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Wenn hybride Lehre funktionieren soll, kommt alles auf die didaktische Gestaltung an. Das zeigt eine neue Studie eines Teams von Forschenden aus Würzburg und Barcelona. Sie bestimmen darin drei grundsätzliche Formen.
„Hybride Lehre als das Schlechteste aus beiden Welten.“ So oder ähnlich klingen oft die Stimmen von Hochschullehrenden, wenn es um Lehrveranstaltungen geht, an denen Studierende gleichzeitig im Hörsaal wie auch online teilnehmen können. Diese würden zu fehlendem Austausch und ungleichwertigen Lernerfahrungen für die Studierenden führen, und zu Technikstress und didaktischer Überforderung aufseiten der Lehrperson.
Eine aktuelle Studie der Professur für Erwachsenenbildung/Weiterbildung am Institut für Pädagogik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) in Kollaboration mit der Universität Barcelona (UB) hält dagegen: Hybride Formate sind keineswegs per se „schlecht“ – entscheidend ist vielmehr deren didaktische Zielsetzung und Gestaltung sowie der jeweilige Kontext.
Interviews mit Lehrenden
Dazu haben die Würzburger Forschenden Christina Hümmer, Professorin Regina Egetenmeyer und Dr. Lisa Breitschwerdt gemeinsam mit Professorin Esther Oliver und Professor Ramon Flecha aus Barcelona 20 Hochschullehrende aus ganz Deutschland interviewt und dabei 31 Beispiele synchron-hybrider Lernräume an deutschen Hochschulen analysiert.
Es zeigt sich: Hybride Lehre ist nicht gleich hybride Lehre. Vielmehr lassen sich drei Formen bestimmen. Diese unterscheiden sich durch den Grad der angestrebten Interaktivität mit den Studierenden und den daraus resultierenden Gestaltungsanforderungen. Die Ergebnisse sind in der internationalen Fachzeitschrift Computers & Education veröffentlicht.
Unidirektionale hybride Lehrveranstaltungen – der „Stream“
Die erste identifizierte Form sind unidirektionale, also in nur eine Richtung laufende, hybride Lehrveranstaltungen. Sie waren besonders während der Covid-19-Pandemie weit verbreitet, werden aber auch heute noch genutzt.
Im klassischen Vortragsformat vermittelt eine Lehrperson Wissen, während die Studierenden vor allem zuhören und beobachten. Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden oder innerhalb der Studierenden sind kaum vorgesehen. Das erfordert zwar ein medientechnisches Setup, das vor allem auf die gute Sicht- und Hörbarkeit der Lehrperson ausgerichtet ist und es erlaubt, das Geschehen online zu „streamen“. Darüber hinaus sind jedoch keine besonderen Anpassungen der didaktischen Herangehensweise notwendig, um die Veranstaltung hybrid durchzuführen.
Verdoppelnde hybride Lehrveranstaltungen – oder: Geteilte Aufmerksamkeit
Bei verdoppelnden hybriden Lehrveranstaltungen werden die Studierenden je nach Teilnahmeformat – online oder vor Ort – in Gruppen eingeteilt. Der Austausch findet überwiegend innerhalb dieser Gruppen statt, das Setting wird „verdoppelt“. Typisch sind Projekt- oder Gruppenarbeiten: Die Vor-Ort-Gruppe arbeitet gemeinsam im Kursraum, während die Online-Gruppe etwa eine leicht angepasste Aufgabenstellung in einer Breakout-Session bearbeitet.
Dieses Format erfordert eine didaktische Planung, die beide Teilnahmemodi berücksichtigt und parallel adressiert. Etwa indem für Gruppenarbeiten jeweils eigene Aufgabenstellungen und Medien bereitgestellt werden – zum Beispiel Flipcharts für die analoge Gruppe und Padlets für die digitalen Teilnehmenden. Medientechnisch müssen Sicht- und Hörbarkeit innerhalb der Gruppen gewährleistet sein.
