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25.01.1999 12:56

Die Jahrtausendwende als Chance für einen großen Lernaugenblick

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    Die 3. Forschungstage der Universität Dortmund sind eröffnet. Am Anfang geben ein Festvortrag und eine Performance unterschiedliche Antworten zum Stichwort "Zeitenwende", das die Universität - neben der Devise "Lust auf Wissenschaft" - als Leitmotiv für diese Woche gewählt hat. Professor Gert Kaiser, Rektor der Universität Düsseldorf, sieht jetzt die Chance für einen großen Lernaugenblick gekommen. Ein neues wissenschaftliches Engagement der Jugend sei notwendig, die bleierne Gegenwart Deutschlands zu überwinden. Der technische Fortschritt kann aus seiner Sicht genutzt werden zu einem innovativen "Vorwärts zur Natur".

    Prof. Dr. DLitt h.c. Gert Kaiser ist sich durchaus nicht sicher, daß die heutige Generation die Jahrtausendwende als Chance des großen Lernaugenblicks begreifen wird. Ähnlich wie tausend Jahre zuvor herrschen in den Ansprachen die Szenarien kommender Katastrophen vor. Es kommt aber - so Kaiser - nicht darauf an, Bußpredigten zu wiederholen, sondern die kalendarische Zäsur zum Anlaß für einen neuen Diskurs mit der Jugend zu nutzen: "Das ist euer Jahrhundert! Was wollt ihr damit machen? Nennt Optionen, macht Konzepte - und entscheidet. Wir wollen Euch helfen, wenn ihr mögt."

    Kaiser zitiert Herzog

    Der Düsseldorfer Rektor knüpft an die "Berliner Rede" von Roman Herzog an, in der der Bundespräsident die Überwindung der Lethargie in Deutschland gefordert hat. Kaiser weist darauf hin, daß im wirtschaftlich so tüchtigen Nachkriegs-Deutschland heute der Anschluß an die High-Tech-Produktion verlorengeht. Die junge Generation ziehe sich aus den Natur- und Technikwissenschaften zurück. Seine Erfahrung sei: "Je moderner und komplexer die Welt wird, umso stärker bildet sich der romantisch-antimoderne Widerstand in den Köpfen vieler junger Leute aus."

    Der Referent sieht aber gerade in der "in den entwickelten Nationen heraufziehenden Wissensgesellschaft" die eigentliche Chance für Wohlstand und Wohlfahrt und "womöglich das Überleben auf unserem Planeten. Er verweist darauf, daß der Anteil des Wissens an den Wertschöpfungen - sei es der Entwicklung einer Computer-Software oder gar der Produktion eines Autos - immer größer werde, der Verbrauch von Rohstoffen, Arbeit und Kapital dagegen sinke.

    Suche nach dem verlorenen Paradies

    Professor Kaiser sieht den Ausdruck der menschlichen Sehnsüchte in elementaren Geschichten. Dazu gehört für ihn vor allem die Geschichte von der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies, aus der Einheit mit der Natur. Jean-Jacques Rousseau aber habe mit dem Ruf "Zurück zur Natur" eine zu einfache Antwort gegeben. Ein Zurück könne es nicht geben.

    Tatsächlich allerdings, so argumentiert auch Kaiser, ist die Technik weit davon entfernt, der heutigen Jugend durchgängig ein Leitbild zu vermitteln, das die Zukunftsängste beseitigen könne: "Fast immer benötigen wir für unsere technischen Ziele eine große Verschwendung von Energie, Materie und Zeit. Der sogenannte Effizienzgrad ist miserabel."

    Dem gegenüber muß die Zeitenwende genutzt werden, um die Technik neu an der Natur zu orientieren, unterstreicht Kaiser. Seine Beispiele: Pharmazeutika sollten mit feinsten Dosen wie homöopathische Mittel wirken. Energietechnik solle sich an biologischen Mustern orientieren. Gentherapie könne sich auf das Nachwachsen zerstörter Organe konzentrieren. Häuser könnten ohne Raubbau an Material und Energie entstehen. Technologie müsse nicht zur Vermüllung des Planeten führen.

