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Deutschland plant Wasserstoff als zentralen Baustein der künftigen Energieversorgung. Leitungsnetze bilden das Rückgrat dieser Strategie. Sie müssen große Mengen sicher transportieren. Im Leitprojekt TransHyDE haben Forschungseinrichtungen, Netzbetreiber und Unternehmen untersucht, wie ein künftiges Wasserstoffnetz in Deutschland und Europa ausgestaltet sein kann. Jetzt wurde die Abschlussstudie des vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten Projekts veröffentlicht. Der Beitrag von Fraunhofer SCAI an der Studie lag in der physikalischen Simulation des geplanten Wasserstoffleitungsnetzes. Dabei kam die bei SCAI entwickelte Software MYNTS zum Einsatz.
Im Kapitel »Wasserstoff-Infrastruktur«, an dem Dr. Mehrnaz Anvari, Prof. Dr. Tanja Clees und Dr. Bernhard Klaaßen von Fraunhofer SCAI mitgeschrieben haben, liefert die Studie belastbare Aussagen zu Strömungsdaten, Druckverhältnissen, Netzkapazitäten und Engpassstellen für das deutsche und europäische Wasserstoffnetz in den Jahren 2030 bis 2045.
Grundlage der Untersuchung ist eine Kombination aus mehreren Datensätzen: Für die Infrastruktur wurden bestehende Erdgasleitungen, geplante Neubauten, Daten der Netzbetreiber und des zukünftigen deutschen Wasserstoffkernnetzes herangezogen. Die Nachfrage- und Erzeugungsdaten stammen aus technoökonomischen Modellierungen der TransHyDE-Partner. Berücksichtigt wurden auch Marktanalysen, verfügbare Elektrolysekapazitäten und europäische Energieimportpfade.
Kernnetz im Härtetest
Als Ausgangsbasis der Studie dient das deutsche Wasserstoffkernnetz mit gut 9.000 Kilometern Wasserstoffleitungen. Etwa die Hälfte besteht aus umgewidmeten Erdgasrohren. Dieses Netz soll bis 2032 alle Bundesländer verbinden. Fraunhofer SCAI überführte diese Struktur in ein detailliertes physikalisches Modell, um die Leistungsfähigkeit in mehreren Ausbaustufen zu prüfen. Die Simulationen betrachten unter anderem ein Szenario mit hoher Nachfrage der Stahl- und Chemieindustrie sowie von Wasserstoffkraftwerken. In der modellierten Spitzenstunde liegt der Bedarf im Jahr 2030 bei 26 Gigawatt. Auch während einer Dunkelflaute mit hoher Nachfrage und niedriger Einspeisung zeigen die Berechnungen stabile Drücke und Strömungen. Das Kernnetz transportiert diese Last. Dann erhöhte man die Entnahme schrittweise. Es zeigt sich, dass die Leitungen bis etwa 110 Gigawatt den benötigten Wasserstoff liefern können, wenn alle Verdichter auf Volllast laufen. Für die 2030er-Jahre wirkt das System robust.
Für das Jahr 2045 ergibt sich ein anderes Bild. In diesem Szenario steigen die Entnahmelasten auf bis zu 171 Gigawatt. Vor allem im Nordwesten könnten Drücke und Strömungsgeschwindigkeiten über zulässige Grenzen hinausgehen. Hier müssten – unter Annahme eines sehr hohen Energiebedarfs – zusätzliche Rohre, Paralleltrassen oder größere Durchmesser Abhilfe schaffen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass man nicht alle technischen Parameter für diese zukünftige Technologie kennt. Ein Beispiel dafür sind die Verdichter für Wasserstoff, die sich noch in der Entwicklung befinden. Insofern können die Resultate nicht das komplette Bild zeigen.
Europäisches Netz, regionale Chancen und Risiken
Die Fachleute analysierten zusätzlich zum deutschen Netz auch das europäische Netz der Erdgasleitungen. Sie legten Angebot und Nachfrage für Wasserstoff auf dieses Raster. Ein Algorithmus entwarf darauf aufbauend Netze für die Jahre 2030, 2040 und 2050.
Fraunhofer SCAI prüfte diese Entwürfe mit MYNTS. Demnach könnte bis zum Jahr 2030 ein H2-Netz im Nordwesten mit Teilen Deutschlands, der Niederlande und Belgiens entstehen. Zehn Jahre später, 2040, könnte das Netz auf rund 38.000 Kilometern Leitungen wachsen, fast komplett aus umgenutzten Gasrohren. Wiederum zehn Jahre später, 2050, könnte das Leitungssystem auf gut 50.000 Kilometer ausgebaut werden. Die Modelle zeigen, dass Europa große Mengen an Wasserstoff über vorhandene Achsen leiten könnte, wenn Betreiber rechtzeitig umrüsten.
In der Studie ist auch eine Analyse der Modellregionen Ostwestfalen-Lippe und des südlichen Oberrheins enthalten. Das Ergebnis: In Ostwestfalen-Lippe stärkt das Kernnetz die lokale Elektrolyse aufgrund guter Einspeisemöglichkeiten aus erneuerbaren Energiequellen und günstiger Lage der Netze, sodass die Region zu einem Nettoexporteur werden kann. Am südlichen Oberrhein ergibt sich hingegen, dass große Elektrolyseure in späteren Ausbaustufen gegenüber Importen über das überregionale Leitungsnetz an Wirtschaftlichkeit verlieren könnten.
Die Software MYNTS ermöglicht solche lokalen Bedarfsanalysen bei entsprechenden Bedarfsabschätzungen der lokalen Wirtschaft. Dies zeigt auch eine im August veröffentlichte Studie von Fraunhofer SCAI in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer Bonn-Rhein-Sieg. Dort diente MYNTS zu einer Chancen- und Risikoanalyse für den Anschluss der energieintensiven Industrie in der Region an das Wasserstoffkernnetz.
Dr. Bernhard Klaaßen / Prof. Dr. Tanja Clees
Geschäftsfeld Network Evaluation Technologies
Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI
Schloss Birlinghoven 1, 53757 Sankt Augustin
Telefon +49 2241 14-4070 / -4074
E-Mail: bernhard.klaassen@scai-extern.fraunhofer.de / tanja.clees@scai.fraunhofer.de
www.scai.fraunhofer.de/net
https://www.scai.fraunhofer.de/mynts Weitere Informationen zur SCAI-Software MYNTS
https://www.wasserstoff-leitprojekte.de/lw_resource/datapool/systemfiles/element... Abschlussstudie des Projekts TransHyDE
Simulationen mit der SCAI-Software MYNTS: 2030 zeigt das Wasserstoffkernnetz bei 26 GW Entnahme stab ...
Copyright: Fraunhofer SCAI
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Energie, Informationstechnik, Mathematik, Physik / Astronomie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

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