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23.10.2025 11:08

Auf dem Weg zu einer energieeffizienten Künstlichen Intelligenz (KI): Neue Plattform für KI-Hardware auf Magnetbasis

Dipl.-Psych. Kim-Astrid Magister Kommunikation und Medien
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

    Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) war in der EFRE-Ausschreibung „InfraProNet“ des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) doppelt erfolgreich: Mit den beiden Projekten MagKI und Magnon4KI baut das Zentrum seine Spitzenposition im Bereich der magnetischen KI-Forschung weiter aus. Zusammen erhalten die Projekte rund 3,75 Millionen Euro Fördermittel von EU sowie vom Freistaat Sachsen. Ziel ist es, die Grundlagen für eine neue, besonders energieeffiziente Hardware für künstliche Intelligenz zu schaffen – eine Technologie, die künftig nachhaltiger funktionieren soll als die heutige KI-Technik.

    Mit der neuen Infrastruktur wächst in Dresden-Rossendorf ein Kompetenzzentrum für magnetische KI-Hardware heran. Die Fördermittel aus EU, Bund und Land summieren sich mittlerweile auf rund zehn Millionen Euro – ein starkes Signal für die Zukunftsfähigkeit dieser Forschung. „Das macht das HZDR zu einem zentralen Standort für magnetische KI in Deutschland“, sagt der Wissenschaftliche Direktor des HZDR, Prof. Sebastian M. Schmidt. „Hier entsteht eine Plattform, die Grundlagenforschung und industrielle Anwendung zusammenführt – genau das, was wir für die nächste Generation von KI-Technologien brauchen.“

    Die jüngsten Fortschritte bei Sprachmodellen, Übersetzungs-Software oder Bildgeneratoren haben einen Haken: Sie brauchen enorme Mengen an Energie. „Allein das Training von KI-Modellen wie ChatGPT verschlingt Gigawattstunden“, sagt Dr. Helmut Schultheiß, Leiter der Arbeitsgruppe Spin Wechselwirkung und Kontrolle am HZDR. „Und jedes neue Modell setzt noch mehr Rechenleistung voraus und benötigt damit noch mehr Strom.“ Dadurch droht der Energieverbrauch von KI-Systemen ins Uferlose zu wachsen – ein Problem nicht nur für die Weiterentwicklung, sondern auch für das globale Klima. Um die Situation zu verbessern, setzt das HZDR auf einen disruptiven Ansatz – eine KI-Hardware auf der Grundlage von magnetischen Bauteilen, die nachhaltiger funktionieren soll.

    Heutige Computerchips basieren auf Milliarden Transistoren, die elektrische Ströme schalten und dabei kontinuierlich Wärme erzeugen – was sie für KI-Anwendungen zu ausgesprochenen Stromfressern macht. Magnetische Bauelemente arbeiten anders: Sie nutzen kollektive Schwingungen der Elektronenspins, sogenannte Magnonen. Diese transportieren keine elektrischen Ladungen, sondern Energie und Information über magnetische Wechselwirkungen. Dadurch fließt kaum Strom, es geht nur wenig Energie in Form von Wärme verloren.

    Durchblick im Puzzle-Chaos

    Statt einzelne Transistorzustände zu ändern, breiten sich in den magnetischen Materialien komplexe Wellenmuster aus, die Informationen direkt verarbeiten können. „Man kann sich das wie einen Puzzlehaufen vorstellen“, erklärt Schultheiß. „Die magnetische KI sortiert die Teile vor, bevor die klassische Logik übernimmt. So lässt sich mancher Rechenschritt sparen – und damit jede Menge Energie.“ Der Ansatz knüpft an die Erfolge des EU-Projekts NIMFEIA an. Hier konnte das HZDR bereits zeigen, dass sich solche magnetischen Elemente nahtlos in die Chipfertigung von Partnern wie GlobalFoundries und Infineon integrieren lassen.

