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10.11.2025 14:16

Wie ein Zebrafisch weiß, wann es Zeit zum Tarnen ist

Dr. Stefanie Merker Kommunikation (PR)
Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz

    Ein Team am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz untersucht, wie sich Zebrafischlarven an helle Umgebungen anpassen. Es identifiziert die Zellen in der Netzhaut und im Gehirn, die dies steuern.

    Spezielle Zellen in der Netzhaut senden Signale an das Gehirn, was die Ausschüttung zweier Hormone steuert. Der Spiegel eines Hormons, das den Fisch aufhellt, wird erhöht und der Spiegel eines Hormons, das ihn verdunkelt, gesenkt.

    Die Studie enthüllt, wie das Sehvermögen Farbveränderungen im gesamten Körper steuert – eine grundlegende Reaktion bei einigen Fischen, Amphibien und Reptilien – und wirft wichtige mechanistische und evolutionäre Fragen auf.

    Die Fähigkeit einiger Tiere, ihre Farbe dynamisch an die Helligkeit ihrer Umgebung anzupassen, ist ein beeindruckendes Überlebenswerkzeug der Natur. So können sich beispielsweise Plattfische in sandigen Meeresböden tarnen, Frösche an den Untergrund des Teichs anpassen oder Chamäleons ihre Farbe an die Blätter um sie herum angleichen. Diese Fähigkeiten sind als Hintergrundanpassung bekannt. Ein Team der Abteilung „Gene – Schaltkreise – Verhalten” des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz hat nun die Zellen und Verbindungen identifiziert, die dieser Reaktion bei Zebrafischlarven zugrunde liegen. Die Forscherinnen und Forscher verfolgten den Prozess von der Lichterkennung im Auge bis hin zur Farbveränderung in der Haut.

    Schwimmen Zebrafischlarven durch eine helle Umgebung, werden sie innerhalb weniger Minuten heller. Dadurch können sie die Aufmerksamkeit von Raubtieren vermeiden. Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass diese Farbveränderung bei Zebrafischen einerseits mit Zellen in der Netzhaut zusammenhängt, die das Umgebungslicht wahrnehmen. Zum anderen sind Hormone involviert, die vom Gehirn der Fische reguliert werden und die Haut aufhellen oder verdunkeln. Die spezifischen Zelltypen und alle Zwischenschritte, die zur Hormonausschüttung führen, waren jedoch noch nicht bekannt. Die neue Studie liefert nun wichtige Antworten auf diese Fragen.

    Den Signalweg nachverfolgen

    Bei Zebrafischlarven findet die Farbveränderung in speziellen Hautzellen, den sogenannten Melanophoren, statt. In diesen Zellen befinden sich Melaninpartikel, das gleiche Pigment, das auch in unserer Haut und unseren Haaren vorkommt. Entweder verklumpen die Partikel, sodass der Fisch heller erscheint, oder sie breiten sich aus, wodurch er dunkler wirkt. In der Studie wurden nun die Zellen identifiziert, die das Licht auf der Netzhaut erkennen und die Hormonveränderungen im Gehirn steuern, wenn der Zebrafisch über helle Hintergründe schwimmt.

    „Retinale Ganglienzellen im Augen detektieren Licht und senden dieses Signal in Form von neuronaler Aktivität an Nervenzellen im Hypothalamus. Diese wiederum produzieren ein Hormon, welches in die Blutbahn abgegeben wird und den Fisch heller macht. Gleichzeitig unterdrückt das Licht, das auf die retinalen Ganglienzellen trifft, ein anderes Hormon in anderen Nervenzellen, welche die Haut dunkler macht“, sagt Krasimir Slanchev, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz und Erstautor der Studie. „Das System funktioniert wie ein Dimmer mit zwei Reglern, die in entgegengesetzte Richtungen wirken.“

    Von der Wahrnehmung zur Tarnung

    Die Netzhautzellen, die für die Farbveränderung verantwortlich sind, nehmen die Intensität des Umgebungslichts direkt über ein lichtempfindliches Protein namens Melanopsin wahr, anstatt sich auf die „herkömmlichen“ Photorezeptoren des Auges zu verlassen. Sie steuern eines von zwei Melanin-konzentrierenden Hormonen bei Fischen: Eines reguliert die Tarnung, während das andere den Hunger und den Energiehaushalt kontrolliert. Säugetiere haben das Farbwechselhormon verloren, aber sein Gegenstück beibehalten. Das Verständnis dieses Signalwegs kann zur Erforschung der grundlegenden Prinzipien beitragen, nach denen das Gehirn von Wirbeltieren visuelle Informationen in hormonelle Signale umwandelt.

    Das Team verwendete Gentechnik und Fluoreszenzmarkierungen, um Verbindungen sichtbar zu machen, bestimmte Zellen auszuschalten und einzelne Nervenzellen vom Auge bis zum Gehirn zu verfolgen. Zebrafischlarven erwiesen sich als ideal für diese Forschung: Ihre Gehirnstruktur ähnelt in vielen Aspekten der des Menschen. Ihr Genom kann modifiziert werden, sodass bestimmte Genfunktionen getestet werden können. Zudem ermöglicht ihre Transparenz eine detaillierte Untersuchung unter dem Mikroskop bei lebenden Tieren.

    „Farbveränderungen sind für manche Tiere überlebenswichtig, um Raubtieren zu entkommen, Partner zu finden, zu jagen und ihr Leben zu meistern“, sagt Herwig Baier, Direktor der Abteilung „Gene – Schaltkreise – Verhalten“. „Doch welche Zellen dies steuern und wie sie miteinander verbunden sind, gibt nach wie vor faszinierende Rätsel auf. Mit dieser Arbeit ergeben sich weitere, allgemeinere Fragen: Wie werden sensorische Informationen in hormonelle Signale umgewandelt? Und wie ging diese uralte Reaktion der Wirbeltiere im Laufe der Evolution bei Säugetieren verloren? Zugleich gibt die Studie Einblicke in einen Überlebensmechanismus, den unsere Vorfahren hinter sich gelassen haben – und beleuchtet die grundlegenden Prinzipien, die erklären, wie das Gehirn unsere Wahrnehmungen in Handlungen umsetzt.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Herwig Baier
    Direktor
    MPI für biologische Intelligenz
    herwig.baier@bi.mpg.de


    Originalpublikation:

    Krasimir Slanchev, Eva Laurell, Irene Arnold-Ammer, Enrico Kuehn, Uyyashrinila Pandiarajan, Herwig Baier;
    Molecular delineation of a retina-dependent photoneuroendocrine pathway in zebrafish
    Current Biology, online 5 November 2025
    https://doi.org/10.1016/j.cub.2025.10.025


    Weitere Informationen:

    https://www.bi.mpg.de/baier/de - Webseite der Abteilung


    Bilder

    Schwimmen Zebrafischlarven durch eine helle Umgebung, werden sie innerhalb weniger Minuten heller. Eine neue Studie beschreibt nun die Zellen in der Netzhaut und im Gehirn, die die Hintergrundanpassung steuern.
    Schwimmen Zebrafischlarven durch eine helle Umgebung, werden sie innerhalb weniger Minuten heller. E ...

    Copyright: © MPI für biologische Intelligenz / Krasimir Slanchev


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, jedermann
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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