründach des Gewandhauses eingesetzte faseroptische Messmethode wurde bisher an der HTWK Leipzig und am UFZ in zwei anderen Feldern angewandt: Zum einen, um Bauwerke zu überwachen und Risse oder statische Probleme zu detektieren; zum anderen, um unter dem Einfluss elektromagnetischer Felder wie bei Radiowellen-Erwärmungsprozessen die Temperatur zu erfassen. Eine finanzielle Förderung aus dem transfun®-Innovationsprogramm des UFZ ermöglichte es einer gemeinsamen UFZ/HTWK-Arbeitsgruppe, zu testen, ob sich die Messtechnik auch für den Einsatz in blau-grünen Infrastrukturen eignet. Diese gewinnen im Zuge der Anpassungsbemühungen der Städte an den Klimawandel mehr und mehr an Bedeutung. Erste, erfolgreich absolvierte repräsentative Messaufgaben, etwa an einer begrünten Hausfassade in Leipzig und am experimentellen Gründachsegment des UFZ waren für das UFZ/HTWK-Team unter Leitung von Dr. Ulf Roland dann der Anstoß, das Wissen auf blau-grüne Infrastrukturen zu übertragen.
Wissenstransfer in die Anwendungspraxis
Um Fragen rund um den Effekt der Wasserrückhaltung, den Abbau von Schadstoffen, zur Auswahl des verwendeten Substrates sowie zu Auswirkungen auf das Gebäudeklima gesamtheitlich zu beantworten, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit vonnöten. Dr. Ulf Roland sieht sich dabei in einer Brückenfunktion zwischen Forschung und Anwendung. Dabei hat der Anspruch einen hohen Stellenwert, gewonnene Erkenntnisse umsetzbar zu machen. Für diesen Transfergedanken spielt das Transfernetzwerk Saxony5 eine wichtige Rolle, in dem sich die HTWK Leipzig sich mit den vier weiteren sächsischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zusammengeschlossen hat, um gemeinsam wissenschaftliche Erkenntnisse in die praktische Anwendung zu bringen. Im Teilprojekt „Nachhaltiges Bauen“ setzen sich sowohl Roland als auch das Institut für Betonbau dafür ein, den Bausektor nachhaltiger zu gestalten.
Dr.-Ing. Martin Weisbrich
HTWK Leipzig, Institut für Betonbau, Forschungsgruppe „Sensorik und Monitoring“
Tel.: +49 341 3076-8823
E-Mail: martin.weisbrich@htwk-leipzig.de
Dr. rer. nat. habil. Ulf Roland
HTWK Leipzig, FTZ und UFZ
Tel.: +49 341 3076-3224
E-Mail: ulf.roland@htwk-leipzig.de
ulf.roland@ufz.de
Dr.-Ing. habil. Lucie Moeller
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Dept. Systemische Umweltbiotechnologie
E-Mail: lucie.moeller@ufz.de
Forscher auf dem Dach des Gewandhauses zu Leipzig beim Einsetzen der Sensoren
Quelle: Dr. Ulf Trommler
Copyright: HTWK Leipzig
Die Sensoren messen die Temperatur im und auf dem Substrat
Quelle: Dennis Messerer
Copyright: HTWK Leipzig
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Bauwesen / Architektur, Informationstechnik, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Kooperationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).