    Eine Antwort von Kleist

    Gert Kaiser zitierte zum Abschluß Heinrich von Kleists Geschichte "Über das Marionettentheater". Sie offenbare, daß gerade die scheinbar natürlichsten Bewegungen der Puppen nicht durch die Marionettenspieler bewirkt würden, sondern in der technischen Konstruktion der Puppen begründet seien.
    Im Dialog der Geschichte werde deutlich, das es kein Zurück zur Natur gebe, sondern nur den "Weg geistiger Mühe und Anstrengung nach vorn". Die geistige, künstlerische und technische Innovation könne allein "das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur wiederherstellen". Kaiser: "Dieses Leitbild kann den jungen Menschen zeigen, daß sie eben nicht gegen die Natur freveln, wenn sie sich dem technischen Fortschritt verschreiben - daß sie dabei vielmehr auf dem Weg zur Natur sein können." Kaiser rief seine Generation dazu auf, die Jugend jetzt für diesen Weg zu gewinnen.

    Begrüßungsansprachen von Rektor Klein und Gastgeber Harenberg

    Begrüßungen durch Verleger Bodo Harenberg, der die Universität in seinem Kultur-Zentrum als Gastgeber willkommen hieß, und Prof. Dr. Dr. h.c. Albert Klein als Rektor der Universität Dortmund stehen am Anfang.

    Bodo Harenberg erinnert daran, daß die Idee der Forschungstage schon 1994 entstanden ist. Rektor Klein habe nach Wegen gesucht, die Präsenz der Universität in der Stadt zu verbessern. Er habe das neue HCC als gemeinsamen Treffpunkt in Dortmund anbieten können: "Vielleicht lohnt es, wenn wir häufiger in unserer Stadt darüber nachdenken, ob es weitere Gemeinsamkeiten geben kann, ob wir die Kräfte bündeln und gemeinsam mehr erreichen können."

    Der Verleger überreicht dem Rektor symbolisch eine Magnetkarte zur Öffnung des Harenberg City-Centers. Rektor Klein greift in seiner Begrüßungsansprache den Gedanken der engen Verbindung der Universität mit der Stadt auf. Es sei die Aufgabe der Universität, ihr Wissen weiterzugeben. Dabei gehe es nicht nur um den notwendigen Transfer der Ergebnisse von Forschung und Entwicklung in die Wirtschaft. Vielmehr stehe das Wissen der Universität der demokratischen Gesellschaft insgesamt zur Verfügung. Der Rektor warb seinerseits auch für das Vertrauen, das die Öffentlichkeit auf die Hochschule setzen dürfe.

    Professor Klein geht auch auf die Situation der Dortmunder Universität ein. Die Forschungstage schließen diesmal ein Jubiläumssemester der 30 Jahre alten Hochschule ab. Der Universität steht in diesem Alter ein erster Generationenwechsel bevor, der sich darin zeigt, daß etwa ein Drittel aller Professoren in den nächsten Jahren emeritiert wird. Mit besonderer Sorge weist der Rektor auf den von Wissenschaftsministerin Behler angekündigten "Qualitätspakt" hin. Gerade die Universität Dortmund habe seit Jahren Reformbereitschaft gezeigt. Reformen seien auch gewiß nicht allein mit Geld zu bewirken. Mit erheblichen Mittelkürzungen aber könnten sie noch weniger bewältigt werden.

    Rektor Albert Klein dankt abschließend nicht nur den Mitwirkenden bei den 3. Dortmunder Forschungstagen, sondern auch allen Dortmunderinnen und Dortmundern, die sich seit vielen Jahren für die Errichtung und den Aufbau der Universität eingesetzt und ihr zu institutioneller Stärke verholfen haben.

    Performance

    Das Ensemble, das zum Abschluß unter Leitung der Kunstprofessorin Ursula Bertram-Möbius das Publikum mit der künstlerisch-multimedialen Produktion "Eintagsfliegen" in den Bann zieht, setzt sich intuitiv, polarisierend und subtil persönlich mit der "Zeitenwende" auseinander.

    Siehe dazu auch Medieninformation 99-031: "Eintagsfliegen" im Kosmos der Zeitenwende

    Folgende Dokumentationen zur Eröffnungsveranstaltung der 3. Forschungstage der Universität Dortmund werden den Redaktionen in Dortmund zugestellt. Sie können auch von auswärtigen Interessenten bei uns per Fax oder Mail angefordert werden.

    · Medieninformation 99-032:Dokumentation Grußwort von Verleger Bodo Harenberg
    · Medieninformation 99-033:Dokumentation Grußwort von Rektor Albert Klein
    · Medieninformation 99-034:Dokumentation Festvortrag "Der große Lernaugenblick" von Gert Kaiser


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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