Reziproke hybride Lehrveranstaltungen: Gemeinsames Lernen unabhängig vom Aufenthaltsort
Die dritte Form, reziproke hybride Lehrveranstaltungen, ist zugleich die interaktivste. Hier arbeiten und diskutieren alle Beteiligten miteinander – unabhängig davon, ob sie vor Ort oder online teilnehmen. Voraussetzung ist entweder ein modern ausgestatteter Kursraum oder ein flexibel zusammengestelltes Arrangement aus Laptops, Beamern, Kameras und Mikrofonen, um die Hör- und Sichtbarkeit aller Beteiligten zu gewährleisten.
Didaktisch stellt dieses Format hohe Anforderungen: Bewährte Lehransätze müssen überprüft und durch Methoden ersetzt oder ergänzt werden, die gezielt Brücken zwischen den Teilnehmendengruppen schlagen. Häufig kommen dabei Formate wie Energizer, Group Rallyes, World Cafés oder informelle „Schnack-Runden“ zum Einsatz, die nicht nur die Interaktion, sondern auch ein Gemeinschaftsgefühl fördern. Um die Komplexität zu bewältigen, lohnt es sich, Verantwortung zu teilen: Studierende können kleinere Aufgaben übernehmen – etwa beim technischen Support oder bei der Moderation –, wodurch sie aktiv zur Gestaltung des Lernraums beitragen und die Lehrperson entlasten.
Hybride Formate als Chance
Alle drei Formen verfolgen das Ziel, Zugang zur Hochschulbildung auch für solche Personen zu vereinfachen, die aus verschiedenen Gründen örtlich weniger flexibel sind. Trotzdem soll der persönliche Austausch auf dem Campus nicht zu kurz kommen. Die hybriden Formate eröffnen damit auch neue Wege für internationale Kooperationen.
Mit wachsender Interaktivität steigen jedoch die Anforderungen an die Gestaltung der hybriden Lehrveranstaltungen: Lehrende müssen medientechnische Lösungen gekonnt einsetzen, passende interaktive Methoden entwickeln und ein Gemeinschaftsgefühl über die verschiedenen Teilnahmeorte hinweg fördern. Wie gut dies gelingt, hängt maßgeblich von der vorhandenen Infrastruktur, den personellen Ressourcen und von den Weiterbildungsangeboten der Hochschule ab.
Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse, „dass hybride Lehrveranstaltungen weder per se das ‚Schlechteste aus beiden Welten‘ noch ein didaktisches Allheilmittel sind, sondern je nach Zielsetzung und Kontext sorgfältig gestaltet werden müssen“, wie Christina Hümmer zusammenfasst.
Teil eines interdisziplinären Projekts
Die Studie ist Teil des Projekts DigiTaKS*, unter dessen Dach die JMU-Wissenschaftlerinnen synchron-hybride Lehr-Lern-Settings an Hochschulen entwickeln, pilotieren und erforschen. DigiTaKS* steht für „Digitale Schlüsselkompetenzen für Studium und Beruf – Entwicklung eines Modells zur transformativen digitalen Kompetenzentwicklung Studierender“. Das Projekt wird gefördert vom Zentrum für Digitalisierung- und Technologieforschung der Bundeswehr (dtec.bw) und von der Europäischen Union im Kontext „NextGenerationEU“ finanziert.
Neben der JMU-Professur für Erwachsenenbildung/Weiterbildung sind daran beteiligt: die Professur für Weiterbildung und lebenslanges Lernen an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg (Projektleitung und Gesamtkoordination), die Professur für Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen, die WeTeK Berlin gGmbH und das Institut für Angewandte Informatik an der Universität Leipzig.
Christina Hümmer, Professur für Erwachsenenbildung / Weiterbildung, Institut für Pädagogik, T.: +49 931 31-84996; christina.huemmer@uni-wuerzburg.de
Hümmer, C., Egetenmeyer, R., Breitschwerdt, L., Oliver, E., & Flecha, R. (2025). Forms of synchronous hybrid learning spaces in higher education – A type-building qualitative content analysis. Computers & Education. Advance online publication. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2025.105440
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Pädagogik / Bildung
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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