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Gemeinsame Medieninformation – Bei bestimmten Blutkrebserkrankungen führen Entzündungsprozesse im Knochenmark zu lebensbedrohlichen Vernarbungen. Ein Team um die Onkologen Dominik Wolf von der Medizinischen Universität Innsbruck und Lino Teichmann vom Universitätsklinikum Bonn (UKBonn) hat nun einen möglichen neuen Therapieansatz gefunden. Das Fachjournal Nature Communications veröffentlichte die vielversprechende Studie.
Innsbruck, Bonn am 2.12.2025: Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind Blutkrebserkrankungen, die durch eine Überproduktion von Blutzellen gekennzeichnet ist. Diese Erkrankungen treten in der Regel ab einem Alter von 60+ Jahren auf und können über lange Zeit gut kontrolliert werden. Gefährlich werden MPN vor allem nach dem Übergang in eine Myelofibrose – eine lebensbedrohliche Vernarbung des Knochenmarks. Eine allogene Stammzelltransplantation bietet für die betroffenen Patient:innen bis heute die einzige Aussicht auf Heilung. „Wir brauchen dringend neue Therapiekonzepte. Eine Stammzell-Transplantation ist für viele Patient:innen aufgrund ihres hohen Alters oder wegen Begleiterkrankungen mit zu hohen Risiken verbunden“, erklärt Dominik Wolf, Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin V (Hämatologie und Onkologie) an der Medizinischen Universität Innsbruck, den Hintergrund einer soeben im Fachjournal Nature Communications hochrangig publizierten Forschungsarbeit, die er konzipiert und gemeinsam mit Lino Teichman und Miriam Körber vom UKBonn durchgeführt hat. „Wir zeigen in dieser Arbeit ein mögliches neues Therapiekonzept auf, das man klinisch weiterentwickeln sollte“, sagt Wolf, der gemeinsam mit Lino Teichmann als Letzt- und korrespondierender Autor firmiert. Den Wissenschafter:innen ist es gelungen, das NLRP3-Inflammason im Tiermodell zu hemmen und dadurch deutliche Verbesserungen des Krankheitsverlaufs zu erzielen: Die Knochenmarksvernarbung und die Milzvergrößerung bildeten sich zurück und das Blutbild verbesserte sich.
Konkret haben sich die Autor:innen mit den Mechanismen der Entzündungsreaktion bei MPN beschäftigt, da diese zu vielen klinischen Symptomen und letztlich auch zur Vernarbung des Knochenmarks führt. Das NLRP3-Inflammasom ist ein Sensor für Gefahrensignale, der Entzündungsprozesse im Körper steuert und dessen Bedeutung bereits eingehend bei chronischen Entzündungserkrankungen wie Atherosklerose, Gicht oder auch Diabetes Typ-2 studiert wurde. Bei MPN wird die Entzündung in den bösartigen, aber auch in den begleitenden, noch gesunden Blutzellen von einer genetischen Treibermutation ausgelöst, wobei hier die aktivierende Mutation JAK2V617F eine zentrale Rolle spielt.
„Wir haben uns erstmalig damit beschäftigt, welche funktionelle Rolle das NLRP3-Inflammasom für die Entzündungsreaktion bei myeloproliferativen Neoplasien hat“, sagt Erstautorin Ruth-Miriam Körber vom Universitätsklinikum Bonn. Dafür haben die Mediziner:innen in Zusammenarbeit mit der German Study Group of MPN (GSG-MPN) eine große Anzahl von Proben ausgewertet und die Entzündungsreaktionen kartiert, bevor sie anhand unterschiedlicher Techniken die Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms bei den Patient:innen und auch im MPN-Tiermodell nachweisen konnten.
„Wir haben eng mit Eicke Latz, dem Leiter des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums in Berlin, kooperiert, der uns verschiedenste Tools zur Verfügung gestellt hat. Damit konnten wir zeigen, dass diese Entzündungsfaktoren wirklich in Abhängigkeit von NLRP3 produziert werden. Besonders interessant war, dass wir das NLRP3 genetisch in Knockout-Mäusen und auch mithilfe eines neuartigen und spezifischen NLRP3-inhibierenden Medikaments hemmen konnten“, spricht Wolf einen möglichen Therapieansatz an. Dank IFM-2384, einer Substanz, die ebenfalls von Eicke Latz bereitgestellt wurde, konnte im Tiermodell eine deutliche Verbesserung erzielt werden. „Die Knochenmarksvernarbungen und auch die meistens sehr ausgeprägten Milzvergrößerungen gingen zurück. Wir konnten auch das Blutbild verbessern“, zählt Wolf auf.
