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27.11.2025 10:24

Süßes oder Saures?

Caroline Link Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Bei Fruchtfliegen ist die Evolution von Ernährungsvorlieben im Gehirn verwurzelt und nicht in den peripheren Geschmackssensoren – Studie in „Nature“ veröffentlicht

    Warum bevorzugt eine Fruchtfliegenart Süßes, während eine andere gerne Bitteres frisst? Bisher ging man davon aus, dass solche Ernährungsvorlieben durch die Empfindlichkeit von peripheren Geschmackssinneszellen gesteuert werden. Eine internationale Studie unter Beteiligung von Prof. Dr. Daniel Münch von der Abteilung Neurophysiologie der Tiere an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) zeigt nun, dass Ernährungspräferenzen bei Fruchtfliegen stattdessen auf der Ebene des zentralen Nervensystems reguliert werden. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Sie könnten eine Grundlage für neue Strategien zur Insektenkontrolle bilden.

    Fruchtfliegen wie Drosophila melanogaster und Drosophila simulans sind bezüglich ihrer Ernährung Generalisten und beim Fressen (leider) wenig mäkelig. Im Gegensatz dazu frisst Drosophila sechellia, die auf den tropischen Seychellen beheimatet ist, nur eine Frucht namens Noni (Morinda citrifolia), die besonders sauer und bitter ist – eine Frucht, die die beiden anderen Arten aktiv meiden. Wie hat sich die besondere Ernährungsvorliebe von D. sechellia entwickelt? Die Forschenden waren davon ausgegangen, dass dies an genetischen Veränderungen der Geschmackssinneszellen lag, die bei Fruchtfliegen über den ganzen Körper verteilt sind – vom Mund bis zu den Beinen und Flügeln. Es zeigte sich jedoch, dass die Sinneszellen der unterschiedlichen Fruchtfliegen-Arten in gleicher Weise auf süße und bittere Substanzen reagierten. „Die Aktivität der Geschmackssinneszellen konnte das Fressverhalten von Drosophila sechellia nicht erklären“, so Prof. Münch. „Wir haben daher eine von uns entwickelte bildgebende Technik genutzt, die die Aktivität aller Neuronen im Geschmacksverarbeitungszentrum des Fliegenhirns erfasst.“ Die Arbeiten wurden in Prof. Münchs Zeit am Champalimaud Centre for the Unknown in Lissabon durchgeführt; eine vergleichbare Methode befindet sich derzeit in seiner Arbeitsgruppe an der JLU im Aufbau.

    Dabei betrachteten die Forschenden den Teil des Gehirns der Fruchtfliege, der als subösophageale Zone bezeichnet wird; ein Cluster von Nervenzellen unter der Speiseröhre, der für die Nahrungsaufnahme wichtig ist. Durch ihre Untersuchungen fanden sie heraus, dass die Unterschiede im Ernährungsverhalten zwischen den Arten nicht auf Veränderungen der sensorischen Antworten, sondern auf deren Verarbeitung im Gehirn zurückzuführen waren. „Einige Regionen in der subösophagealen Zone von Drosophila sechellia reagierten stärker auf Noni im Vergleich zu Traubensaft, während dies bei den Melanogaster-Fruchtfliegen umgekehrt war“, sagt Prof. Münch.

    Diese Erkenntnisse könnten neue Ansatzpunkte für Insektenkontrollstrategien liefern. „Bislang gingen wir davon aus, dass wir das Ernährungsverhalten von Insekten beeinflussen können, indem wir die peripheren Sinnesorgane manipulieren“, so Prof. Münch. „Unsere Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass es daneben auch andere Angriffspunkte geben könnte.“

    An der Studie waren neben Prof. Münch Forschende des Champalimaud Centre for the Unknown in Lissabon (Portugal), der Universität Lausanne (Schweiz) und der Universität Freiburg (Schweiz) beteiligt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Daniel Münch
    Institut für Tierphysiologie
    Telefon: 0641 99-35260


    Originalpublikation:

    Bertolini, E., Münch, D., Pascual, J. et al. Evolution of taste processing shifts dietary preference. Nature (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09766-6


    Bilder

    Die Fruchtfliege Drosophila sechellia auf der Noni-Frucht (Morinda citrifolia).
    Die Fruchtfliege Drosophila sechellia auf der Noni-Frucht (Morinda citrifolia).
    Quelle: Benjamin Fabian
    Copyright: Benjamin Fabian


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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