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Wissenschaft
Die Welt droht, am textilen Abfall zu ersticken. 120 Mio. Tonnen Textilmüll fallen weltweit jährlich an, wovon bislang lediglich 1% recycelt wird. Zeit zum Handeln. Das hat auch die EU erkannt und sich entschieden, die Textil- und Beklei-dungsbranche grundlegend zu verändern. Die Zielsetzung: Bis zum Jahr 2030 soll die Branche ressourcenschonend und kreislauffähig produzieren. Zur Beschleunigung dieses Wandels werden in den nächsten Jahren europaweit zahlreiche neue Gesetze erlassen. Doch wie kann diese Transformation erfolgreich in die Tat umgesetzt werden? Genau dieser Frage geht das Forschungsprojekt RETRAKT nach.
Das Forschungsprojekt RETRAKT steht für „Resilientes Transformationsmanagement zur Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie“. Es untersucht, wie die Umstellung der Textilindustrie von einer linearen hin zu einer Kreislaufwirtschaft nachhaltig und widerstandsfähig gestaltet werden kann. Das Besondere: Es stellt dabei die Menschen und ihre zahlreichen neuen Aufgaben in den Mittelpunkt der Untersuchung. Denn der Wandel zu einer zirkulären Produktion ist nicht allein eine technische und wirtschaftliche Frage, sondern es sind immer die Menschen, die neue Prozesse umsetzen müssen – auch unter den aktuell sehr unsicheren Bedingungen.
Entwickelt wird ein Vorgehen, das die notwendigen Transformationsprozesse im Unternehmen praxisnah und -relevant abbildet und die Mitarbeitenden dabei mitnimmt. Hierfür werden unterschiedliche wissenschaftliche Methoden kombiniert, die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und die Arbeitsrealität der Unternehmen in die Untersuchungen mit einbezogen. Basis ist das Produkt-Compliance Management. Es analysiert die neuen Textil-Kreislaufgesetze systematisch und leitet daraus die Aufgaben für die Unternehmen ab, etwa im Design, Einkauf, der Produktion und im Datenmanagement bis hin zu Auswirkungen auf internationale Geschäftspartner und Zulieferbe-triebe.
Die Mitarbeitenden sind die Experten
Kombiniert wird dieses Vorgehen mit dem „Resilience Engineering“, einem Ansatz aus der Arbeitsforschung, der Mitarbeitende befähigt, sich neuen Situationen konstruktiv anzupassen – also „resilient“ und lösungsorientiert zu agieren. RETRAKT entwickelt dabei keine neuen Managementansätze, sondern setzt direkt auf Mitarbeitende als Experten und Expertinnen in den Unternehmen. Voraussetzung sind dabei vor allem Motivation, Engagement und Offenheit für Neues. „Viele Textil- und Bekleidungshersteller fühlen sich von den zahlreichen neuen Gesetzen überfordert und wissen nicht, wo sie be-ginnen sollen. Im Projekt RETRAKT entwickeln wir modellhaft eine Vorgehensweise zur Umgestaltung linearer zu zirkulären Prozessabläufen, die später auf weitere Unternehmen der Branche übertragen werden kann. Die Befähigung der verantwortlichen
Mitarbeitenden ist dabei die zentrale Aufgabe“ erläutert Prof. Thomas Mühlbradt, FOM Hochschule, das Vorgehen im Projekt.
Wissenschaft und Wirtschaft Hand in Hand
In das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geförderte Forschungsprojekt RETRAKT sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unter-schiedlichen Fachrichtungen ebenso eingebunden wie Betriebe und deren Mitarbeitende aus vielen betroffenen Abteilungen. Denn es geht den RETRAKT-Verantwortlichen um eine vielschichtige Abbildung dieses Transformationsprozesses, der nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten integriert und von der Sinnhaftigkeit ihres Tuns überzeugt sind. „RETRAKT bringt Menschen, Wissen und Technologien zusammen, um die Textilindustrie widerstandsfähiger und nachhaltiger zu machen. Wir sind überzeugt, dass dieser gemeinsame Weg in die Kreislaufwirtschaft nur durch innovative Zusammenarbeit gelingt“, bringt David Bergstein, Geschäftsführer von i2solutions, dem Digitalpartner von RETRAKT, sein Engagement für das Projekt auf den Punkt.
