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05.11.2025 10:54

35 Jahre Deutsche Einheit: Von bewundernswertem Mut, Zusammenhalt und Pragmatismus

Sara Schulz Pressestelle
Hochschule Nordhausen

    Erzählcafé mit Nordhäuser Zeitzeuginnen und Zeitzeugen an der Hochschule Nordhausen als Raum für spannende Lebens- und Zeitgeschichten.

    Sieben Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gaben am 28. Oktober im Audimax der Hochschule spannende Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen aus der Zeit um 1990. Vizepräsidentin Prof. Dr. Cordula Borbe, Prof. Dr. Viola Sporleder-Geb und Diana Skyba (Dipl.-Pädagogin) hatten zu einem Erzählcafé eingeladen, das von Studierenden an 7 Tischen in wechselnden Diskussionsgruppen moderiert wurde.

    Folgende Bereiche waren personell an sieben Thementischen vertreten durch: Barbara Rinke für die Politik, Gisela Hartmann für den Bereich Umwelt, Bernd Feuerriegel für die Presse, Herr Hans Joachim Junker für die Wirtschaft. Herr Carsten Spiess vertrat den Bereich Bildung, Gert Störmer die Justiz, während Herr Holger Wengler sehr interessante Einblicke in die Verwaltung gab.

    Barbara Rinke, während der Wendezeit in der evangelischen Kirche aktiv und von 1994 bis 2012 Oberbürgermeisterin der Stadt Nordhausen, berichtete über den Bereich Politik, den sie in den Jahren des Umbruchs und der Neuausrichtung aktiv mitgestaltete und bis heute als Mitglied im Stadtrat prägt. In Erinnerung sind ihr vor allem der damals gute Zusammenhalt in der Politik, das Miteinander-Reden und Zuhören geblieben, wodurch Vieles erleichtert wurde, was heute ein Stück weit verloren gegangen sei.

    Gisela Hartmann stellte das Themenfeld Umwelt vor, wofür sie sich nach einem persönlichen Schicksalsschlag noch zu DDR-Zeiten über die evangelische Kirche in hohem Maße engagierte. Als Bürgerrechtlerin und Umweltschützerin hat sie mit viel Herzblut und Weitblick auch über die Wendezeit hinaus viel für Nordhausen bewegt.

    Holger Wengler, der als E-Government-Beauftragter der Stadt Nordhausen tätig ist und in der Wendezeit – wie Gisela Hartmann – Nordhausen durch mutigen Einsatz im Neuen Forum prägte, wechselte 1991 aus der Wirtschaft in die Stadtverwaltung Nordhausen. Pragmatisch und entschlossen übernahm er Verantwortung und leistete einen gewichtigen Beitrag zur Neuausrichtung der Verwaltung. Verwaltungspraktische Hilfestellung boten in dieser Zeit westdeutsche Partnerkommunen, hier konkret die Stadt Bochum.

    Jens Feuerriegel leitete von 1990 bis 2012 die Lokalredaktion der Thüringer Allgemeinen und repräsentierte den Bereich Presse. Als junger Journalist erlebte er die Wendezeit mit feinem Gespür für die Unterschiede: Von einem staatlich kontrollierten Propagandainstrument der SED hin zu Pressefreiheit und Pluralismus, aber auch zu Boulevard- und Sensationsjournalismus in einem hart umkämpften Markt.

    Hans Joachim Junker vertrat den Bereich Wirtschaft. In leitender Position beim VEB Nordbrand Nordhausen, dem größten Spirituosenproduzenten der DDR, begleitete er die Wendezeit und gestaltete die Übernahme durch ein westdeutsches Unternehmen 1991 aktiv bis zum Renteneitritt mit. Dabei betonte Junker, dass die Zusammenarbeit fair und auf Augenhöhe erfolgt sei.

    Karsten Spieß, Schulleiter der Käthe-Kollwitz-Schule in Nordhausen, berichtete über den Bereich Bildung. Zu DDR-Zeiten war Schule zentral und einheitlich organisiert und stark vom Kollektiv sowie von der sozialistischen Ideologie geprägt, etwa im Fach Staatsbürgerkunde. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde das föderale westdeutsche Bildungssystem übernommen und die Lehrpläne im laufenden Schulbetrieb angepasst, was für viele Lehrkräfte eine Herausforderung darstellte.

    Gert Störmer schließlich schilderte eindrücklich seine persönlichen Erfahrungen aus dem Bereich der Justiz. Als junger Staatsanwalt erlebte er intensiv eine politische Strafjustiz, die sich durch besondere Härte gegenüber sog. Staatsfeinden auszeichnete. So erlaubte das Strafgesetzbuch der DDR bei „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten“ mehrjährige Freiheitsstrafen. Störmer zeigte sich erleichtert, dass nunmehr eine unabhängige Justiz auf Basis des Rechtsstaatsprinzips geschaffen wurde, die alle Facetten eines Sachverhaltes beleuchtet und als gerecht empfundene täter-, tat- und schuldangemessenen Strafen verhängt.

    Im Laufe des Abends wurde deutlich: Wende und Wiedervereinigung konnten nur gelingen, weil damals mutige und entschlossene Menschen Verantwortung übernahmen, um beherzt und gelegentlich auch unkonventionell den Wandel einzuleiten. Zusammenhalt und Pragmatismus waren dabei wichtige Schlüssel zur erfolgreichen Gestaltung der deutschen Einheit.

    Und noch etwas wurde deutlich: Solche Formate mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sind – gerade in turbulenten und schnelllebigen Zeiten – wichtig, einerseits um den mutigen Menschen von damals Respekt zu zollen, andererseits um sich an diesen „role models“ zu orientieren und heute selber gesellschaftliche oder politische Verantwortung zu übernehmen.


    Bilder

    Teilnehmende der Thementische im Kontext des Erzählcafés mit Nordhäuser Zeitzeuginnen und Zeitzeugen an der Hochschule Nordhausen
    Teilnehmende der Thementische im Kontext des Erzählcafés mit Nordhäuser Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ...


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    fachunabhängig
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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