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Wissenschaft
10.11.2025
Stellungnahme im Bundestag
IMK: Stabilisierung des Rentenniveaus ist generationengerecht und finanzierbar
Die Stabilisierung des Rentenniveaus ist sozialpolitisch notwendig, generationengerecht und finanziell tragbar. Gerade mit Blick auf Generationengerechtigkeit sollte eine Stabilisierung auf Dauer angelegt sein und nicht nur bis 2031, wie es der aktuelle Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorsieht.
Zusätzlich brauche es eine bessere Verzahnung aus Renten- und Arbeitsmarktpolitik, um ungenutzte Potenziale für eine stärkere Erwerbsbeteiligung zu erschließen. Das betont Dr. Ulrike Stein, Rentenexpertin des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in einer Stellungnahme für die heutige Expert*innenanhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags.*
„Ein stabiles Rentenniveau ist entscheidend für die Sicherung des Lebensstandards und stärkt das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung – über Generationen hinweg“, so Stein. „Unsere Analysen zeigen: Von der Stabilisierung profitieren Jung und Alt gleichermaßen, jüngere Generationen werden nicht benachteiligt.“ Eine aktuelle IMK-Studie** zeigt detailliert, dass eine langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus, wie sie im gescheiterten Rentenpaket II der Ampelkoalition vorgesehen war, für Menschen aller Geburtsjahrgänge zwischen den 1940ern und 2010 die interne Rendite der gesetzlichen Rente erhöht. Das heißt: Alle heute Erwerbstätigen sowie junge Menschen, die aktuell kurz vor Eintritt ins Berufsleben stehen und ein wesentlicher Teil der heutigen Rentner*innen erhalten durch eine Stabilisierung im Verhältnis zu ihren Beiträgen überproportional mehr Rente (Link zur Studie unten).
Seit den späten 1970er Jahren ist das Rentenniveau von knapp 60 Prozent auf rund 48 Prozent gesunken, wo es nach dem Gesetzentwurf bis 2031 stabilisiert werden soll, zeigt Steins Analyse. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung hat sich dagegen seit 1970 lediglich von 17 auf 18,6 Prozent erhöht. Stein betont, dass ein weiter sinkendes Rentenniveau nicht nur die individuelle Lebensstandardsicherung vieler Menschen gefährde, sondern einen wesentlichen Teil der Kosten für die Allgemeinheit lediglich in die Grundsicherung verlagern würde. „Eine solide Haltelinie wirkt der Zunahme von Armutsrisiken entgegen und sorgt dafür, dass die gesetzliche Rente weiterhin eine tragende Säule des Sozialstaats bleibt“, so Stein.
Die Stabilisierung sei zudem grundsätzlich finanzierbar. Dass sich der Bund im Rahmen des Rentenpakets 2025 stärker über Steuermittel an der Finanzierung beteiligen möchte, ist ebenfalls ein akzeptabler Weg, analysiert die IMK-Expertin. Seit 2003 ist der Anteil der Gesamtausgaben des Bundes an der Finanzierung der Rentenversicherung, gemessen an der Wirtschaftsleistung, von 3,5 auf 2,7 Prozent des BIP gesunken – obwohl die Zahl der Altersrenten um 16 Prozent gestiegen ist. Die Bundeszuschüsse und -mittel dienen dazu, Leistungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse zu finanzieren, die nicht über Beiträge gedeckt sind. Dazu zählen etwa Folgekosten der deutschen Wiedervereinigung. Allerdings decken die Bundeszuschüsse laut Deutscher Rentenversicherung die nicht beitragsgedeckten Leistungen längst nicht vollständig ab; allein 2023 betrug die Finanzierungslücke rund 40 Milliarden Euro. „Die gesetzliche Rente bleibt finanzierbar – wenn die Politik bereit ist, ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen“, so Stein.
Das Rentenpaket 2025 enthält zudem die Einführung der Mütterrente III, die eine vollständige Gleichstellung der Kindererziehungszeiten vorsieht. Aus Gerechtigkeitsperspektive ist diese Maßnahme laut IMK nachvollziehbar. Allerdings ist nach Einschätzung von Stein der bürokratische Aufwand hoch, die individuelle Entlastung gering, und die volkswirtschaftlichen Kosten beträchtlich. Die Maßnahme koste rund fünf Milliarden Euro, bringe den Betroffenen aber netto oft nur rund 15 Euro monatlich pro Kind. Das Geld sei in anderen Bereichen sinnvoller eingesetzt.
Generell bewertet das IMK das Rentenpaket 2025 vor allem wegen der Stabilisierung des Rentenniveaus als Schritt in die richtige Richtung. An anderer Stelle scheue die Bundesregierung in ihrer Rentenpolitik aber vor einer notwendigen Veränderung der Schwerpunktsetzung zurück: „Anstatt zu diskutieren, wie Rentner*innen mit befristeten Arbeitsverträgen weiterbeschäftigt, die Regelaltersgrenze erhöht oder teure Anreize zum Weiterarbeiten (Aktivrente) geschaffen werden können, sollte der Fokus darauf liegen, ungenutzte Erwerbspotenziale unter Personen im erwerbsfähigen Alter besser zu aktivieren“, schreibt die Forscherin in ihrer Stellungnahme. Besonders bei Frauen und jungen Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss gebe es erhebliche Reserven. Stein verweist auf Defizite im Bildungssystem und Fehlanreize im Steuer- und Abgabensystem, die eine Ausweitung des individuellen Arbeitsvolumens behinderten. Wichtig sei zudem ein besserer Ausbau der Betreuungsinfrastruktur für Kinder und Pflegebedürftige. Nur so könnten mehr Menschen – insbesondere Frauen – ihre Erwerbstätigkeit ausweiten und die soziale Sicherung langfristig stabilisieren.
Dr. Ulrike Stein
IMK-Rentenexpertin
Tel.: 0211-7778-339
E-Mail: Ulrike-Stein@boeckler.de
Prof. Dr. Sebastian Dullien
Wissenschaftlicher Direktor IMK
Tel.: 0211-7778-331
E-Mail: Sebastian-Dullien@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
*Ulrike Stein: Die Stabilisierung des Rentenniveaus bringt einen generationsübergreifenden Nutzen mit sich. Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten. Download: https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-009267
**João Domingues Semeano, Sebastian Dullien, Camille Logeay, Ulrike Stein: Stabilisierung des Rentenniveaus: Wer verliert und wer gewinnt wirklich? IMK Policy Brief Nr. 186, Februar 2025. PM zur Studie: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-stabilisierung-des-rentennive...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

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