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15.10.2025 10:39

Migräne: Add-on-Behandlung mit Placebos verbessert die Lebensqualität

Dr. Milena Hänisch Referat für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Essen

    Helfen offen deklarierte Placebos (OLP) Patient:innen bei der Migräneprophylaxe? Diese Forschungsfrage stellte sich das Team um Prof. Ulrike Bingel (Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen/Universitätsklinikum Essen) und startete in Essen und Frankfurt eine Studie mit 120 Betroffenen. Das Ergebnis: OLPs reduzieren zwar nicht die Anzahl der Kopfschmerztage, aber sie können die Migränebehandlung sinnvoll ergänzen und die Lebensqualität der Patient:innen verbessern.

    Bis zu 15 Prozent aller Deutschen leiden unter Migräne. Nicht immer lindern die üblichen erprobten Medikamente zufriedenstellend die Symptomatik. Deshalb wollte das Team der Universitätsmedizin Essen um PD Dr. Julian Kleine-Borgmann, PD Dr. Katharina Schmidt und Prof. Ulrike Bingel prüfen, ob in einer randomisierten kontrollierten Studie eine dreimonatige Behandlung mit offen verabreichten Placebos in Kombination mit einer Standardtherapie positive Effekte zeigt. Publiziert wurden die Ergebnisse im aktuellen JAMA (Journal of the American Medical Association) Network Open als „Original Investigation“ im Bereich Neurologie.

    Studiendesign
    Vermittelt durch die Studieninformation und ein erklärendes Video wussten die Teilnehmenden prinzipiell über die Natur der wirkstofffreien Tablette Bescheid. Aber: Nur diejenigen in der OLP-Gruppe nahmen zweimal am Tag über einen Zeitraum von drei Monaten ein Placebo ein. Die Standardtherapie erfolgte regulär. Die Kontrollgruppe erhielt die Standardtherapie ohne zusätzliche OLPs. Zu sechs unterschiedlichen Zeitpunkten wurden die Teilnehmenden am Zentrum für Schmerzmedizin der Universitätsklinik Essen und am Kopfschmerzzentrum Frankfurt befragt oder untersucht. Die Studie im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“ (SFB 289) sollte prüfen, ob sich offen deklarierte Placebos als Zusatztherapie günstig auf die Häufigkeit von Migräneattacken, die Schmerzintensität und weitere wichtige klinische Endpunkte auswirken.

    Das Ergebnis
    Zwischen der OLP-Gruppe und der Kontrollgruppe zeigten sich zwar keine Unterschiede in der Anzahl der Kopfschmerz- und Migränetage, allerdings war die Add-on-OLP-Behandlung mit relevanten Verbesserungen der schmerzbedingten Beeinträchtigung und der Lebensqualität verbunden. „Das ist ein ermutigendes Ergebnis. Insgesamt fühlten sich OLP-behandelte Patient:innen signifikant besser als die Patient:innen in der Kontrollgruppe“, urteilt Dr. Katharina Schmidt, Psychologin von der Universitätsmedizin Essen.

    Fazit
    OLPs könnten für ausgewählte Patient:innen eine Erweiterung der Standardtherapie sein, um den Behandlungserfolg einer Migräneprävention zu optimieren. Sie könnten eine sichere ergänzende Option darstellen, um Therapieergebnisse positiv zu beeinflussen. „Offen gegebene Placebos sind im Vergleich zum traditionellen Verständnis von Placebos ethisch unbedenklich, wurden von den teilnehmenden Patient:innen gut vertragen und haben daher das Potenzial, die positive Wirkung des Placebo-Effekts in der Behandlung der Migräne tatsächlich nutzbar zu machen“, erklärt Dr. Julian Kleine-Borgmann. Die Sprecherin des SFB „Treatment Expectation“, Prof. Ulrike Bingel, Leiterin der Universitären Schmerzmedizin der Universitätsmedizin Essen, bestätigt: „Eine als unwirksam beschriebene Pille zu nehmen kann dennoch positive Reaktionen auslösen, Selbstregulationsprozesse aktivieren und positive Erwartungen stärken. Diese Mechanismen könnten die wahrgenommene Beeinträchtigung durch Migräne im Alltag reduzieren, ohne notwendigerweise die Frequenz der Attacken zu verändern.“

    Zukünftig sollen die neuronalen und psychologischen Mechanismen, die diesen positiven klinischen Effekten zugrunde liegen, weiter untersucht werden. Welchen Einfluss haben persönliche Faktoren, wie Optimismus, Angst oder Stress? Welche Patient:innen profitieren am wahrscheinlichsten von OLPs? Und wie könnte man den Einfluss einer positiven Erwartung gegebenenfalls auch ohne OLPs induzieren und aufrechterhalten?
    „Die Studie skizziert einen möglichen Weg, wie der Placeboeffekt die Goldstandardtherapie bei chronischen und episodischen Schmerzerkrankungen, wie der Migräne, ergänzen könnte. Bis dahin gilt es aber, die noch offenen Fragen in weiteren Untersuchungen zu klären“, resümiert Dr. Julian Kleine-Borgmann.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Priv.-Doz. Dr. Julian Kleine-Borgmann
    E-Mail: julian.kleine-borgmann@uk-essen.de
    Universitätsklinikum Essen (AöR)
    Klinik für Neurologie
    Hufelandstraße 55
    D-45147 Essen


    Originalpublikation:

    Link zur Originalveröffentlichung:
    Kleine-Borgmann J & Schmidt K, Ludwig L, et al. Open-Label Placebos as Adjunct for the Preventive Treatment of Migraine: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2025;8(10): e2535739. doi:10.1001/jamanetworkopen.2025.35739


    Weitere Informationen:

    https://www.uni-due.de/med/meldung.php?id=1836


    Bilder

    Autor:innen der in JAMA veröffentlichten Studie
    Autor:innen der in JAMA veröffentlichten Studie
    Quelle: UDE
    Copyright: UK Essen


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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