Folgende Wissenschafts- und Praxisrichtungen sind an RETRAKT beteiligt:
1. Arbeitsforschung
Aus Sicht der Arbeitsforschung geht es darum, Unternehmensprozesse, Abläufe und Aufgaben gemeinsam mit den Mitarbeitenden nach den Prinzipien des Resilience Engineering resilient zu gestalten. Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft führt in der Textilindustrie zu einer deutlichen Zunahme von Komplexität und Unsicherheit. Daher müssen Prozesse künftig so gestaltet werden, dass sie wandlungsfähig und robust sind. In einem ganzheitlichen Ansatz sollen die Resilienz-Potenziale der Prozesse und Teams – also ihre Fähigkeiten, zu antizipieren, zu überwachen, zu reagieren und zu lernen – gezielt aufgebaut und weiterentwickelt werden.
2. Compliance Management
Zahlreiche neue Gesetze im Rahmen des von der EU auf den Weg gebrachten Transformationsprozesses zur Kreislaufwirtschaft bis 2030 stellen die Textilindustrie und ihre Mitarbeitenden vor große Herausforderungen. Im Compliance Management werden die neuen Gesetze, wie die EU-Ökodesign-Verordnung für Textilien und Bekleidung, analysiert und die neuen Aufgaben, die sich für die Unternehmen und die Mitarbeitenden ergeben, abgeleitet. Zahlreiche bislang freiwillige Aktivitäten werden in Zukunft gesetzlich bindend werden. Das „Compliance Management für kreislauffähige Textil-Produkte“ bildet den Rahmen für die arbeitswissenschaftliche Forschung.
3. Innovations-Transferforschung
Wie finden zirkuläre Innovationen ihren Weg in die Textil- und Bekleidungsbranche? Die an RETRAKT beteiligten Soziologen entwickeln Brücken zwischen Wissenschaft und Praxis. Transformation kann nur im Zusammenspiel der vielen beteiligten Akteure gelingen. Die Transferforschung untersucht, wie Wissen und Innovationen zur Kreislaufwirtschaft erfolgreich in der Textil- und Bekleidungsbranche entwickelt und verbreitet werden können. Betrachtungsgegenstand ist neben dem globalen Fokus auch der grenzüberschreitende, regionale Wandel zur Kreislaufwirtschaft in der Euregio Maas-Rhein (Grenzregion: Deutschland / Niederlande / Belgien). „Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft ist ein komplexer, soziotechnischer Prozess. Dank der soziologischen Per-spektive in RETRAKT gelingt es, diese Dynamiken besser zu verstehen, praxisnah einzuordnen und innovative Empfehlungen – auch für andere Branchen – abzuleiten“, erklärt Marcel Völkoi, Soziologe am HumTec der RWTH Aachen University, Anspruch und Zielsetzung der Innovations-Transferforschung.
4. Praxispartner aus der Textil- und Bekleidungsbranche
Hierbei geht es um die praktische Umsetzung der erarbeiteten Methoden sowie um die Implementierung neuer Aufgaben und Prozesse. In Kooperation mit den Projektpartnern aus der Textil- und Bekleidungsbranche werden Workshops für unterschiedliche Mitar-beitenden-Gruppen zur Umstellung auf eine kreislaufwirtschaftliche Organisations- und Produktionsweise entwickelt, um die Menschen, die in den Betrieben arbeiten, bei diesem Transformationsprozess mitzunehmen und aktiv einzubinden.
5. IT – Digitale Kooperationsplattform
Im Zentrum steht bei diesem Arbeitsschwerpunkt die Erstellung einer Digitalen Kooperationsplattform, über die in Zukunft auch der Digitale Produktpass für Textil und Bekleidung abgebildet werden soll. Mit der Digitalen Kooperationsplattform soll die Kooperation in internationalen Wertschöpfungsketten der Textil- und Bekleidungsbranche gestaltet werden. „RETRAKT sieht sich auch als Mitgestalter in einer dynamischen, sich stetig verändernden europäischen Arbeitswelt. Die Transformation zu einer europäischen Kreislaufwirtschaft bietet die Chance für hochwertige neue Arbeitsplätze in der Textil- und Bekleidungsbranche, diese gilt es in den nächsten Jahren aktiv weiterzuentwickeln. Hierzu möchten wir unseren Beitrag leisten“, fasst Nicole Espey, ITA, Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, die größere Zielsetzung des Projektes zusammen.
