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24.11.2025 12:31

Zwei neue Cochrane Reviews: Bislang umfassendste Evidenz bestätigt Wirksamkeit und Sicherheit der HPV-Impfung

Mirjam Mischke-Stöckel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Cochrane Deutschland

    Daten aus zwei neuen Cochrane Reviews untermauern die Impfempfehlung gegen Humane Papillomviren (HPV): Die untersuchten Impfstoffe – die auf verschiedene HPV-Typen abzielen – schützen Frauen zuverlässig vor dauerhaften Infektionen mit den jeweiligen Viren. Zudem senken sie schon im frühen Erwachsenenalter wahrscheinlich das Risiko für Krebs am Gebärmutterhals. Langzeitdaten bestätigen, dass die Impfung gut verträglich ist und liefern keine Hinweise auf schwere unerwünschte Wirkungen.

    HPV sind eine große Gruppe weit verbreiteter Viren, die Haut und Schleimhäute befallen. Viele HPV-Typen sind harmlos. Die sexuell übertragbaren, so genannten „Hochrisiko-Typen“ aber können Krebs auslösen – unter anderem an Gebärmutterhals, Anus, Penis, Vulva, Vagina und im Rachen. Und zwar dann, wenn es dem Immunsystem nicht gelingt, das Virus zu eliminieren. Wieder andere HPV-Typen verursachen Genitalwarzen.

    In Deutschland müssen laut RKI jedes Jahr bei rund 25 000 Frauen HPV-bedingte Zellveränderungen am Gebärmutterhals operativ entfernt werden, um zu verhindern, dass Krebs entsteht. Weltweit ist Gebärmutterhalskrebs der vierthäufigste Krebs bei Frauen und führt jährlich zu über 300.000 Toten, vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

    Der eine jetzt veröffentlichte Cochrane Review basiert auf 60 randomisiert kontrollierten Studien mit insgesamt 157.414 Teilnehmenden. Er verglich die vier HPV-Impfstoffe „Cervarix“ (gegen die Hochrisiko-Typen 16 und 18), „Gardasil“ (zusätzlich gegen die nicht-krebsauslösenden Typen 6 und 11), „Gardasil 9“ (zusätzlich gegen weitere Hochrisiko-Typen) sowie den hierzulande nicht zugelassenen Impfstoff „Cecolin“ (Hochrisikotypen 16 und 18). Die Analyse zeigt: Alle HPV-Impfstoffe schützen zuverlässig vor einer anhaltenden Infektion mit den im jeweiligen Impfstoff enthaltenen HPV-Typen. Außerdem verringern sie wahrscheinlich die Zahl der Gebärmutterhalskrebs-Vorstufen im Zeitraum bis sieben Jahre nach der Impfung. Impfstoffe, die auch gegen die HPV-Typen 6 und 11 gerichtet sind („Gardasil“ und „Gardasil-9“), schützen zusätzlich vor Genitalwarzen.

    In den klinischen Studien verursachten die Impfstoffe meist nur kurzfristige, leichte unerwünschte Wirkungen wie Schmerzen, Schwellung oder Rötung an der Einstichstelle. Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen traten nicht häufiger auf als nach einer Scheinimpfung – also nach der Impfung mit einem Placebo. „Klinische Studien können uns noch nicht das gesamte Bild liefern, da HPV-bedingte Krebserkrankungen sehr lange brauchen, um sich zu entwickeln“, sagt Co-Autorin Hanna Bergman von der Cochrane Collaboration in London. „Aber die Ergebnisse zeigen eindeutig: Die Impfstoffe verhindern wirksam die Infektionen, die später zu Krebs führen – ohne Hinweise auf ernste Sicherheitsbedenken.“

