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25.11.2025 08:00

Willkommen im digitalen Ökosystem! Wie ein Datenraum die Luft- und Raumfahrt effizienter macht

Merle El-Khatib Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
U Bremen Research Alliance e.V.

    Bremen trägt nicht umsonst den Beinamen „City of Space“, denn die Stadt ist ein bedeutender Standort für Luft- und Raumfahrt. Mit dem Projekt COOPERANTS tragen Forschende aus Mitgliedseinrichtungen der U Bremen Research Alliance dazu bei, dass es so bleibt. Sie haben geschützte Datenräume entwickelt, die Bau- und Forschungsprojekte in der Luft- und Raumfahrt effizienter machen und die Wettbewerbsfähigkeit stärken.

    Steffen Planthaber sitzt im Control Center, einem schmalen, nach vorne offenen Raum. Vor sich, auf dem Bildschirm seines Laptops, taucht das dreidimensionale Modell eines Roboters auf, der keine zehn Meter vor ihm mit allen vier Rollen fest auf dem sandigen Boden der Weltraum Explorationshalle des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) steht. „SherpaTT“ ist der Name des 150 Kilogramm schweren Rovers, der mit seinen spinnenartigen Beinen problemlos kleine Hindernisse überwinden kann und für den Einsatz im Weltraum gedacht ist.

    Auf diversen mondähnlichen Oberflächen auf Lanzarote, in der Wüste Marokkos oder im US-Bundesstaat Utah war SherpaTT schon im Einsatz. Und wenn Planthaber wollte, könnte er ihn auch die steile Kraterlandschaft in der Explorationshalle des DFKI hinaufschicken, die eine Landschaft am Südpol des Mondes simuliert.

    Das Modell des Roboters auf seinem Bildschirm ist Teil einer digitalen Zwillingssoftware, die der Informatiker maßgeblich mitentwickelt hat. Eines Tages, so die Idee, wird ein Roboter wie SherpaTT tatsächlich auf dem Mond oder dem Mars unterwegs sein. Wie aber können die Daten, die bei einer solchen Mission anfallen, anderen Forschenden oder in der Raumfahrt aktiven Unternehmen zur Verfügung gestellt werden – möglichst schnell, sicher, zuverlässig, vertrauenswürdig und abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse?

    Dies ermöglicht die Software, die das DFKI in einem geschützten Datenraum anbietet. „Das ist eine Art Marktplatz, auf dem wir als Dienstleister auftreten. Einzelne digitale Dienste der Software, sogenannte Advanced Smart Services, sind buchbar“, erläutert der Informatiker. Das können Kartierungsdaten der Umgebung sein, seismologische Angaben oder Spektralanalysen, eben alle Informationen, die der Roboter sammelt. „Wer heute Zugang zu Weltraumdaten haben will, muss eine Ewigkeit warten. Mit unserer Software kann man sie direkt herunterladen und steuern, wer Zugriff auf die Daten hat und wer nicht“, so Planthaber.

    Roboter wie SherpaTT erledigen ihre Aufgaben zunehmend autonom, was aber nicht heißt, dass alles klappt. Sie können etwa im Gelände stecken bleiben oder sich verfahren. Die Software hat deshalb eine Art Playback-Funktion, die es den Anwendern erlaubt, zu dem genauen Zeitpunkt, zu dem der Fehler aufgetreten ist, zurückzukehren und sie zu ergründen. Durch die Analyse der Fehler können künftige Missionen erfolgreicher gestaltet werden.

    Der digitale Zwilling ist Bestandteil des Forschungsprojektes COOPERANTS (Collaborative Processes and Services for Aeronautics and Space). Es zielt darauf ab, die Digitalisierungsprozesse in der Luft-und Raumfahrt durch die Schaffung eines digitalen Ökosystems zu beschleunigen. In dem Netzwerk sind Unternehmen, Forschende, Produkte, Lieferanten und Anwendungen in einem digitalen Raum miteinander verbunden. Seit Mitte 2023 entstehen dazu die Advanced Smart Services, die über das Cooperants-Pontus-X-Portal, eine sichere Dateninfrastruktur, bereitgestellt werden. Durch den Austausch der Daten sollen, etwa beim Bau eines Flugzeuges, die Effizienz der Wartungs- und Serviceprozesse verbessert, Risiken minimiert, die Kosten gesenkt und letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der Luft- und Raumfahrt gestärkt werden.

    Die Hochtechnologiebranche hat enorm hohe Sicherheitsstandards. „Sie ist aber auch unglaublich dokumentationslastig. Es werden immer noch viel Papier und Excel-Tabellen hin- und hergeschoben“, sagt Tom Becker. Der Projektmanager am DFKI hat gemeinsam mit Steffen Planthaber den digitalen Zwilling für robotische Anwendungen verwirklicht und als Advanced Smart Service bereitgestellt. Meist werden Forschungs- und Bauvorhaben von verschiedenen Teams an unterschiedlichen Standorten ausgeführt. Zum Schutz der sensiblen Daten ist dies mit einem hohen Organisations- und Reiseaufwand verbunden. Das Projekt führt nun auch dezentral arbeitende Teams in einem geschützten Datenraum zusammen.