Perspektivisch sollen sich die Erfahrungen und Erkenntnisse des Projekts RETRAKT jedoch nicht auf den textilen Bereich beschränken. Vielmehr steht der Gedanke dahinter, das Wissen zur Entwicklung zirkulärer Wertschöpfungsketten im europäischen Kontext auch auf Industrien außerhalb des Textilsektors zu erweitern und zu übertragen. Folgende Zahlen versinnbildlichen das große Potenzial und die Komplexität der Herausfor-derungen angesichts der Transformation zur textilen Kreislaufwirtschaft:
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120 Mio. Tonnen Textilabfall weltweit pro Jahr
12,6 Mio. Tonnen davon in der EU
1 % der Textilien werden zu neuer Kleidung recycelt
355 kg CO₂-Emissionen pro Jahr / Person in Europa durch den Textilkonsum
2.700 Liter Wasserverbrauch zur Produktion eines Baumwoll-T-Shirts
676 Mio. Tonnen Verbrauch an Primärrohstoffen jährlich für den Textilkonsum der EU
160.000 Unternehmen sind in der Textilbranche in Europa tätig
1,5 Millionen Beschäftigte arbeiten in der europäischen Textilindustrie
Einladung: RETRAKT Conference – Join the Circle
25. Februar 2026 in Aachen
RETRAKT möchte nicht nur als Forschungsprojekt neue Wege gehen und Transformationsprozesse gestalten, sondern auch eine Lern- und Netzwerkplattform bieten. Der Austausch in der Textil- und Bekleidungsbranche ist angesichts der zahlreichen und um-fangreichen Aufgaben im Übergang zur textilen Kreislaufwirtschaft essentiell – nur gemeinsam und aktiv gelingt der Wandel.
Daher möchten wir am 25. Feb. 2026 in Aachen bei der Konferenz „RETRAKT – Join the Circle“ alle Akteure der textilen Kreislaufwirtschaft an einem Ort zusammenbringen, aktuelle Entwicklungen präsentieren und Lösungen diskutieren.
Merken Sie sich den Termin vor und melden Sie sich direkt bis zum 18. Dezember 2025 kostenfrei an unter: https://retrakt.de/2025/10/28/retrakt-conference-2026/
Die sechs Projektpartner
FOM Hochschule
Mit rund 45.000 Studierenden ist die FOM eine der größten Hochschulen Europas. Sie ist eine Initiative der gemeinnützigen Stiftung für internationale Bildung und Wissenschaft mit Sitz in Essen. Die FOM bietet Abiturienten, Berufstätigen und internationalen Studierenden die Möglichkeit, berufsbegleitend, dual oder in Vollzeit zu studieren. Das Angebot umfasst über 60 praxisorientierte Studiengänge aus den Hochschulbereichen Wirtschaft & Management, Wirtschaft & Psychologie, Wirtschaft & Recht, Gesundheit & Soziales, IT Management sowie Ingenieurwesen. Alle Bachelor- und Master-Abschlüsse der FOM sind sowohl staatlich als auch international anerkannt. Studiert wird an der FOM entweder im „Campus-Studium+“ an über 30 Hochschulzentren oder online im digitalen Live-Studium in virtueller Präsenz – live gestreamt aus den FOM Studios. Als Hochschule der Wirtschaft ist die FOM der anwendungsorientierten Forschung verpflichtet. Die FOM leitet das Verbundforschungsprojekt RETRAKT und verantwortet das Teilprojekt „Entwicklung eines Transformationskonzepts für kreislaufgerechte Wertschöpfung in der Textilbranche“.
Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University
Das Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University ist die universitäre Forschungs- und Lehreinrichtung im Fachbereich Maschinenbau und vertritt die textilbezogenen Lehrinhalte der Studienrichtung Kunststoff- und Textiltechnik in verschiedenen Bachelor- und Masterstudiengängen des Maschinenbaus. Die ITA Group versteht sich als international agierender Forschungs- und Ausbildungsdienstleister für faserbasierte Hochleistungswerkstoffe, textile Halbzeuge und deren Fertigungsverfahren. Ein wichtiges Zukunftsthema ist die ganzheitliche Biotransformation der Textiltechnik. Das ITA wird im Rahmen von RETRAKT ein „Compliance Management-Konzept“ für die Umsetzung der Textil-Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) in die Unternehmenspraxis entwickeln.
