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28.11.2025 11:10

Neue RNA-Klasse schafft Ordnung in der Zelle

Christian Könemann Stab und Strategie - Gesamtkommunikation
Karlsruher Institut für Technologie

    Innerhalb von Zellen bilden RNAs und Proteine biomolekulare Kondensate – winzige, flüssigkeitsähnliche Tröpfchen, die für die Organisation des Zelllebens unerlässlich sind. Manche RNAs lagern sich zu Clustern zusammen. Fehlfunktionen in diesem Prozess können Entwicklungsstörungen, Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen auslösen. Warum sich manche RNAs leichter als andere zusammenlagern, war bislang unklar. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun eine neue RNA-Klasse namens smOOPs identifiziert und damit ein besseres Verständnis entwickelt, wie biomolekulare Kondensate entstehen. Ergebnisse in der Fachzeitschrift Cell Genomics. (DOI: 10.1016/j.xgen.2025.101065)

    In menschlichen Zellen herrscht ein dynamisches Innenleben: Biologische Kondensate fungieren als organisatorische Knotenpunkte und steuern zahlreiche Funktionen – von der Genregulation bis hin zu Stressreaktionen. „Bei den Kondensaten handelt es sich um Ansammlungen, die durch Phasentrennung entstehen – ein Prozess, bei dem sich Moleküle von ihrer Umgebung abspalten, ähnlich wie sich Öl von Wasser trennt“, erklärt Professor Miha Modic vom Zoologischen Institut des KIT. „Innerhalb der Zellen führt dieser Prozess dazu, dass RNA und Proteine charakteristische membranlose Tröpfchen bilden.“

    In einer Studie, die in Zusammenarbeit mit Forschenden vom National Institute of Chemistry in Slowenien und dem Francis Crick Institute in London entstand, kombinierte ein Team rund um Modic experimentelle Analysen mit Deep Learning, um zu bestimmen, welche RNAs während der Kondensatbildung zur Clusterbildung neigen. Dabei identifizierten die Forschenden eine bisher unbekannte RNA-Klasse, die während der frühen Entwicklung aktiv ist: semi-extrahierbare und orthogonale organische phasentrennungsangereicherte RNAs – kurz smOOPs.


    Klebrige RNAs mit Einfluss auf die Zellorganisation

    „Während der frühen Entwicklung führt jeder Zellzustand zu einer eigenen Zusammensetzung kondensationsanfälliger RNAs. Diese RNAs bestimmen und stützen die Phasentrennungslandschaft der Zelle“, sagt Modic. „Wir haben entdeckt, dass smOOPs ungewöhnlich ‚klebrig‘ und in hohem Maß zelltypspezifisch auftreten. Sie kommen vor allem in der frühembryonalen Entwicklung vor: Sie widerstehen den üblichen RNA-Extraktionsmethoden und binden besonders stark an RNA-bindende Proteine.“

    Darüber hinaus beobachteten die Forschenden, dass sich smOOPs in sichtbaren Clustern innerhalb der Zellen ansammeln und stärker miteinander verbunden sind als erwartet. Das zeige, dass sie von Natur aus bevorzugt innerhalb der Zellen kondensieren. Mithilfe von Deep Learning identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsame Merkmale dieser neuen RNA-Klasse: lange Transkripte mit geringer Sequenzkomplexität, starker interner Faltung und charakteristischen Proteinbindungsmustern. Es stelle sich heraus, dass die von diesen RNAs kodierten Proteine ebenfalls dazu neigen, lange, flexible Segmente zu enthalten, welche die Kondensation zusätzlich fördern. „Dies deutet auf eine faszinierende Wechselwirkung zwischen RNA- und proteinbasierten Merkmalen bei der Phasentrennung hin“, so Modic. „Die Entdeckung von smOOPs erweitert unser Verständnis von kondensationsanfälligen RNAs. Außerdem zeigt sie, wie die Kombination von biochemischen Experimenten mit Maschinellem Lernen die verborgene Logik molekularer Netzwerke des Lebens aufdecken kann.“

    Neue Perspektiven für die Krankheitsforschung

    Das Verständnis dafür, wie Zellen ihre innere Ordnung sichern, ist entscheidend für ein grundlegendes Verständnis der Biologie. „Sowohl RNA als auch Proteine tragen zur Kondensatbildung bei. Diese Kopplung ist besonders relevant für die Entwicklung. Wenn dieser Mechanismus gestört ist, kann das Krankheiten verursachen“, erklärt Modic. „Durch die Identifizierung von smOOPs und ihrem RNA-RNA-Interaktionsnetzwerk verfügen wir nun über einen konzeptionellen und mechanistischen Deutungsrahmen, um pathogene Kondensate bei Krankheiten zu interpretieren.“ (ast)

    Originalpublikation
    Klobučar, T., Novljan, J., Iosub, I. A., Kokot, B., Urbančič, I., Jones, D. M., Chakrabarti, A. M., Luscombe, N. M., Ule, J., Modic, M.: Integrative profiling of condensation-prone RNAs during early development. Cell Genomics. DOI: 10.1016/j.xgen.2025.101065

    Weitere Informationen: modiclab.org

    Details zum KIT-Zentrum KITHealthTech: www.healthtech.kit.edu/


    Kontakt für diese Presseinformation:

    Dr. Martin Heidelberger, Pressereferent, Tel.: +49 721 608-41169, E-Mail: martin.heidelberger@kit.edu

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    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Martin Heidelberger, Pressereferent, Tel.: +49 721 608-41169, E-Mail: martin.heidelberger@kit.edu


    Originalpublikation:

    Klobučar, T., Novljan, J., Iosub, I. A., Kokot, B., Urbančič, I., Jones, D. M., Chakrabarti, A. M., Luscombe, N. M., Ule, J., Modic, M.: Integrative profiling of condensation-prone RNAs during early development. Cell Genomics. DOI: 10.1016/j.xgen.2025.101065


    Weitere Informationen:

    https://modiclab.org
    https://www.healthtech.kit.edu/
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/41265448/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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