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Wissenschaft
Dresdner Forschungsteam entwickelt modulares „LEGO-ähnliches” Modell , das den Grundstein legt für eine neue Ära in der Erforschung der Leber.
Auf den Punkt gebracht:
Multizelluäres 3D-Modell der menschlichen Leber: Erstmals haben Forschende ein dreidimensionales Organoidmodell aus Lebergewebe von Patientinnen und Patienten entwickelt. Das Modell besteht aus drei Leberzelltypen, die aus adulten Hepatozyten, Cholangiozyten und mesenchymalen Leberzellen gewonnen wurden.
Erhaltung von Struktur und Funktion: Die neuen komplexen Organoid-Modelle, oder „Assembloide“, rekonstruieren wesentliche strukturelle und funktionelle Merkmale der menschlichen periportalen Leberregion und besitzen patientenspezifische Eigenschaften. Dabei werden wichtige Funktionen der menschlichen Leber in einer Petrischale nachgebildet, die zum Beispiel die Entgiftung und der Stoffwechsel von Medikamenten ermöglichen.
Untersuchung von Lebererkrankungen: Durch Manipulation kann dieses Modell der menschlichen periportalen Leber Merkmale der gallenwegsbedingten Fibrose nachahmen und es ermöglichen Lebererkrankungen bei Menschen besser zu erforschen, die Entwicklung neuer Medikamente zu beschleunigen, eine frühe Diagnose zu ermöglichen und die personalisierte Medizin voranzutreiben.
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Lebererkrankungen sind weltweit ein großes gesundheitliches Problem, an dem jährlich über zwei Millionen Menschen sterben. Tiermodelle haben zum Verständnis von Leberfunktion und Krankheitsverläufen beigetragen, lassen sich jedoch oft nicht genau auf die menschliche Biologie übertragen. Bisherige, aus Gewebe gewonnene Modelle der menschlichen Leber, bestehen nur aus einem Zelltyp. Sie können die komplexe Zellzusammensetzung und Gewebearchitektur der Leber und vielschichtige Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Zelltypen in der Leber nicht nachbilden. Komplexe dreidimensionale Organoidmodelle mit mehreren Zelltypen, mit denen die zellulären Interaktionen im Leberportal des Menschen nachgebildet werden können, gab es für das Lebergewebe erwachsener Menschen bislang nicht. Dadurch sind die Möglichkeiten zur Erforschung von Lebererkrankungen und zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden eingeschränkt.
Bisherige Lebermodelle
Die Forschungsgruppe von Meritxell Huch, Direktorin am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden, befasste sich bereits in einer früheren Studie im Jahr 2021 mit diesem Thema (Dynamic cell contacts between periportal mesenchyme and ductal epithelium act as a rheostat for liver cell proliferation, Cordero-Espinoza, Lucía et al., Cell Stem Cell, Volume 28, Issue 11). In dieser Studie entwickelten die Forscher ein Leberorganoid, bestehend aus zwei Zelltypen, Cholangiozyten und Mesenchymzellen. Allerdings fehlten noch andere wichtige Zelltypen – vor allem Hepatozyten, die Zellen, die den größten Teil der Lebersubstanz ausmachen. Dieses Jahr gelang es der Forschungsgruppe von Meritxell Huch bereits, ein Organoidmodell einer neuen Generation zu entwickeln, das aus drei Leberzelltypen der Maus – adulten Hepatozyten, Cholangiozyten und mesenchymalen Leberzellen – besteht, und damit die periportale Region der Mausleber rekonstruiert (Mouse periportal liver assembloids recapitulate mesoscale hepatic architecture and biliary fibrosis, 29th May 2025, Nature).
Entwicklung eines mehrzelligen menschlichen Lebermodells
In der aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, haben Forschende aus der Gruppe von Meritxell Huch zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Gruppe von Andrej Shevchenko am MPI-CBG, aus der Gruppe von Daniel Stange am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus (UKD) Dresden und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) sowie aus den Gruppen von Daniel Seehofer und Georg Damm an der Klinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Leipzig ein patientenspezifisches menschliches periportales Leber-Assembloid entwickelt. Die Zellen organisieren sich nach ihrer Zusammensetzung selbst zu dreidimensionalen Strukturen, die in vitro (außerhalb des Körpers) die zellulären Anordnungen und Interaktionen wie im Gewebe in vivo (im lebenden Körper) nachbilden.
Die Entwicklung des Lebermodells war echte Teamarbeit. Beteiligt waren nicht nur die Forschenden aus dem Huch-Labor und Klinken aus Leipzig und Dresden, sondern auch Bioinformatikerinnen und Bioinformatiker, sowie technische Assistentinnen und Assistenten aus verschiedenen Labors. Einer der vier Hauptautorinnen und -autoren, Yohan Kim, ehemaliger Postdoktorand in der Huch-Gruppe und jetzt Assistenzprofessor an der Sungkyunkwan-Universität in Suwon, Südkorea, sagt: „Als wir das Gewebe von den Patientinnen und Patienten erhielten, mussten wir zunächst die einzelnen Zelltypen trennen und sie in einer Petrischale vermehren, bevor wir sie wieder zusammenfügen konnten. Ich habe die Kulturbedingungen für das Wachstum der Zellen vor ihrer Zusammenfügung untersucht, bevor ich meine neue Stelle an der Sungkyunkwan-Universität antrat.“ Das Gewebe der Patienten wurde vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus (UKD) in Dresden und der Klinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universitätsklinikum Leipzig zur Verfügung gestellt. Mit Unterstützung des technischen Forschungsassistenten Robert Arnes-Benito wurden die Kulturbedingungen weiter optimiert, bis die endgültigen Kulturbedingungen für die Vermehrung menschlicher Hepatozyten gefunden waren.