In einer tiefergehenden Analyse sahen die Forscher:innen, dass vor allem die Überproduktion der Blutplättchen infolge der NLRP3-Blockade deutlich reduziert wurde. „Das NLRP3-Inflammasom spielt eine große Rolle als Gefahrensensor. Bei akutem Stress – wie z. B. einer Infektion – wird ein Rescue-Mechanismus in unserem Körper angeworfen, in dessen Folge sehr schnell sehr viele Blutplättchen erzeugt werden“, sagt Teichmann. Gemeinsam mit Wolf beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit der Regulation von Entzündungsprozessen bei hämatologischen Erkrankungen. „In diesem sehr komplexen Entzündungsgeschehen hat NLRP3 ganz offensichtlich große Bedeutung“, sagt Wolf.
Erst vor wenigen Tagen wurde den Innsbrucker Onkolog:innen um Dominik Wolf ein hochkarätiges HOPE-Projekt im Rahmen von EP PerMed zugesprochen. Im Verbund mit Kolleg:innen anderer Zentren in Österreich und Deutschland werden sie die hochauflösende Kartierung von myeloproliferativen Neoplasien vorantreiben und hierbei auch die NLRP3-abhängigen Entzündungsmechanismen noch detaillierter untersuchen.
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Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.500 Mitarbeiter:innen und ca. 3.800 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Seit dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden. Seit Herbst 2022 bieten die Medizinische Universität Innsbruck und die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck gemeinsam ein englischsprachiges Masterstudium „Pharmaceutical Sciences“ an, in dem die Studierenden eine fundierte Ausbildung im Bereich der Arzneimittelentwicklung erwerben können.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.
Zum Universitätsklinikum Bonn: Als eines der leistungsstärksten Universitätsklinika Deutschlands verbindet das UKB Höchstleistungen in Medizin und Forschung mit exzellenter Lehre. Jährlich werden am UKB über eine halbe Million Patienten ambulant und stationär versorgt. Hier studieren rund 3.500 Menschen Medizin und Zahnmedizin, zudem werden jährlich über 600 Personen in Gesundheitsberufen ausgebildet. Mit rund 9.900 Beschäftigten ist das UKB der drittgrößte Arbeitgeber in der Region Bonn/Rhein-Sieg. In der Focus-Klinikliste belegt das UKB Platz 1 unter den Universitätsklinika in NRW und weist unter den Universitätsklinika bundesweit den zweithöchsten Case-Mix-Index (Fallschweregrad) auf. 2024 konnte das UKB knapp 100 Mio. € an Drittmitteln für Forschung, Entwicklung und Lehre einwerben. Das F.A.Z.-Institut zeichnete das UKB im vierten Jahr in Folge als „Deutschlands Ausbildungs-Champion“ und „Deutschlands begehrtesten Arbeitgeber“ aus. Aktuelle Zahlen finden Sie im Geschäftsbericht unter: geschaeftsbericht.ukbonn.de
Das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO Bonn) ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn und des Johanniter- Krankenhauses Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute des UKB zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller onkologischen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund „Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf“ die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.
Univ.-Prof. Dr. Dominik Wolf
Universitätsklinik für Innere Medizin V
Tel1.: +43 50 504 23410
E-Mail: Dominik.Wolf@i-med.ac.at
Koerber, RM., Krollmann, C., Cieslak, K. et al. NLRP3-induced systemic inflammation controls the development of JAK2V617F mutant myeloproliferative neoplasms. Nat Commun 16, 10591 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-65673-4
https://experts.i-med.ac.at/experte/dominik-wolf/ (Zur Person: Dominik Wolf)
MPN sind durch eine Expansion des blutbildenden Systems im Knochenmark charakterisiert. Dies führt z ...
Quelle: Innere Medizin V
Copyright: MUI
Dominik Wolf ist Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin V an der Medizinischen Universität Inn ...
Quelle: Florian Lechner
Copyright: MUI
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