CCE und HumTec der RWTH Aachen University
Das Center for Circular Economy (CCE) an der RWTH Aachen bündelt die Expertise aller Fakultäten und von 35 Instituten der RWTH Aachen zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft: Es vernetzt die Mitgliedsinstitute mit relevanten Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Gesellschaft, um gemeinsam Lösungsansätze einer Circular Economy zu erforschen und in die praktische Anwendung umzusetzen.
Das Human Technology Center (HumTec) der RWTH Aachen University ist Partner des CCE und versteht sich als Plattform, um Natur-, Technik- und Lebenswissenschaften sowie Geistes-, Gesellschafts- und Raumwissenschaften trans- und interdisziplinär zu integrieren. Es geht darum, im Rahmen konvergenter Forschung gemeinsam komplexe gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das HumTec reflektiert die soziotechnischen Herausforderungen der Gegenwart in ihrer Gesamtheit und begleitet die Dynamik moderner Wandlungsprozesse. Zusammen mit dem HumTec der RWTH Aachen verantwortet das CCE das Teilprojekt zum „Innovationstransfer für die Kreislaufwirtschaft auf lokaler und globaler Ebene“.
i2solutions GmbH
Die i2solutions GmbH bietet als IT-Servicepartner maßgeschneiderte Lösungen zu Informations- und Steuerungssystemen für zahlreiche industrielle Anwendungen. Mit ca. 40 Mitarbeitenden erstellt das Unternehmen umfassende Dienstleistungen im Projektgeschäft für die Industrie 4.0. Ein starker Fokus liegt auf den Sicherheitsaspekten in-dustrieller Netzwerke, kombiniert mit tiefgehender Erfahrung in der Softwareentwicklung. Die i2solutions GmbH verantwortet ein Teilprojekt zur Entwicklung einer digitalen Kollaborationsplattform für die Wissensarbeit in der Textilindustrie.
ORTOVOX SPORTARTIKEL GmbH
ORTOVOX ist ein auf Bergsport spezialisierter deutscher Sportartikelhersteller. Das Unternehmen produziert Lawinenverschütteten-Suchgeräte, Rucksäcke sowie funktionale Outdoor- und Bergsport-Bekleidung. Dabei setzt das Unternehmen einen Schwerpunkt auf den Einsatz von Wolle. ORTOVOX verfügt idealtypisch für die Textil- und Bekleidungsindustrie über mehrere weltweite Zulieferstandorte sowie über Produktlinien, die teilweise oder auch vollständig in Europa hergestellt werden. Für ORTOVOX und seine Zulieferer werden in Zukunft die neuen Bestimmungen der EU zur Herstellung recyc-lingfähiger Produkte (EU-Ökodesignverordnung) von Bedeutung sein und daher im Rahmen des Projekts RETRAKT exemplarisch betrachtet und modellhaft, in Kooperation mit internationalen Partnern umgesetzt.
Thorey Gera Textilveredelung GmbH
Thorey ist ein textiler Lohnveredler, bei dem textile Flächengebilde aller Art in höchster Qualität nach Kundenvorgabe nasschemisch veredelt und funktionalisiert werden. Das Unternehmen befasst sich seit vielen Jahren mit dem Aufbringen von funktionellen, auch haftvermittelnden Schichten auf Textilien. Mittels eigenem Entwicklungs- und Prüflabor werden die vom Kunden gewünschten Eigenschaften erzielt und weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten angeboten. Thorey muss sich als „vertikaler“ Materialzulieferer an neuen gesetzlichen Anforderungen sowie an den Vorgaben seiner Kunden, den Textil- und Bekleidungsherstellern, orientieren. Diese „vertikale“ Situation von Thorey ist exemplarisch für die Situation zahlreicher Unternehmen in der Gesamtbranche.
Pressekontakt
Nicole Espey, M.A.
RETRAKT – Projektleitung
ITA – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University
Otto-Blumenthal-Str. 1
52074 Aachen
Tel.: +49 241 80-23418 Mobil: +49 176 268 180 64
Nicole.Espey@ita.rwth-aachen.de
https://www.retrakt.de
Nicole Espey, nicole.espey@ita.rwth-aachen.de
https://www.ita.rwth-aachen.de/go/id/bqzflj#aaaaaaaaabqzfpp
RETRAKT-Visual_Hand mit Garn umgeben
Copyright: unsplash.de, feey.jpg
RETRAKT_Textilienstapel auf Hocker
Copyright: unsplash.com, Svitlana.jpg
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Informationstechnik, Maschinenbau, Psychologie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch

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