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Wissenschaft
Wissenschaftliche Studie der THA untersucht die Gründe, warum KI noch nicht im Praxisalltag der Augenheilkunde genutzt wird
Künstliche Intelligenz kann Augenärztinnen und Augenärzte bei der Diagnose und Behandlungsentscheidung unterstützen, Krankheiten früher erkennen und Auswertungen von Netzhautbildern präzisieren. Doch in vielen Praxen und Kliniken bleibt die Technologie ungenutzt – obwohl sie medizinisch zugelassen ist und in Studien beeindruckende Ergebnisse liefert. Die Gründe, warum das der Fall ist, haben Wissenschaftlerinnen der Technischen Hochschule Augsburg und Ludwig-Maximilians-Universität München in einer Studie untersucht, die jetzt in der renommierten Fachzeitschrift BMC Health Services Research erschienen ist.
„Ob Künstliche Intelligenz in der Augenheilkunde genutzt wird, entscheidet sich nicht im Labor, sondern im Untersuchungszimmer“, sagt Studienleiterin und Erstautorin der Studie Insa Schaffernak, Doktorandin der Technischen Hochschule Augsburg. Gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen Julia Cecil, Dr. Anne-Kathrin Kleine und Prof. Dr. Eva Lermer hat sie kürzlich die Studie „Sociotechnical influences on the adoption and use of AI-enabled clinical decision support systems in ophthalmology“ in der Fachzeitschrift BMC Health Services Research veröffentlicht. Die Studie entstand im Projekt „PSY-A-EYE“, das vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert wird.
Die Forscherinnen haben für ihre Untersuchung Interviews mit 22 Fachpersonen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz geführt – von Klinikdirektoren bis zum augenärztlichen Assistenzpersonal. Analysiert wurden die Aussagen basierend auf einem etablierten wissenschaftlichen Modell, das technische, menschliche und organisatorische Faktoren bei der Einführung innovativer Technologien im Gesundheitswesen gemeinsam betrachtet. Die Ergebnisse zeigen, dass der Erfolg von KI nicht allein auf Präzision und Algorithmen beruht, sondern auf Fragen wie: Ist genug Personal vorhanden, das geschult werden kann? Werden alle Anforderungen an die Datensicherheit erfüllt? Wer löst technische Probleme, wenn diese auftreten? Und lohnt sich die Anschaffung im Vergleich zum Nutzen für Patientinnen und Patienten?
„Entscheidend ist nicht ausschließlich, wie gut die Technik funktioniert – sondern, ob sie in den Arbeitsalltag passt und von den Menschen akzeptiert wird“, erklärt Schaffernak. Zwar sehen die meisten Augenärztinnen und Augenärzte großes Potenzial in KI-Systemen – etwa bei der Auswertung von Netzhautbildern und der Erkennung früher krankhafter Veränderungen besonders angesichts des steigenden Bedarfs an augenärztlicher Versorgung, dennoch werden viele dieser Systeme gar nicht erst eingeführt oder nach kurzer Zeit wieder abgeschaltet.
Die Gründe dafür liegen im Zusammenspiel von Mensch, Arbeitsbedingungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Viele Medizinerinnen und Mediziner wünschen sich Systeme, die Zeit sparen, verlässlich arbeiten und sich ohne großen Aufwand in bestehende Abläufe integrieren lassen. Sobald zusätzliche Klicks nötig sind, Unsicherheiten im Datenschutz bestehen oder die Technik den Ablauf verlangsamt, verliert sie an Akzeptanz. Hinzu kommt eine psychologische Komponente: Ärztinnen und Ärzte wollen sich auf eine KI verlassen können, ohne die Kontrolle über Entscheidungen oder ihre berufliche Rolle zu verlieren. Vertrauen entsteht nicht durch Werbung oder Versprechen der Hersteller, sondern erst im praktischen Einsatz – ähnlich wie bei einer neuen Kollegin, deren Arbeit man erst prüft, bevor man sich auf sie verlässt.
Die Forschenden betonen, dass KI dann Vertrauen schafft, wenn sie entlastet statt ersetzt, Entscheidungen unterstützt statt vorschreibt und den Patientenkontakt verbessert, anstatt ihn zu verdrängen. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen augenärztliche Versorgung benötigen, Fachkräfte knapp sind und der demografische Wandel Druck auf das Gesundheitssystem ausübt, könne gut eingesetzte KI ein Teil der Lösung sein – aber nur, wenn sie mit den Menschen gedacht wird, die täglich mit ihr arbeiten sollen.
Insa Schaffernak
Technische Hochschule Augsburg
insa.schaffernak@tha.de
Schaffernak, I., Cecil, J., Kleine, A. K., & Lermer, E. (2025). Sociotechnical influences on the adoption and use of AI-enabled clinical decision support systems in ophthalmology: a theory-based interview study. Open Acces: https://doi: 10.1186/s12913-025-13620-w
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch

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