    Mit den gewonnenen Ausschreibungen kann das Zentrum die Entwicklung weiter vorantreiben. Das Investitionsprogramm MagKI ermöglicht die Anschaffung von vier spezialisierten Geräteplattformen für die Herstellung und Charakterisierung magnetischer Nanostrukturen. So entsteht im Reinraum des Instituts eine Anlage, mit der sich magnetische Materialien gezielt strukturieren lassen. Über fokussierte Ionenstrahlen können Forschende winzige Nano-Defekte erzeugen – eine Schlüsseltechnologie, um die Eigenschaften von Speicherzellen exakt einzustellen. Hinzu kommt ein Femtosekunden-Laser kombiniert mit einem supraleitenden Magneten. Damit lassen sich magnetische Schwingungen im Terahertz-Bereich untersuchen, also in bislang unerreichter Geschwindigkeit. Der Messplatz soll zeigen, wie sich Magnonen bei extrem kurzen Zeitskalen verhalten – eine Voraussetzung für eine magnetische KI, die in Echtzeit lernt und reagiert.

    Verknüpfung mit Quantentechnologie

    Außerdem wird eine Quantenmagnetometrie-Plattform angeschafft, bei der hochempfindliche Sonden Magnetfelder in atomaren Skalen erfassen. Dadurch lassen sich magnetische Speicher mit Quantentechnologie koppeln, etwa für hochpräzise Quantensensoren. Schließlich wird ein Nano-Ellipsometer die Lichtreflexionen einzelner Nanostrukturen erfassen können. Damit werden die optischen Eigenschaften magnetischer und quantenbasierter Systeme erstmals ortsaufgelöst messbar. Die Daten helfen, neue Materialien zu charakterisieren und zu optimieren.

    Magnonen und Quantenphänomene ergänzen sich perfekt. Damit könnten sich künftig magnetische Zustände optisch oder quantenbasiert auslesen lassen – technologisch ein Riesenschritt. „Mit diesen vier Geräten erweitern wir unsere Möglichkeiten enorm“, erklärt Jürgen Lindner, Leiter der HZDR-Abteilung Magnetismus. „Wir können künftig bei tiefen Temperaturen, hohen Magnetfeldern und ultrakurzen Zeitskalen arbeiten – das ist entscheidend, um die Performance magnetischer Systeme wirklich zu verstehen.“

    Kompetenzzentrum für magnetische KI

    Das zweite, eng verknüpfte Projekt „Magnon4KI“ bündelt die Forschungsaktivitäten. Es untersucht, wie sich magnetische und quantenbasierte Prozesse kombinieren lassen, um neuartige KI-Bauelemente zu schaffen. Magnon4KI liefert den wissenschaftlichen Unterbau für MagKI. Das Projekt entwickelt die Konzepte, Methoden und Prototypen, die später auf der neuen Geräteplattform getestet werden.

    „Beide Projekte sind eng miteinander verzahnt, abteilungsübergreifend angelegt und Teil der HZDR-Strategie 2030+, die auf nachhaltige Informations- und Quantentechnologien setzt“, betont Lindner. „Unser Ziel ist, Sachsen langfristig eine internationale Führungsposition auf dem Gebiet der magnetischen KI zu sichern.“ Deshalb sind Partner aus der Industrie von Beginn an eingebunden: GlobalFoundries liefert bereits Wafer und Chips, die in Dresden-Rossendorf getestet werden. Infineon möchte seine neuen Silizium-Quantenchips künftig am HZDR vorcharakterisieren. Auch Bosch ist Partner bei gemeinsamen Experimenten.

    Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow betont die Bedeutung der Förderung für den Freistaat und für Europa: „Mit den Fördermitteln der Europäischen Union und des Sächsischen Wissenschaftsministeriums können die Projekte MagKI und Magnon4KI realisiert und damit die führende Rolle Sachsens in der Entwicklung hochmoderner KI-Technologien weiter gestärkt werden. Hier wird die Basis gelegt für die nächste Generation starker und anpassungsfähiger KI-Systeme. Sie eröffnen völlig neue Möglichkeiten der Informationsverarbeitung, die durch Verbindung mit Quantentechnologie noch leistungsfähiger werden. Diese Förderung ist auch eine Investition in die digitale Souveränität Europas“.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Helmut Schultheiß
    Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
    Tel. +49 351 260 3243 | E-Mail: h.schultheiss@hzdr.de

    Dr. Jürgen Lindner
    Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
    Tel. +49 351 260 3221 | E-Mail: j.lindner@hzdr.de


    Bilder

    Prinzipskizze MagKI
    Prinzipskizze MagKI

    Copyright: HZDR / H. Schultheiß


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Elektrotechnik, Informationstechnik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

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