    Die Nutzung der Daten basiert auf den Gaia-X-Prinzipien, einer europäischen Initiative als Alternative zu den dominierenden Cloud-Anbietern aus den USA und China. In einem offenen, transparenten, barrierearmen und digitalen Ökosystem sollen Daten und Dienste verfügbar gemacht, zusammengeführt, vertrauensvoll geteilt und genutzt werden können. Die Dateninhaber:innen behalten ihre Datensouveränität. Sie können jederzeit ihre Daten zur Nutzung von Dritten freigeben oder ihnen diese wieder entziehen.

    Mit insgesamt 12,6 Millionen Euro hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) COOPERANTS finanziert. Elf Partner aus Forschung und Industrie, darunter Airbus und der Bremer Raumfahrtkonzern OHB, sind an dem kürzlich abgeschlossenen Projekt beteiligt gewesen. Konsortialführer ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit seinem Bremer Institut für Raumfahrtsysteme (DLR IRS), wie das DFKI eine Mitgliedseinrichtung der U Bremen Research Alliance.

    Der vom DLR IRS mitentwickelte Projektbeitrag, ein weiterer Advanced Smart Service, nutzt die Stärken der Augmented Reality (AR), das Zusammenspiel von digitalem und analogem Leben, für die Montage oder den Service von Satelliten und Raumfahrzeugen. Deren Technologie ist hochkomplex: sie werden in einem Reinraum gefertigt, der vor Staub und anderen Verunreinigungen schützen soll. Die Arbeitsanweisungen für ihren Bau stehen jedoch oft noch auf Papier, das die Ingenieure teils mit in den Raum nehmen. „Mit Augmented Reality machen wir das Papier entlang der gesamten Produktionskette überflüssig“, sagt Dr. Caroline Lange, Konsortialleiterin am Bremer DLR IRS. „Wir vermeiden Fehler, vereinfachen Prozesse, beschleunigen sie und gestalten sie effektiver.“

    Wie beim digitalen Roboterzwilling können unterschiedliche Nutzer:innen von unterschiedlichen Standorten über den Datenraum auf Anwendungen und Daten zugreifen. Sichtbar werden die digitalen Informationen dann im Reinraum mithilfe von AR-Brillen, etwa in Form von dreidimensionalen Arbeitsanleitungen. Die Ingenieur:innen nehmen die Informationen über die Brille auf und haben gleichzeitig die Hände frei, um sie umzusetzen.

    Raumfahrzeuge werden immer komplexer. Gleichzeitig wird es schwieriger, den ganzen Informationsbedarf zu kontrollieren. „Holowork ist superwichtig. Es hilft uns, überholte Prozesse zu verbessern und Innovationen zu ermöglichen“, sagt Dr. Caroline Lange, die die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen der U Bremen Research Alliance in der „City of Space“ lobt. „Bei der Digitalisierung der Raumfahrt nimmt Bremen eine Vorreiterrolle ein. Durch COOPERANTS haben sich die Beziehungen erneut vertieft, was sich auch für künftige Projekte nutzen lässt.“

    Holoworks soll technisch weiterentwickelt werden. Zugleich geht es auch darum, weitere Anwender :innen von dem Mehrwert der Technologie zu überzeugen, insbesondere die großen Akteur :innen in der Branche und die Zulieferer:innen. „Das“, sagt Dr. Caroline Lange, „ist der nächste große Schritt.“

    Kontakt:

    Merle El-Khatib
    Kommunikation und Marketing
    Tel.: +49 421 218 60046
    merle.el-khatib@vw.uni-bremen.de

    Über die UBRA:

    In der U Bremen Research Alliance (UBRA) kooperieren die Universität Bremen und zwölf Institute der bund-länder-finanzierten außeruniversitären Forschung – alle mit Sitz im Bundesland Bremen. Sie umfasst Forschungsinstitute der vier großen deutschen Wissenschaftsorganisationen, also Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft, sowie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.


    Originalpublikation:

    Impact – Das Wissenschaftsmagazin der U Bremen Research Alliance

    In der U Bremen Research Alliance kooperieren die Universität Bremen und zwölf Forschungsinstitute der vier deutschen Wissenschaftsorganisationen sowie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz - alle mit Sitz im Bundesland.

    Das seit 2019 erscheinende Magazin Impact dokumentiert die kooperative Forschungsstärke der Allianz und ihre gesellschaftliche Relevanz. „Willkommen im digitalen Ökosystem!“ wurde in Ausgabe 12 (September 2025) veröffentlicht.

    https://www.bremen-research.de/einblicke/cooperants


    Bilder

    Handarbeit: Jan-Luca Kirchler steuert Arbeitsprozesse per AR-Brille.
    Handarbeit: Jan-Luca Kirchler steuert Arbeitsprozesse per AR-Brille.
    Quelle: Jens Lehmkühler
    Copyright: U Bremen Research Alliance

    Soll eines Tages im Weltraum Daten sammeln: der Rover „SherpaTT“
    Soll eines Tages im Weltraum Daten sammeln: der Rover „SherpaTT“
    Quelle: Jens Lehmkühler
    Copyright: U Bremen Research Alliance


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Informationstechnik, Physik / Astronomie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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