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Eine Menge Menschen brüllen ihre Computer an, sie schimpfen und fluchen, einige schlagen und treten auch nach ihnen. Sie sind nicht in der Minderheit. Das zeigt die empirische Magisterarbeit, die die Soziologin Marleen Brinks an der FernUniversität im Fach Arbeits- und Organisationspsychologie erstellt hat.
Die Zeit drängt, der Bericht muss fertig werden. Um drei Uhr ist der Termin mit dem Kunden - da stürzt der Computer ab, ausgerechnet. Er muckt und zickt und tut dann gar nichts mehr. Das ist mindestens ärgerlich, und wie die Soziologin Marleen Brinks in ihrer Magisterarbeit an der FernUniversität in Hagen belegt, ist es häufig auch folgenreich: Eine Menge Menschen brüllen ihre Computer an, sie schimpfen und fluchen, einige schlagen und treten auch nach ihnen. Sie sind nicht in der Minderheit, wie die Auswertung von 340 Fragebögen belegt. Brinks hat für ihre Abschlussarbeit Menschen befragt, die beruflich mindestens 30 Stunden jede Woche am Computer arbeiten. Sie hat herausgefunden, dass zwei Drittel der Befragten ihrem Computer gegenüber schon einmal laut geworden sind - und über 30% zumindest mal nach der Maus geschlagen haben. Immerhin noch 1,5% geben zu, gleich den ganzen Monitor vom Tisch gestoßen oder den PC absichtlich fallen gelassen zu haben.
Brinks ist Diplom-Soziologin, sie arbeitet in München in der Markt- und Meinungsforschung. Neben ihrem Job studierte sie an der FernUniversität Soziale Verhaltenswissenschaften mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie. Ihre Magisterarbeit zu dem ungewöhnlichen Thema betreuten Univ.-Prof. Dr. Gerd Wiendieck und Thomas Bartos (Institut für Psychologie). Die explorative Studie hat einigen Wirbel verursacht: Aggression gegen Computer ist ein nahezu komplett unerforschtes Phänomen. Brinks plant - wenn es sich irgend machen lässt - eine Dissertation, in der sie das Thema weiter ausleuchten möchte. Derzeit ist die 32-Jährige jedoch in Mutterschutz; Mitte Dezember kommt ihr erstes Kind.
Früher arbeitete Brinks selbst in einer IT-Abteilung. Dort beobachtete sie regelmäßig, wie die Kollegen ihren PCs gut zuredeten, sie lobten und streichelten, aber auch mit ihnen schimpften - und zuschlugen, wenn diese den Dienst verweigerten. Sie überlegte: Entwickeln Menschen zu ihren Computern emotionale Beziehungen wie zu anderen Menschen? Die Idee mit der Befragung entstand. Denn die Forschungslage ist dürftig. Insgesamt ist "Technology Related Anger", Aggression gegen Technik, ein breites Feld: Menschen ärgern sich über Fahrkartenautomaten, beschimpfen Scannerkassen, treten Autos. Und sie schlagen Computer. Erforscht ist das nicht. Aufgrund ihrer Beobachtungen entwickelte Brinks drei Ausgangshypothesen: Menschen verhalten sich ihrem Computer gegenüber aggressiv, weil sie frustriert sind. Weil sie außerdem ihren PC nicht als Maschine, als Rechenknecht, sehen, sondern als Wesen. Und weil sie drittens Kollegen haben, die sich ähnlich verhalten.
Diese Hypothesen haben sich in der Befragung bestätigt. Menschen reagieren aggressiv, wenn ihre Computer sie "behindern": Heikel wird es, wenn man unter Zeitdruck ein wichtiges Ziel erreichen muss, und der Computer nicht tut, was man will. An Unkenntnis kann das nicht liegen. Denn IT-Fachleute behandeln ihre PCs häufig ausgesprochen schlecht. Dahinter steckt wohl die Tatsache, dass viele Mitarbeiter Probleme mit ihren Computern auf PC-Betreuer und Administratoren abschieben. Die Fachleute dagegen müssen sehen, wie sie mit Computern klarkommen, die entgegen aller Logik immer noch nicht tun, was die Benutzer wollen. Denn das fand Brinks auch heraus: Aggression entsteht seltener durch Bedienungsfehler als durch tatsächlich kaum erklärbares Fehlverhalten. Wenn z.B. ein neu aufgespieltes Programm andere Programme blockiert. Wenn die Graphik-Karte nicht mehr funktioniert, nachdem man in den PC ein neues CD-Laufwerk eingebaut hat. Die Soziologin vermutet auch, dass Aggression desto schneller entsteht, je abhängiger man sich von dem Gerät macht.
Die Kosten, die durch nicht funktionierende Technik entstehen, sind hoch. Eine niederländische Studie geht von anderthalb mit PC-Problemen verlorenen Stunden pro Woche an jedem Bildschirmarbeitsplatz aus; andere Studien veranschlagen den Zeitverlust noch erheblich höher. Doch Anwenderfreundlichkeit war lange kein Thema in der Entwicklung von Hard- und Software. Erst allmählich werden Anwender in die Programmierung mit einbezogen. Die IT-Industrie erkennt, wie wichtig zufriedene Nutzer sind. "Langsam wacht man auf", sagt Brinks. Sie hält es trotzdem für wichtiger, dass die Nutzer sich von der IT nicht allzu abhängig machen. "Technik versagt nun einmal", meint sie. Während langer Lade- und Rechenzeiten sollte man deshalb beispielsweise am besten telefonieren oder lesen. Und in kritischen Situationen tief durchatmen, eine Runde um den Block gehen, und es dann noch einmal versuchen. Der PC ist nicht gegen einen. Er ist nur eine Maschine.
http://www.mbrinks.de - weitere Informationen und die Studie zum Download
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Informationstechnik
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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