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Wie kann Kommunikation im Katastrophenfall funktionieren, wenn der Mobilfunk überlastet ist? Eine Antwort auf diese immer aktuellere Frage geben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT. Ein mobiles, selbstorganisierendes, auf Fraunhofer-Technologie basierendes Kommunikationsnetz verbindet die Einsatzkräfte untereinander, mit der Einsatzleitung und dem Internet. Private 5G-Netze ermöglichen eine schnelle Wiederherstellung der Kommunikation – und das ganz unabhängig von klassischen Infrastrukturen.
Im Katastrophenfall kommt es häufig zu massiven Netzausfällen. So war etwa bei der Ahrtalflut im Juli 2021 schnell das komplette Telefon- und Mobilfunknetz zusammengebrochen, da die Wasser- und Schlammmassen viele Vermittlungsstellen weggerissen hatten. Für solche Ernstfälle bieten Forschende des Fraunhofer FIT smarte Kommunikationslösungen für den Zivil- und Katastrophenschutz, um der Überlastung der öffentlichen Netze zu begegnen. Im Projekt 5G Opportunity entwickelten und erprobten sie mit den Projektpartnern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ein softwarebasiertes, drahtloses und ad-hoc-fähiges Kommunikationssystem für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) gefördert.
Das mobile, selbstorganisierende Kommunikationsnetz, das auf der Fraunhofer Wi-BACK-Technologie (Wireless Backhaul) basiert, ermöglicht es den Einsatzkräften, sich untereinander, mit der Einsatzleitung und dem Internet zu verbinden. Als Basis für das WiBACK-Kommunikationsnetz dienen 5G/Open RAN (Radio Access Network) und WiFi als Zugang für Smartphones sowie Multihop-Richtfunk als Zuführung (engl. Backhaul). »Ein WiBACK-Netz kann in kürzester Zeit errichtet und sofort konform der Regulatorien betrieben werden«, sagt Projektleiter Dr. Mathias Kretschmer, Wissenschaftler am Fraunhofer FIT in Sankt Augustin. »Die Hardware besteht aus autarken, portablen Komponenten. Es genügt, die Batterien anzuschließen, die Antennen auszurichten und schon ist das Netz startklar.«
Der Grundstein für die WiBACK-Technologie wurde bereits vor zehn Jahren gelegt, um ländliche Gebiete mit eingeschränkter oder fehlender Internetverbindung an die entfernte Netzwerkinfrastruktur anzubinden. Im Kern ist WiBACK eine selbstorganisierende autarke multi-hop Richtfunk-Technologie. Die kostengünstige drahtlose Backhaul-Lösung umfasst kleine, solarbetriebene, mit Systemboard, Antenne und Solarladeregler ausgerüstete Funkgeräte, die die Einsatzfahrzeuge miteinander verbinden und sich durch ihren geringen Energieverbrauch auszeichnen. Die portablen Funkknoten konfigurieren sich automatisiert, sodass keine IT-Spezialisten und Netzwerktechniker angefordert werden müssen – eine ideale Voraussetzung für den Einsatz in Katastrophengebieten, wo vor Ort die Mitarbeitenden von Hilfsorganisationen unter chaotischen Zuständen schnell ein alternatives Kommunikationsnetz etablieren müssen.
Mit eigenen 5G-Zellen überlastete öffentliche Netze umgehen
»Multihop-Richtfunk ist ein Verfahren zur Erweiterung der Reichweite von Richtfunkstrecken, bei dem mehrere Zwischenstationen (Hops) genutzt werden, um Daten zwischen weit entfernten Punkten zu auszutauschen. Jeder Hop bzw. Funkgerät empfängt das Signal und sendet es dann gebündelt an die nächste Station weiter, wodurch die Notwendigkeit einer direkten Sichtverbindung entfällt und größere Entfernungen überwunden werden können«, erläutert der Forscher. »Über eigene kleine 5G-Zellen sprechen wir die Smartphones an und über WiBACK bringen wir das Netz auf die Fahrzeuge.«
Metal Festival als Testumgebung
Auf dem Metal Festival Summer Breeze Open Air 2024 konnten die Projektpartner gemeinsam mit dem Malteser Hilfsdienst e.V. die innovative Kommunikationslösung bereits erfolgreich testen. Um einen Netzzugang auf dem Festivalgelände zu realisieren, wurde ein 5G-Campusnetz errichtet. Die Nutzung dieses Frequenzbandes kann beantragt werden, um ein eigenes privates 5G-Netz zu betreiben. Diese Frequenzen werden aktuell kaum genutzt und könnten den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) im Katastrophenfall zur Verfügung gestellt werden. Die Funk- bzw. Netzwerkknoten konnten auf dem Festival zuverlässig mit Solarpanels und Akkus betrieben werden, was das Potenzial für energieautarke Kommunikationsnetze in Krisengebieten unterstreicht.
Zukunft der Krisenkommunikation
Inzwischen wurde unter Koordination des Fraunhofer FIT bereits das Nachfolgeprojekt HiLeit unter Beteilung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, des Malteser Hilfsdiensts und der Deutsche Funktechnik UG (DeFuTech) gestartet. Die Bundesanstalt für den Digital-funk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) fördert das Vorhaben. HiLeit soll durch modulare Netzwerkknoten eine schnelle Bereitstellung und Anpassung der Kommunikation an die jeweilige Situation ermöglichen. Geplant ist, die WiBACK-Architektur um eine LEO-Satellitenschnittstelle (Low Earth Orbit) zu erweitern, damit diese als Internetanbindung verwendet werden kann. In HiLeit wollen die Projektpartner mehrere Technologien, darunter öffentliche Kommunikationsnetze, Glasfaser, LEO/IRIS2-Terminals, Feldkabel und WLAN-Richtfunk kombinieren, um ein flexibel einsetzbares, hochverfügbares Netz aufzubauen, das sich je nach Lage und Bedarf konfigurieren lässt. Kretschmer: »Dabei steht die intuitive Bedienbarkeit im Fokus, sodass Einsatzkräfte ohne tiefgehende technische Kenntnisse das System schnell in Betrieb nehmen können.«
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Auf dem Metal Festival Summer Breeze Open-Air 2024 konnte die WiBACK-Kommunikationslösung die Sanitä ...
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Elektrotechnik, Informationstechnik, Maschinenbau
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
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