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Wissenschaft
Was bewirkt bewusste Stille in Bezug auf Wohlbefinden und Gesundheit? Die „Freiburger Stille-Studien“, initiiert von Prof. Dr. Eric Pfeifer (KH Freiburg) und Dr. Marc Wittmann (IGPP Freiburg), widmen sich seit 2015 der empirischen Erforschung der Wirkung und Wahrnehmung von Stille. Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Bereits wenige Minuten Stille steigern das Wohlbefinden, fördern Entspannung und verändern die Selbst- und Zeitwahrnehmung der Teilnehmenden signifikant. In Kombination mit therapeutischen Verfahren und Natursettings zeigen sich vielfältige gesundheitsförderliche Potenziale – mit weitreichenden Implikationen für Therapie, Prävention und Forschung.
Die „Freiburger Stille-Studien“ (Freiburg Silence-Studies), die unter der Leitung von Prof. Dr. habil. Eric Pfeifer, einem Psychotherapeuten, Musiktherapeuten und Professor an der Katholischen Hochschule Freiburg (KH Freiburg), und Dr. Dr. habil. Marc Wittmann (IGPP – Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene Freiburg) ins Leben gerufen wurden, zählen zu den bekanntesten wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich der Erforschung der therapeutischen Nutzung von Stille und erhalten deshalb sowohl innerhalb wie außerhalb der Psycho- und Musiktherapie viel Beachtung.
Die Studien untersuchen die Wahrnehmung und Auswirkung von Stille und deren therapeutisches Potenzial – unter spezifischer Berücksichtigung von Musiktherapie, humanistischer Psychotherapie und naturgestützter Therapie.
Hintergrund und Ursprung der Freiburger Stille-Studien
Die „Freiburger Stille-Studien“ sind das Ergebnis jahrelanger gemeinsamer Forschung von Prof. Dr. Eric Pfeifer, und Dr. Marc Wittmann, einem renommierten Zeitwahrnehmungsforscher in Freiburg. Angestoßen durch Beobachtungen zu Stille in der eigenen therapeutischen Praxis begann Pfeifer zusammen mit seinem Kolle-gen Wittmann, systematisch die Wahrnehmung und Auswirkung von Stille in Relation zu verschiedenen Faktoren und psychologischen Konstrukten zu erforschen. Dabei ging es ihnen darum, Stille nicht nur als Beiwerk von Klang oder akustisches Nebenprodukt innerhalb der Musik bzw. Musikwirkungsforschung zu verstehen, sondern gezielt die Bedeutung von Stille an sich in den Vordergrund zu rücken – auch im Sin-ne therapeutischer Anwendung.
Ab 2015 begannen die ersten Studien, die unter dem Label „Freiburger Stille-Studien“ bekannt wurden. Ziel war es, die Wahrnehmung von Stille sowie die Auswirkungen von Stille auf unterschiedlichsten mit Gesundheit in Zusammenhang stehen-den Aspekten der Teilnehmenden zu untersuchen (z.B. Entspannung, Stimmung, Rumination, Emotionalität, Erregung). Zu diesem Zwecke wurden die Studien in unterschiedlichsten Kontexten (u.a. im Einzel- wie auch Gruppensetting, in Seminar-räumen, im Wald, im Stadtgarten) und auch unter Einbindung therapeutischer Methoden (z.B. Musiktherapeutische Tiefenentspannung) durchgeführt. Pfeifer und Wittmann, sowie Studierende und wissenschaftliche Mitarbeitende der Katholischen Hochschule, die an den Stille-Studien mitwirkten und Abschlussarbeiten erstellten (zu nennen sind hier: Henrike Fiedler, Frank Storch, Kerstin Pothmann, Stefan Claaßen, Niklas Geyer, Kristin Schiffer), wollten dabei herausfinden, über welche Potenziale Stille als akustisches Phänomen, als ästhetische Ressource, u.a. auch in Kombination mit musiktherapeutischen Methoden und Natursettings, im Hinblick auf eine mögliche Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden verfügt. An dieser Stelle ist auch die Arbeit von Christine Stolterfoth, akademische Mitarbeiterin an der KH Freiburg, zu erwähnen, die im Rahmen ihrer von Prof. Pfeifer betreuten Promotion an die bisherigen Studien anknüpft und die Bedeutung von Stille zur Gesundheitsförderung und Stressprävention unter Mitarbeitenden und Studierenden an Hochschulen und Universitäten untersucht.
