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In seiner prämierten Dissertation hat sich SOFI-Forscher Thomas Stieber mit den viel diskutierten Fragen von Fachkräftemangel, Anwerbeprogrammen, problematischen Arbeitsbedingungen und sozialer Ausgrenzung beschäftigt. Am Beispiel eines Großkrankenhauses zeigt der Göttinger Arbeitssoziologe, wie diese Fragen zusammenhängen und analysiert, wie es besser gehen könnte. Eine erste umfangreiche Bilanz ist jetzt als Buch unter dem Titel „Muster migrantischer Arbeit. Von möglichen Sprungbrettern, unmöglichen Bewährungsproben, neuer Migration und alten Grenzen“ erschienen.
Fachkräftemangel, Pflegenotstand, Pflegekräfte aus dem Ausland, Sprach- und Kulturprobleme, Diskriminierung und Ausgrenzung ─ über Arbeit und Migration im Gesundheitswesen wird viel gesprochen. „Allerdings werden dabei leider nur sehr selten die Zusammenhänge und Hintergründe betrachtet. Genau das ist aber nötig, wenn man die komplexen Problemlagen angemessen verstehen und nachhaltige Lösungsansätze finden will“, betont Thomas Stieber vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI).
In der nun veröffentlichten umfangreichen Betriebsfallstudie wird die betriebliche Realität hinter den Themenkomplexen Arbeit und Migration, Integration in und durch Arbeit, Teilhabe und Ausgrenzung ausgeleuchtet. Analysiert werden verschiedene Gruppen von migrantischen Beschäftigten: vor allem Geflüchtete seit dem Jahr 2015 sowie Pflegefachkräfte von den Philippinen, die im Rahmen eines Rekrutierungsprojekts angeworben wurden. Zentral sind dabei zwei Fragen: Wie kommen die migrantischen Arbeitskräfte in den Betrieb – das heißt wer, wie und wohin genau? Und wie gestaltet sich ihre Einbindung in die jeweiligen Arbeitsabläufe und Sozialgefüge? „Die Erforschung der simplen Frage, wer, wo zu einem bestimmten Zeitpunkt im Krankenhaus anzutreffen ist – und vor allem wer nicht – verweist auf komplexe Zusammenhänge, die nicht nur für die wissenschaftliche Forschung zu Arbeit und Migration interessant, sondern in gesellschaftspolitischer Sicht relevant sind“, konstatiert Stieber.
Diese komplexen Zusammenhänge versteht man nur, wenn man sich einerseits intensiv mit den Arbeits- und Rahmenbedingungen auseinandersetzt und sich andererseits mit den beruflichen Biografien der jeweiligen Migrantinnen oder Migranten beschäftigt. Aus diesem Grund hat der Göttinger Soziologe seit 2018 eine Großklinik eingehend untersucht und dort unter anderem über 50, teils mehrstündige Interviews geführt sowie im Bereich der Reinigung und Pflege auch selbst mitgearbeitet.
Mit Blick auf die vielfältigen und vielschichtigen Ergebnisse dieser Studie betont Stieber eines ganz besonders: „Das untersuchte Krankenhaus ist – wie fast alle deutschen Krankenhäuser und das hiesige Gesundheitswesen insgesamt – massiv von den Auswirkungen von Ökonomisierung, Marktlogik und Fallpauschalen-System geprägt.“ Diese Politik hat unter anderem zu einer massenhaften Abwanderung von Pflegekräften aus ihrem Beruf, zu einer entsprechenden Verdichtung der Arbeit für die verbleibenden Beschäftigten, zu einer enormen materiellen und symbolischen Abwertung der sogenannten patientenfernen Servicebereiche (wie zum Beispiel der Reinigung) sowie zu vielfältigen sozialen Spannungen und Konflikten in diesen abgewerteten Bereichen geführt.
Stieber sieht eine wirkliche Lösung der so entstandenen Schieflagen nur in einer vollumfänglichen Abkehr von dieser nur scheinbar alternativlosen Ökonomisierungslogik. Immer neue Anwerbeprogramme verschieben den Pflegenotstand hingegen nur räumlich und zeitlich; und die Suche nach Sündenböcken für die vielfältigen Konflikte, etwa in der abgewerteten Reinigungsarbeit, schafft langfristig nur neue Konflikte. Demgegenüber hält Stieber im Schlusskapitel fest: „Gute Arbeit für alle – für alle am besten!“
Thomas Stiebers jüngst erschienene Dissertation ist von der Sektion „Migration und ethnische Minderheiten“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) als exzellente Arbeit (special mention) 2025 ausgezeichnet worden. Darüber hinaus wird der Dissertationsschrift der Preis für die beste Arbeit der Absolventinnen und Absolventen der Promotionsstudiengänge 2024/25 Mitte November 2025 von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen verliehen.
Veröffentlichung: Stieber, Thomas (2025): Muster migrantischer Arbeit. Von möglichen Sprungbrettern, unmöglichen Bewährungsproben, neuer Migration und alten Grenzen -
Arbeitssoziologische Untersuchungen an einem Großkrankenhaus. Hamburg: VSA Verlag, 392 Seiten.
Link zum Verlag: https://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/muster-migrantischer-arbeit/
Weitere Informationen und Kontakt:
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V.
an der Georg-August-Universität
Friedländer Weg 31
37085 Göttingen
Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Dr. des. Thomas Stieber
Telefon: +49 551 52205-0
E-Mail: thomas.stieber@sofi.uni-goettingen.de
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Jennifer Villarama
Telefon: +49 551 52205-19
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Stieber, Thomas (2025): Muster migrantischer Arbeit. Von möglichen Sprungbrettern, unmöglichen Bewährungsproben, neuer Migration und alten Grenzen -
Arbeitssoziologische Untersuchungen an einem Großkrankenhaus. Hamburg: VSA Verlag
https://sofi.uni-goettingen.de/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

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