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08.12.2025 12:05

Leistungsorientierte Bezahlung: Anreiz und Gefahr

Dr. Simon Thijs Kommunikation & Marketing
Universität Trier

    Leistung muss sich lohnen – entsprechende Vergütungsmodelle scheinen daher sinnvoll. Doch Trierer Studien zeigen, dass Gesundheit und Sozialleben leiden.

    Leistungsorientierte Entlohnung wird immer populärer. Das Gehalt kann durch Boni, Prämien und Provisionen signifikant steigen. Der Arbeitgeber bekommt höhere Produktivität von seinen Angestellten. Was nach einer Win-Win-Situation klingt, hat jedoch nicht nur positive Folgen. Das zeigen Untersuchungen von Prof. Dr. Uwe Jirjahn und Dr. Mehrzad Baktash aus der Arbeitsmarktökonomik der Universität Trier und Prof. Dr. John S. Heywood von der University of Wisconsin-Milwaukee.

    Die Forschenden werteten Daten des deutschen sozio-ökonomischen Panels von 2004 bis 2016 aus. In dieser Wiederholungsbefragung geben seit 1984 bis zu 30.000 Menschen unter anderem Auskunft zu Arbeit, Einkommen, Wohnsituation, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit.

    Stress, Einsamkeit und Alkoholkonsum
    Demnach führt Leistungsentlohnung zu höherem Stress, wahrscheinlich weil länger gearbeitet wird, mehr Konkurrenz und Leistungsdruck herrschen. Besonders bei risikoscheuen Menschen trägt die Ungewissheit über das Einkommen zu einem signifikant höheren Stresslevel bei.

    Die gleichen Aspekte führen zu mehr Einsamkeit z. B. wegen daraus resultierender Konflikte mit Lebenspartnern oder Mitarbeitenden. So sei der Zuwachs an Einsamkeit bei Menschen, die auf diese Weise bezahlt werden, vergleichbar damit, als ob man 10 enge Freunde weniger hätte.

    Ebenso fördert leistungsorientierte Bezahlung den Alkoholkonsum, was wiederum auf den höheren Stressfaktor oder auch Einsamkeit zurückgeführt werden kann. Menschen, die leistungsbasierten Lohn bekommen, trinken häufiger und nehmen mehr verschiedene Alkoholsorten zu sich. Bei Frauen ist der Effekt etwas stärker als bei Männern. „Eine Erklärung dafür ist, dass Frauen neben der Arbeit deutlich häufiger familiäre Aufgaben übernehmen und dementsprechend noch mehr Stress spüren“, erläutert Uwe Jirjahn, einer der Studienautoren.

    Geschlechter-Unterschiede signifikant
    Überhaupt gibt es geschlechterspezifisch einige Unterschiede in den Auswirkungen von Leistungsvergütung. Sie steht beispielsweise in Zusammenhang mit höheren Scheidungsraten. Dies trifft allerdings nur auf Paare zu, bei denen die Frau leistungsbezogen entlohnt wird.

    „Dafür gibt es vor allem zwei mögliche Ursachen: Es könnte einerseits daran liegen, dass Frauen, die leistungsbezogen bezahlt werden, finanziell selbständiger sind und so eher eine unpassende Partnerschaft beenden.“, führt Mehrzad Baktash aus. „Andererseits fordern höhere Einkünfte bei Frauen die immer noch mehrheitlich verbreiteten Gender-Normen in Beziehungen heraus, was ebenfalls häufiger zu Trennungen führt.“

    Eine positive Auswirkung leistungsabhängiger Vergütung sehen die Trierer Arbeitsmarktökonomen allerdings. Sie reduziert das sogenannte „Gender Time Gap“. Dieses beschreibt das Phänomen, das Frauen im Schnitt weniger wöchentliche Arbeitsstunden haben, weil sie z. B. zusätzlich mit Care-Arbeit belastet und daher häufiger in Teilzeit sind. Werden Frauen nun leistungsorientiert bezahlt, steigt ihre Arbeitszeit im Schnitt um 3 bis 4 Prozent. Bis zu 7 Prozent sind es, wenn Kinder im Haushalt sind, wobei der Effekt auf über 14 Prozent steigt, je jünger die Kinder sind.

    Bei Männern steigt die Wochenarbeitszeit nur um etwa 1 Prozent bei Leistungsvergütung, unabhängig von Anzahl und Alter der Kinder. Das entspricht einer Angleichung der geschlechterspezifischen Arbeitszeit von 1,5 bis 2 Stunden pro Woche, die Frauen dann auch weniger im Haushalt arbeiten. Weitere Untersuchungen könnten Aufschluss darüber geben, in welchen Haushaltsbereichen genau diese Zeit gekürzt wird.

    „Angesichts der negativen Aspekte Stress und Alkoholkonsum, die ebenfalls verstärkt Frauen betreffen, würden wir dennoch nicht empfehlen, für mehr Gleichberechtigung auf leistungsbezogene Vergütungsmodelle zu setzen“, so Uwe Jirjahn. „Familienfreundliche Firmenpolitik und Maßnahmen, die Männer zu mehr Care-Arbeit anregen, sind hier wahrscheinlich angemessener.“

    Die Studien:
    • Does Performance Pay Increase the Risk of Worker Loneliness? https://doi.org/10.1111/kykl.70018
    • Performance pay and alcohol use in Germany https://doi.org/10.1111/irel.12301
    • Worker stress and performance pay: German survey evidence https://doi.org/10.1016/j.jebo.2022.07.003
    • Does performance pay increase the risk of marital instability? https://doi.org/10.1007/s11150-024-09738-1
    • Variable pay and work hours: does performance pay reduce the gender time gap? https://doi.org/10.1111/ecca.70004


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Mehrzad B. Baktash
    VWL - Arbeitsmarktökonomik
    Mail: baktash@uni-trier.de
    Tel. +49 651 201-2664

    Prof. Dr. Uwe Jirjahn
    VWL - Arbeitsmarktökonomik
    Mail: jirjahn@uni-trier.de
    Tel. +49 651 201-2608


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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