Die Kernfragen der „Freiburger Stille-Studien“
Die Forschungsarbeit von Prof. Dr. Eric Pfeifer, Dr. Marc Wittmann und ihrem Team innerhalb der „Freiburger Stille-Studien“ beleuchtet verschiedene Aspekte im Schnittfeld Gesundheit und Stille:
Ein zentraler Aspekt der Untersuchungen ist, wie sich die Wahrnehmung und gezielte Anwendung von Stille(-Praktiken) auf das psychische Wohlbefinden auswirkt. Dabei wird untersucht, welche Veränderungen während der Wahrnehmung von Stille in unterschiedlichsten Kontexten in den Bereichen Selbst-, Raum- und Zweitwahrnehmung, Entspannung, Langeweile, Rumination (neg. Form des Gedankenkreisens), Stimmung usw. auftreten. Besonderes Augenmerk liegt auch darauf, wie die festgestellten positiven Effekte in konkrete gesundheitsförderliche und therapeutische Anwendungen überführt werden können, zumal die bisherigen Studien belegen, dass eine sechseinhalbminütige Stille Entspannung steigert, Gedankenkreisen reduziert, die Stimmung verbessert, die insgesamte Zeitwahrnehmung beeinflusst u.v.m.
Ein weiteres Ziel der Studien ist es, auf Basis der Ergebnisse, für eine Neuevaluierung der Bedeutung von Stille innerhalb der Musiktherapie zu plädieren und Stille sozusagen als gleichberechtigtes akustisches Element neben Klang zu emanzipieren. Besonders interessieren sich die Forschenden deshalb dafür, ein Verständnis von Stille als akustischer, ästhetischer oder auch transmodaler Ressource zur Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung von psychischer, sozialer und ökologischer Gesundheit zu etablieren – auf Grundlage empirischer Forschung.
Die Methodik der „Freiburger Stille-Studien“
Die „Freiburger Stille-Studien“ zeichnen sich durch ein empirisches, fundiertes methodisches Vorgehen aus, das sowohl quantitative als auch qualitative Ansätze berücksichtigt. Die Einbindung unterschiedlicher wissenschaftlicher Methoden ermöglicht eine umfassende Untersuchung in Bezug auf die Wahrnehmung und die Wirkung von Stille. Die Interventionen in den Studien bestehen zumeist aus einer sechseinhalb Minuten dauernden Stille. Die Rahmenbedingungen unterscheiden sich jedoch von Studie zu Studie und finden beispielsweise draußen in der Natur (Wald, Stadtgarten) oder drinnen in einem Seminarraum, im Einzel- oder im Gruppensetting, in Kombination mit Musiktherapeutischer Tiefenentspannung oder als „pure“ Stille ohne vorherige therapeutische Induktion statt.
Die Forschenden interessiert im Besonderen, wie die Teilnehmenden die Stille wahr-nehmen, was sich verändert im Vergleich vor vs. nach der Stille. Hierfür werden quantitativ messende wie auch qualitativ beschreibende Verfahren zur Evaluierung psychischer und körperlicher Aspekte und Prozesse herangezogen. Das heißt, dass sowohl standardisierte Messinstrumente und Fragebögen wie auch Interviews und Gruppendiskussionen zur Anwendung kommen, wodurch ein umfassendes Bild der Auswirkungen von Stille auf das z.B. individuelle Wohlbefinden, die individuelle Stimmung und Wahrnehmung entsteht.
Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit zu Stille in der Musiktherapie
Ein kürzlich von Christine Stolterfoth und Prof. Dr. Eric Pfeifer veröffentlichtes systematisches Review zu Stille in der Musiktherapie erfasst und evaluiert die bestehen-den Studien zu diesem Thema und beleuchtet dabei die Potenziale von Stille für die Musiktherapie-Praxis und -Forschung. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Stille ein komplexes Phänomen ist, das in verschiedenen Formen auftritt und sich in mehrfacher Hinsicht auf psychische Prozesse auswirkt. Laut den Ergebnissen des Reviews beeinflusst Stille unter anderem Entspannung, Stimmung, Rumination sowie die Wahrnehmung von Selbst, Zeit und Raum.
Eine weitere Erkenntnis des Reviews ist, dass Stille als eine eigenständige Methode der Musiktherapie verstanden werden kann. Einige Arbeiten definieren Stille als eine grundlegende Technik innerhalb der Musiktherapie, die nicht nur durch die Abwesenheit von Klang, sondern auch durch gezielte Pausen und Momente der Reflexion wirkt. Darüber hinaus wurden im Rahmen anderer Studien spezifische Modelle entwickelt, um die Rolle der Stille im therapeutischen Kontext zu erklären. Interessanterweise werden auch die therapeutische Beziehung und die Präsenz des*der Musiktherapeut*in als wichtige Faktoren für die positive Wirkung von Stille in der Musiktherapie identifiziert.
