idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) hat die Verlängerung des interdisziplinären Kompetenznetzwerks „Postcolonial Hierarchies in Peace and Conflict“ bis 2028 bewilligt. Der Verbund bringt die Universität Bayreuth zusammen mit den Universitäten Marburg und Erfurt sowie dem Arnold-Bergstraesser-Institut (ABI, Freiburg), um aktuelle Konflikte und Friedensbemühungen aus postkolonialer Perspektive zu analysieren und die Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland weiterzuentwickeln.
Der 2022 eingerichtete Verbund „Postcolonial Hierarchies in Peace and Conflict“ wird mit finanzieller Unterstützung in Höhe von 1,4 Millionen Euro durch das BMFTR für zwei weitere Jahre (2026-2028) verlängert. Im Zentrum der Forschung steht die Frage, wie sich historisch entstandene postkoloniale Hierarchien in zeitgenössischen Konfliktdynamiken manifestieren und welche Implikationen dies für nachhaltige Konflikttransformation in der Zukunft hat. Dazu analysieren die Verbundmitglieder insbesondere Konfliktsettings, die durch Kolonialismus geprägt wurden, mit postkolonialen Forschungsperspektiven sowie mit Methoden und Theorien der Friedens‑ und Konfliktforschung.
Angesichts großer Veränderungen im globalen Kontext, ist es noch dringlicher geworden, postkoloniale Hierarchien zu untersuchen. Sie beeinflussen die Infragestellung der regelbasierten internationalen Ordnung und rasche Verschiebungen der globalen Machtverhältnisse. Während sich die USA zurückziehen und Europa sich herausgefordert sieht, werden im Globalen Süden Sicherheitsprioritäten, internationale Allianzen und Praktiken neu ausgerichtet. „Der innovative Beitrag unserer Forschung in Bayreuth ist, sich wandelnde postkoloniale Hierarchien im Kontext dieser wachsenden ‚Süd-Süd Beziehungen‘ zu erforschen. An der Schnittstelle von Sicherheit und Ökonomie sowie sich wandelnder persönlicher Beziehungen und Expertenwissen erforschen wir Elemente einer neu entstehenden und stärker dezentrierten Sicherheitsordnung“, so Prof. Dr. Jana Hönke, Inhaberin des Lehrstuhls für Soziologie Afrikas an der Universität Bayreuth.
Postkoloniale Hierarchien und ihre Relevanz für aktuelles Konfliktgeschehen
Der Verbund wird im Rahmen der BMFTR-Förderlinie zur Stärkung und Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland gefördert. Dies zielt darauf ab, interdisziplinäre und methodenpluralistische Forschungsstrukturen sowie den Wissenstransfer zu fördern, um in diesen Zeiten des rapiden Wandels Orientierungswissen für Politik und Gesellschaft bereitzustellen.
Das Hierarchies-Netzwerk setzt sich kritisch mit bestehenden Paradigmen in der Wissensproduktion und ihrer Rolle für Friedens- und Konfliktpraktiken auseinander. Ausgangspunkt ist, dass Hierarchien und die von ihnen erzeugten gewaltsamen Konflikte für die Friedens- und Konfliktforschung von großer Bedeutung sind. Postkoloniale Hierarchien lenken die Aufmerksamkeit auf die Nachwirkungen historischer Entwicklungen, die gegenwärtige Konflikte weiterhin prägen und Wege zum Frieden blockieren.
In der Verlängerungsphase widmet sich der Verbund besonders aktuellen politischen Entwicklungen. Der russische Krieg gegen die Ukraine, die Terrorangriffe auf Israel 2023 sowie die fortdauernde Gewalt in Gaza, aber auch die weitgehend unbeachteten Eskalationen in vielen Ländern des Globalen Südens (etwa in Burkina Faso, Sudan, Äthiopien oder in den Drogenkriegen in Zentralamerika) verdeutlichen das gegenwärtig hohe Konfliktgeschehen. Dies verschärft zugleich politische Polarisierung und Extremismus in westlichen Gesellschaften, u.a. in Form von Antisemitismus, anti-muslimischem Rassismus und repressiver Migrationspolitik. Die Untersuchung der postkolonialen Hierarchien, die diesen Auseinandersetzungen eingeschrieben sind, zeigt so auch Möglichkeiten der nachhaltigen Konflikttransformation auf.
Die Universität Bayreuth ist über drei Teilprojekte – geleitet von Prof. Dr. Jana Hönke, Dr. Biruk Terrefe, Dr. Adam Sandor (alle Soziologie und Politik mit Schwerpunkt Afrika) und Prof. Dr. Joël Glasman (Geschichte mit Schwerpunkt Afrika) – am Hierarchies-Verbund beteiligt. Die Teilprojekte untersuchen verschiedene Fallbeispiele aus Afrika dahingehend, wie Sicherheitsgovernance zwischen Akteuren des Globalen Nordens und Südens verhandelt wird, welche Verflechtungen in der Sicherheitspolitik am Roten Meer und im Sahel bestehen und wie sich Praktiken transnationaler Entwicklungs- und Sicherheitsexpertinnen und -experten im Kontext neuer Pluralität und des zunehmenden Autoritarismus verändern.
Strukturbildung und Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung
Besonders innovativ ist die Virtuelle Enzyklopädie des Verbunds: als multimediale Open‑Access‑Plattform präsentiert die Enzyklopädie zentrale Konzepte und Debatten zu Frieden und Konflikt aus postkolonialen und dekolonialen Perspektiven und führt so eine Pluralität von Stimmen aus aller Welt zusammen.
Die Bayreuther Projektbeteiligten sind zugleich am UBT Peace and Conflict Research Network beteiligt, das Friedens- und Konfliktforscher*innen an der Universität Bayreuth seit mittlerweile drei Jahren verbindet. Das Netzwerk veranstaltet die Vortragsreihe Bayreuth Peace Talks und ist Teil regionaler Bemühungen zur Strukturbildung der Friedens- und Konfliktforschung in Bayern. So werden Erkenntnisse und Impulse aus dem Hierarchies-Verbund in diese Forschungsnetzwerke, die Nachwuchsförderung und die Politik- und Gesellschaftsberatung eingebracht.
Prof. Dr. Jana Hönke
Lehrstuhl Soziologie in Afrika
Telefon: 0921 / 55-4116
E-Mail: jana.hoenke@uni-bayreuth.de
https://www.peaceandconflict.uni-bayreuth.de/en/index.html
https://rewritingpeaceandconflict.net/
Biruk Terrefe (Bayreuth), Fabricio Rodríguez (Freiburg), Alke Jenss (Freiburg), Adam Sandor (Bayreut ...
Quelle: Florian Kühn
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Politik
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch

Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).