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14.10.2025 10:57

Hochenergetisches Wasser: Constructor University-Studie zeigt, wie verdrängtes Wasser molekulare Bindungen verstärkt

D. Scott Peterson Corporate Communications
Constructor University

    „Wasser stellt nicht bloß das Umfeld biochemischer Prozesse dar – es spielt oft selbst eine aktive Rolle.“, sagt Prof. Dr. Werner Nau, Professor für Chemie an der Constructor University und Co-Leitautor einer neuen Studie in Angewandte Chemie International Edition. „Wenn wir verstehen, wie sich Wassermoleküle in molekularen Bindungsstellen verhalten, können wir stärkere und intelligentere molekulare Wechselwirkungen entwickeln – mit Anwendungen, die von Medikamenten bis zu neuen Materialien reichen.“

    Wasser ist allgegenwärtig im Leben – es bedeckt den größten Teil unseres Planeten, macht den Großteil unseres Körpers aus und bildet die Bühne, auf der sich alle biologischen Prozesse abspielen. Doch nicht jedes Wasser verhält sich gleich. Die meisten Wassermoleküle bewegen sich in der weiten Masse frei fließender Flüssigkeit, aber ein kleiner Teil ist in winzigen Nischen eingeschlossen – in molekularen Taschen, etwa in Protein-Bindungsstellen oder synthetischen Rezeptoren. Diese gefangenen Wassermoleküle leben unter ungewöhnlichen Bedingungen: Sie können nicht alle ihre bevorzugten Wasserstoffbrückenbindungen eingehen. Im übertragenen Sinne sind sie wie Gäste, die in einem überfüllten, überhitzten Aufzug festsitzen – und nur darauf warten, dass jemand die Tür öffnet.
    Wissenschaftler*innen sprechen in diesem Zusammenhang von „hochenergetischem Wasser“ – nicht, weil es leuchtet oder sprudelt, sondern weil es sich in einem energetisch ungünstigeren, unkomfortableren Zustand befindet als gewöhnliches Wasser. Wenn ein anderes Molekül dieses Wasser verdrängt, kann dies der Bindungskraft überraschend viel „Schubenergie“ verleihen – fast so, als würde das Wasser selbst den Neuankömmling aktiv hineindrängen.
    Genau das haben Werner Nau und Prof. Dr. Frank Biedermann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erstmals quantitativ gemessen und kartiert. Ihre Studie zeigt im Detail, wie viel zusätzliche Bindungsenergie durch die Verdrängung hochenergetischen Wassers entstehen kann. Der Fokus der Arbeit liegt auf sogenannten Host–Guest-Systemen – molekularen „Wirt-Gast“-Strukturen, die nachahmen, wie biologische Bindungstaschen Moleküle festhalten. So konnte das Team die thermodynamischen Beiträge der Wasserverdrängung präzise aufschlüsseln.
    Die Rolle weniger, unsichtbarer Wassermoleküle quantitativ zu erfassen, ist eine große Herausforderung. Zunächst nutzten die Forschenden hochpräzise Kalorimetrie, um die bei molekularen Ereignissen freiwerdende oder aufgenommene Wärme zu messen. Doch erst durch die computergestützte Modellierung von Dr. Jeffry Setiadi und Prof. Dr. Michael Gilson an der University of California San Diego konnte das vollständige Bild entschlüsselt werden. Gemeinsam gelang es, dden energetischen „Bonus“, der duch die Verdrängung des hochenergetischen Wassers entsteht, numerisch zu bestimmen
    Ein besonders eindrucksvolles Beispiel lieferten die Experimente mit dem makrozyklischen Molekül Cucurbit[8]uril, einem weit erforschten molekularen Wirt. Wenn es einen Gast bindet, führt das Austreten der eingeschlossenen Wassermoleküle zu einem außergewöhnlich hohen thermodynamischen Gewinn. Die Ergebnisse liefern nun belastbare Daten zu einem Prinzip, das lange vermutet, aber selten belegt wurde: Je „unwohler“ sich das Wasser fühlt, desto größer der Nutzen, wenn es weicht.
    Diese Erkenntnis hat weitreichende Folgen. In der Arzneimittelforschung könnte die gezielte Identifizierung von hochenergetischem Wasser in Proteinstrukturen Chemiker*innen helfen, Wirkstoffe zu entwickeln, die dieses Wasser verdrängen – und so Wirkstärke und Selektivität verbessern. In der Materialwissenschaft könnten Hohlräume, die solches Wasser ausschließen oder ausstoßen, die Empfindlichkeit oder Speicherkapazität von Materialien erhöhen. Selbst die Effizienz von Enzymen könnte teilweise darauf beruhen, wie sie Wassermoleküle in ihren aktiven Zentren gezielt ein- und ausschleusen.
    „Hochenergetisches Wasser war in der supramolekularen und biomolekularen Chemie schon länger ein Thema, aber die Zahlen waren schwer zu fassen“, erklärt Prof. Biedermann. „Unsere Ergebnisse liefern nun eine quantitative Karte, die Chemikerinnen und Biochemikerinnen in unterschiedlichsten Systemen nutzen können, um vorherzusagen, wie Wasser die Bindung beeinflusst.“
    Die Arbeit ist das Ergebnis einer deutsch-amerikanischen Kooperation zwischen der Constructor University, dem KIT und der University of California San Diego und wurde für die Titelabbildung von Angewandte Chemie ausgewählt – ein Zeichen ihrer hohen wissenschaftlichen Relevanz.
    Die Studie „Thermodynamics of Water Displacement from Binding Sites and its Contributions to Supramolecular and Biomolecular Affinity“ ist in Angewandte Chemie International Edition (2025) erschienen, DOI: 10.1002/anie.202505713.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Werner Nau, Professor of Chemistry, Constructor University
    wnau@constructor.university


    Bilder

    Professor an der Constructor University: Dr. Werner Nau
    Professor an der Constructor University: Dr. Werner Nau


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Chemie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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