    Der zweite neue Cochrane Review hat 225 Beobachtungsstudien aus mehr als 40 Ländern mit Daten von über 132 Millionen Menschen berücksichtigt. Diese „Real-World“-Daten bestätigen einen entscheidenden Punkt: Auch Gebärmutterhalskrebs wird durch die Impfung wahrscheinlich verhindert – besonders, wenn junge Frauen vor ihrem ersten Kontakt mit dem Virus geimpft worden sind. Konkret bedeutet das beispielsweise für Mädchen, die vor dem 16. Geburtstag geimpft wurden: Ihr Risiko, im überblickten Zeitraum von 10 bis 14 Jahren nach der Impfung an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, ist wahrscheinlich um 80 % niedriger als bei Nichtgeimpften. Der Schutzeffekt der HPV-Impfung ist also bereits im frühen Erwachsenenalter nachweisbar. Dieses Ergebnis beruht auf der Auswertung von zwei großen Kohortenstudien aus Schweden und Schottland sowie einer kleinen aus Indien. Zusammengenommen wurden die Teilnehmenden dabei gut 4,5 Millionen Jahre lang beobachtet. „Wir sehen weltweit klare und konsistente Belege dafür, dass HPV-Impfungen Gebärmutterhalskrebs verhindern“, sagt Nicholas Henschke, Co-Autor der Reviews, von der Cochrane Collaboration in London.

    Die Review-Autor*innen suchten in den Beobachtungsstudien auch nach Hinweisen auf ein erhöhtes Risiko für schwere unerwünschte Wirkungen – etwa das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom, das chronische Fatigue-Syndrom, das Guillain-Barré-Syndrom, neurologische Störungen, eine vorzeitig nachlassende Funktion der Eierstöcke oder Unfruchtbarkeit. Solche Hinweise fanden sie aber nicht. „Ein wichtiges Ergebnis des Reviews ist: Wir haben keinen Kausalzusammenhang gefunden zwischen der Impfung und häufig berichteten Nebenwirkungen, die oft in Sozialen Medien diskutiert werden“, so Nicholas Henschke.

    Weiteren Forschungsbedarf sehen die Review-Autor*innen unter anderem mit Blick auf die Männergesundheit: Aus den bisher vorliegenden Daten – das zeigen ihre beiden neuen Reviews – lassen sich noch keine allgemeinen, belastbaren Aussagen zur Krebsvermeidung durch die HPV-Impfung ableiten. Außerdem wollten die Cochrane-Autor*innen eigentlich auch klären, ob bei jüngeren Kindern schon eine Impfdosis ebenso gut schützen würde wie die zwei bis drei Dosen, die Kinder und Jugendliche bislang üblicherweise bekommen. Doch auch zu dieser Frage fanden sie noch nicht genügend Daten.

    Beide Cochrane Reviews wurden vollständig vom britischen National Institute for Health and Care Research (NIHR) finanziert.

    Hintergrundinformationen:
    Gemeinsam liefern die beiden Cochrane Reviews die bislang umfassendste und aktuellste Evidenz zur HPV-Impfung – basierend auf klinischen Studien und großen „Real-World“-Studien. Sie stützen die Empfehlung, junge Menschen möglichst vor dem 16. Lebensjahr zu impfen, da der Schutz dann am größten ist. Hierzulande empfiehlt die Ständige Impfkommission die Impfung für Mädchen und Jungen zwischen neun und 14 Jahren.
    Allerdings decken die verfügbaren Impfstoffe nicht alle HPV-Typen ab, die potentiell Gebärmutterhalskrebs verursachen können. Deshalb raten Fachleute auch geimpften Frauen weiterhin dazu, die Gebärmutterhalskrebs-Früherkennungsuntersuchungen wahrzunehmen.

    Über Cochrane Deutschland:
    Cochrane Deutschland mit Sitz in Freiburg ist Teil der internationalen, gemeinnützigen Organisation Cochrane. Dieses Netzwerk unabhängiger Wissenschaftler*innen erstellt systematische Übersichtsarbeiten zu verschiedensten medizinischen und gesundheitlichen Fragen – die so genannten Cochrane Reviews. Darin fassen die Forschenden die weltweite Studienlage zusammen und bewerten deren Qualität. Ziel ist es, dadurch eine evidenzbasierte, verlässliche Grundlage für medizinische und gesundheitspolitische Entscheidungen zu schaffen. Seit seiner Gründung 1993 hat das weltweite Netzwerk bereits über 9500 Cochrane Reviews veröffentlicht.

    Weitere Informationen: www.cochrane.de


    Originalpublikation:

    https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD015364.pub2/full?hig... Der Review "Human papillomavirus (HPV) vaccination for the prevention of cervical cancer and other HPV‐related diseases: a network meta‐analysis" in voller Länge

    https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD015363.pub2/full Der Review "Effects of human papillomavirus (HPV) vaccination programmes on community rates of HPV‐related disease and harms from vaccination" in voller Länge


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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