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21.10.2025 13:46

Vom Kröten schlucken und schlecken - Ulmer Pharmakologe warnt vor einem seltsamen und gefährlichen Drogen-Trend

Andrea Weber-Tuckermann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Die Kröte gehört als Grusel-Accessoire zu Halloween. Sie gilt traditionell als Beigabe zu Zaubertrank und Hexengebräu. Heute weiß man aus der pharmakologischen und toxikologischen Forschung, welche berauschenden und giftigen Substanzen bestimmte Arten dieser Amphibien über Sekrete oder Schleim absondern. Dies erklärt einen neuen, durchaus gefährlichen Trend, der von Australien über die USA nun auch nach Europa gekommen ist: der Konsum von Krötengift, beispielsweise durch Abschlecken dieser Amphibien. Was der Ulmer Pharmakologe und Toxikologe Professor Holger Barth über dieses eigenartige Phänomen zu sagen hat und warum er ausdrücklich vor dem „Konsum“ von Kröten abrät, lesen Sie hier:

    Mussten Sie heute auch schon ‚eine Kröte schlucken‘, um ein Ziel zu erreichen? Diese Metapher zeigt, dass die meisten Menschen Kröten eher als unappetitlich oder gar ekelhaft empfinden. Nun, das Schlucken unserer heimischen Kröten wäre wohl nicht nur gewöhnungsbedürftig, sondern vermutlich auch gesundheitsschädlich, denn der Krötenschleim enthält Toxine, die auf das Herz wirken, vergleichbar den bekannten Digitalis-Giften des Fingerhutes. Wie einige Amphibien, beispielsweise der Feuersalamander, stellen Kröten Giftstoffe her, so genannte Bufotoxine, die aus Drüsen auf ihre Haut ausgeschieden werden. Sie wirken gegen Fressfeinde, verhindern aber auch die Besiedelung durch Bakterien oder Pilze.

    Während hierzulande der Konsum heimischer Amphibien eher wenig attraktiv ist, schleckt man in anderen Regionen wie den USA oder Australien schon mal an der Kröte, um sich in einen Rauschzustand zu versetzen, der dem durch LSD (Lysergsäurediethylamid) ähneln soll. Die dort heimischen Colorado- bzw. Aga-Kröten enthalten in ihrem Schleim neben Bufotoxin ein Gemisch an Halluzinogenen – darunter die Stoffe Bufotenin, Dimethyltryptamin und 5-Methoxymonomethyltryptamin, die dem LSD chemisch ähnlich sind. In Australien, woher diese Praxis ursprünglich stammt, wird auch die Haut der Aga-Kröte (Bufo marinus, bis 25 cm lang) genutzt: Die gifthaltige Krötenhaut wird getrocknet und zu einem berauschenden Sud verkocht oder geraucht. In den USA wird stattdessen die Colorado-Kröte (Bufo alvarius, bis 20 cm lang) verwendet. Bei ihr findet sich das Gift in Form eines weißlichen Sekrets vor allem im Nacken, von wo aus es direkt abgeleckt wird oder in getrockneter Form geraucht werden kann.
    Zwar ist in den USA der Konsum von Krötensekret mittlerweile verboten, aber die Tiere dürfen in Terrarien weiter gehalten werden. Auch in Deutschland wird inzwischen das Sekret konsumiert und die Kröten sogar legal gehandelt, da Handel und „Konsum“ dieser Tiere nicht über das Betäubungsmittelgesetz reguliert sind.

    Etwa 30 Minuten nach dem Abschlecken der Kröte setzen Empfindungen und Symptome ein, die nach Beschreibung der Krötenschlecker den psychischen und körperlichen Auswirkungen eines LSD-Trips sehr ähnlich sind: Euphorie, Enthemmung, Wahrnehmung von Farben und Lichteffekten, aber auch Verwirrung, Schwindel, Kopfschmerz, Übelkeit und Erbrechen. Da man aber – wie bei allen Rauschmitteln aus Tieren, Pflanzen oder Pilzen – nicht abschätzen kann, wie hoch konzentriert Giftstoffe und berauschende Substanzen im Krötensekret vorliegen, kann es zu Vergiftungen mit lebensbedrohlichen Komplikationen wie starkem Blutdruckanstieg und Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand kommen. Der Gebrauch tierischer Halluzinogene ist daher eine durchaus gefährliche Angelegenheit, weshalb vom Konsum dringend abzuraten ist. In diesem Sinne: Schlecken Sie auch zukünftig bitte keine Tiere ab, oder wie der US-Nationalparkdienst für die Besucher auf Facebook postet: „Bitte sehen Sie ab vom Lecken der Kröten!“

    Dass wir hin und wieder die ein oder andere Kröte zu schlucken haben, wird sich hingegen wohl nicht vermeiden lassen. Denn wie schreibt der tschechische Dichter und Politiker Viktor Dyk in seinem Theaterstück die „Morgenkröte“ (1908), auf das die Redensart möglicherweise zurückgeht: „(…) wenn man durchs Leben kommen will, müsste man eigentlich jeden Morgen eine Kröte schlucken. Dann kann man einigermaßen sicher sein, dass einem tagsüber nichts Ekelhafteres mehr über die Zunge läuft.“

    Zum Autor :

    Professor Holger Barth leitet das Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde am Universitätsklinikum Ulm. Der Wissenschaftler war viele Jahre Präsident der Deutschen Gesellschaft für Toxikologie (GT) sowie der Deutschen Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie (DGPT). Die Fachgesellschaften befassen sich mit der Ausbildung und Zertifizierung von Fachgutachtern sowie mit Gefährdungsanalysen und Risikoeinschätzungen zu pharmakologischen Substanzen und toxischen Stoffen.
    Holger Barth forscht in den Ulmer Sonderforschungsbereichen zum menschlichen Peptidom, zu Trauma und zu bakteriellen Toxinen. Auch für sein Engagement in der Lehre wurde der Wissenschaftler vielfach ausgezeichnet, darunter mehrfach als „Bester Dozent“ für Molekulare Medizin an der Universität Tübingen, wo er kooptiertes Mitglied der Medizinischen Fakultät ist.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Holger Barth, Direktor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde am Universitätsklinikum Ulm, E-Mail: holger.barth@uni-ulm.de
    https://www.uniklinik-ulm.de/pharmakologie-toxikologie.html


    Bilder

    Erdkröten im Teich des Botanischen Gartens der Universität Ulm. Der Schleim von heimischen Kröten wie Bufo bufo enthält keinerlei berauschende Substanzen. Ablecken lohnt sich nicht. Auch aus Gründen des Tierschutzes heißt es: Finger weg!
    Erdkröten im Teich des Botanischen Gartens der Universität Ulm. Der Schleim von heimischen Kröten wi ...
    Quelle: Andrea Weber-Tuckermann
    Copyright: Uni Ulm

    Prof. Holger Barth
    Prof. Holger Barth

    Copyright: Uniklinikum Ulm


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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