Die Erkenntnisse der „Freiburger Stille-Studien“
Die Ergebnisse der „Freiburger Stille-Studien“ und des systematischen Reviews zeigen eine klare Tendenz: Stille verfügt über weitreichende und vielseitige gesundheits-förderliche Potenziale. Die Studien von Prof. Dr. Eric Pfeifer, Dr. Marc Wittmann und ihrem Team deuten auf eine Reihe von positiven Effekten und Wirkungen von Stille hin:
Verbesserungen im Bereich der Stimmung: Teilnehmende, die an Stille-Studien teil-nahmen, berichteten von einer verbesserten Stimmung und zeigten im Anschluss geringere emotionale Erregtheit. Die Stille ermöglichte es ihnen, tiefere emotionale Prozesse zu durchleben und besser mit schwierigen Gefühlen umzugehen.
Stressabbau und Entspannung: Die Studien zeigten, dass Teilnehmende nach einer sechseinhalbminütigen Stille signifikant entspannter waren als davor. Dabei erwiesen sich Naturumgebungen und die Kombination von Stille mit Musiktherapeutischer Tiefenentspannung als besonders wirksam.
Veränderte Wahrnehmung von Zeit, Raum und Selbst: Teilnehmende berichteten, dass Stille im Rahmen der Studien ihre Wahrnehmung von Zeit, Raum und Selbst veränderte. So führte Stille u.a. zu einer Fokussierung auf die Gegenwart, auf das Hier-und-Jetzt, und gleichzeitig zu einer Reduktion der Vergangenheits- und Zukunftsorientierung. Stille bewirkte zudem eine gesteigerte emotional-positive Selbstwahrnehmung.
Langfristige Verbesserung des Wohlbefindens: Die Resultate geben Anlass dazu, Stille als vielseitig wirksames akustisches Phänomen oder als ästhetische Ressource zu verstehen, die gerade im Hinblick auf Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität über spezifische Potenziale verfügt. Aus diesem Grunde wäre es sicherlich angebracht, Stille verstärkt Beachtung zu schenken im Kontext von Gesundheit, Gesellschaft, Arbeits- und Wirtschaftswelt sowie im Angesicht aktueller globaler Herausforderungen.
Fazit
Die „Freiburger Stille-Studien“, unter der Leitung von Prof. Dr. habil. Eric Pfeifer an der Katholischen Hochschule Freiburg, und Dr. Dr. habil. Marc Wittmann am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene Freiburg, haben nicht nur neue Impulse für die Musiktherapie gesetzt, sondern auch das bislang weitgehend kaum untersuchte Potenzial von Stille im Sinne gesundheitsförderlicher bzw. therapeutischer Anwendungen in den Vordergrund gerückt. Die Studienergebnisse belegen eindrucksvoll, dass Stille vielseitige positive Effekte aufweist und somit zu einem wertvollen Baustein für die Pflege, Erhaltung und Förderung von Gesundheit werden kann.
Das systematische Review von Christine Stolterfoth und Prof. Dr. Eric Pfeifer untermauert die Bedeutung von Stille in der Musiktherapie und eröffnet zudem, Stille als eigenständige (musik-therapeutische) Methode zu verstehen. Das Review wie auch die „Freiburger Stille-Studien“ insgesamt tragen entscheidend dazu bei, Stille als wirksame Ressource für Gesundheit, Wohl-befinden, Wachstum und Weiterentwicklung ins Zentrum wissenschaftlicher und anwendungs-bezogener Bestrebungen zu rücken. Die „Freiburger Stille-Studien“ leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung stille-orientierter Vorgehensweisen und zur Erforschung der Potenziale und Effekte von Stille und eröffnen neue Perspektiven für die Praxis und Theorie therapeutischer Arbeit.
Prof. Dr. habil. Eric Pfeifer
Professor
+49 761 200-1584
eric.pfeifer@kh-freiburg.de
https://www.kh-freiburg.de/de/hochschule/news/2025/10-08-freiburger-stille-studi... News Beitrag
https://www.spiegel.de/gesundheit/psychotherapie-stille-hat-die-kraft-das-gedank... Interview mit Eric Pfeifer über die therapeutische Wirkung von Stille
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Gesellschaft, Medizin, Musik / Theater, Pädagogik / Bildung, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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