Sagarika Dawka, Doktorandin und ebenfalls Hauptautorin der Studie, setzte die Arbeit von Yohan fort, indem sie Bedingungen fand, unter denen die Hepatozyten außerhalb des Körpers in der Petrischale ausreifen konnten. Sie sagt: „Ich habe das Lebermodell so weiterentwickelt, dass es Gallengänge enthielt, ähnlich der Gallengänge über die im periportalen Bereich der Leber die Galle abfließt. Wenn dieses Gallenabflusssystem gestört ist, kommt es zu Leberschäden und Erkrankungen. Deshalb war es so wichtig, dass unsere Lebermodelle Gallengänge enthielten. Unsere Studie präsentiert das erste komplexe menschliche Lebermodell außerhalb des Körpers, das Gallengänge aufweist.“
Lei Yuan, Postdoktorand und einer der Hauptautoren, arbeitete anschließend daran, die Zellen miteinander zu kombinieren, um die periportalen Assembloide herzustellen. Zunächst markierte er die verschiedenen Zellen (mesenchymale Leberzellen und Cholangiozyten), um sie nach der Kombination identifizieren zu können. Dann fand er die richtigen Bedingungen, um ihre Selbstorganisation zu initiieren. „Darüber hinaus habe ich das Protokoll für die periportalen Assembloide optimiert, von der Assemblierungsmethode bis hin zu den Medien, in denen die Zellen wachsen. Das richtige Medium ist für das Wachstum und die Differenzierung der Zellen von entscheidender Bedeutung“, sagt Lei.
Eine weitere Hauptautorin der Studie und Postdoktorandin, Anke Liebert, befasste sich hauptsächlich mit der molekularen und funktionellen Charakterisierung der Organoidmodelle. „Ich habe getestet, wie ähnlich unsere Organoide den Zellen des Patientengewebes sind und wie gut unsere Lebermodelle im Vergleich zu normalen menschlichen Leberzellen funktionieren. Mit Hilfe des Bioinformatikers Fabian Rost habe ich auch untersucht, ob die Modelle die Genexpression des lebenden Gewebes korrekt erfassen.“
Mit ihren vorliegenden Lebermodellen erstellte die Gruppe eine Biobank mit Hepatozyten-Organoiden von 28 Patienten, die eingefroren und bei Bedarf wieder aufgetaut werden können, um die Kulturen zu reaktivieren.
Personalisierte Medizin und Medikamentenentwicklung
Das neue menschliche Lebermodell verfügt über patientenspezifische Merkmale und behält wesentliche strukturelle und funktionelle Eigenschaften der menschlichen periportalen Leberregion bei. „Mit unserem neuen Modell haben wir eine große Herausforderung gemeistert. Bislang war es nicht möglich, die mehrzellige Organisation des periportalen Lebergewebes und die zellulären Interaktionen außerhalb des lebenden Körpers zu rekonstruieren. Mit unseren Modellen können wir verschiedene Teile der Leber im Labor nachbauen und kontrollieren. Das hilft uns zu verstehen, wie verschiedene Zellen und ihre Umgebung zusammenwirken, um eine gesunde Leber zu bilden, und wie Krankheiten wie Gallengangfibrose entstehen, wenn diese Interaktionen gestört sind“, sagt Meritxell Huch, die die Studie leitete und betreute. „Unsere neuartigen Lebermodelle haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Lebererkrankungen untersuchen und behandeln, zu verändern. Sie könnten uns dabei helfen, neue diagnostische Tests zu entwickeln, die Sicherheit neuer Medikamente zu testen, die Bewertung der Medikamententoxizität zu verbessern und personalisierte Behandlungen für Patienten mit Lebererkrankungen zu entwickeln.“
Prof. Meritxell Huch
huch@mpi-cbg.de
Lei Yuan, Sagarika Dawka, Yohan Kim, Anke Liebert, Fabian Rost, Robert Arnes-Benito, Franziska Baenke, Christina Götz, David Long Hin Tsang, Andrea Schuhmann, Anna Shevchenko, Roberta Rezende de Castro, Seunghee Kim, Aleksandra Sljukic, Anna M. Dowbaj, Andrej Shevchenko, Daniel Seehofer, Dongho Choi, Georg Damm, Daniel E. Stange, Meritxell Huch: Human assembloids recapitulate periportal liver tissue in vitro. Nature, December 17, 2025, doi: 10.1038/s41586-025-09884-1
Menschliches periportales Assembloid, dass die drei wichtigsten Zelltypen der Leber zeigt: Portalfib ...
Copyright: Lei Yuan, Sagarika Dawka, Yohan Kim, Anke Liebert et al. / Nature (2025) / MPI-CBG
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

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