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19.02.1999 10:33

Ökologie kontra Glatteis

Gertrud Aßmann Kommunikation
GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit

    Ist der Einsatz von Streusalz/Auftaumitteln ökologisch bedenklich?

    Oft überraschend kommende Kälteeinbrüche mit starker Glatteisbildung führen dazu, daß vermehrt Streusalz eingesetzt wird. Mögliche ökologische Auswirkungen werden erst dann wieder diskutiert, wenn akute Gefahrenquellen beseitigt sind. Zusätzlich verstärkt wird das Problem dadurch, daß es keine länderübergreifenden Regelungen gibt, sondern die Streupflicht als Landesrecht in den Straßengesetzen der Länder festgelegt ist. Die Information Umwelt bietet Ihnen einige Hintergründe zu dem Thema Streusalz/Auftaumittel.

    INFORMATION UMWELT Hintergrundinformation

    Ökologie kontra Glatteis

    Ist der Einsatz von Streusalz/Auftaumitteln ökologisch bedenklich?

    Oft überraschend kommende Kälteeinbrüche mit starker Glatteisbildung führen dazu, daß vermehrt Streusalz eingesetzt wird. Mögliche ökologische Auswirkungen werden erst dann wieder diskutiert, wenn akute Gefahrenquellen beseitigt sind. Zusätzlich verstärkt wird das Problem dadurch, daß es keine länderübergreifenden Regelungen gibt, sondern die Streupflicht als Landesrecht in den Straßengesetzen der Länder festgelegt ist. Die Information Umwelt bietet Ihnen einige Hintergründe zu dem Thema Streusalz/Auftaumittel.

    Zusammensetzung und Eigenschaften von Auftausalzen

    Salze und Salzgemische dienen meistens der Bekämpfung von Straßenglätte. Das häufigste in Deutschland verwendete Streusalz ist Natriumchlorid (NaCl). Daneben werden in Europa als Auftausalze Calciumchlorid (CaCl2) und Magnesiumchlorid (MgCl2) und deren Mischungen im Straßenwinterdienst eingesetzt. NaCl ist das preiswerteste Auftausalz und eignet sich für Tempera-turen von -1 C bis -8 C, während bei tieferen Temperaturen MgCl2 und CaCl2 geeigneter sind.
    Salzmischungen verbinden die Wirksamkeit der einzelnen Salze und können so den Einsatzbereich verbreitern. Meistens werden Mischungen aus NaCl und CaCl2 oder MgCl2 in verschiedenen Verhältnissen eingesetzt; diese Mischsalze sind nicht so kostengünstig wie reines NaCl.
    Feuchtsalz (Verwendung von CaCl2- oder MgCl2-Lösungen) haftet im Gegensatz zum
    NaCl-Trockensalz besser auf der Straße und hat eine geringfügig höhere Tauwirksamkeit. Durch das verminderte Verwehen von Feuchtsalz kann es in etwas geringeren Mengen ausgebracht werden und die Salzzufuhr in den Boden, auf die Pflanzen und auf korrosionsgefährdete Bauteile (Brücken, Kraftfahrzeuge) ist geringer. Andererseits bewirkt das besondere Haftvermögen zugleich ein längeres Verweilen auf Karosserien, Brückenbauwerken und Vegetation, so daß speziell im innerstädtischen
    Bereich vermehrt Kontaktschäden auftreten können.
    Alkohol und -gemische setzen den Gefrierpunkt des Wassers herab und werden häufig auf Flughäfen zur Pistenenteisung eingesetzt. Zu den verwendeten Alkoholen zählen Isopropanol, Isoglykol und andere Alkohole mit verschiedenen Beimengungen. Alkohole kommen wegen ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften und wegen ihrer Umweltgefährlichkeit für den Einsatz im Straßenwinterdienst nicht in Betracht.
    Technischer Harnstoff wird oft zusammen mit Alkohol ebenfalls hauptsächlich auf vereisten Flughafenpisten eingesetzt. In den Aufwandsmengen von ca. 5 kg/m² pro Wintersaison, mit denen er zur Glättebekämpfung eingesetzt werden muß, führt er zu Überdüngungen der Pistenränder, Grund-wassergefährdung und Belastung der Flughafenabwässer und Kläranlagen. Da er zudem erheblich
    teurer ist als Natriumchlorid und seine Tauwirksamkeit vergleichsweise kurz ist, spielt er im Straßen-winterdienst keine Rolle.

    Auswirkungen auf die Umwelt

    Auf die Fahrbahn ausgebrachtes Streusalz bildet ein Gemisch mit Eis und Schnee. Ein Teil des Salzes geht in Lösung und wird mit dem von der Straße abfließenden Schmelzwasser über die Abflußsysteme der Straße in die Oberflächengewässer befördert; dadurch wird es verdünnt. Wieviel
    NaCl-haltiges Schmelzwasser in den bepflanzten Straßenrandbereich gelangt, hängt vom Ausbau bzw. der Effektivität der Entwässerungseinrichtungen ab.
    Etwa 40 % der ausgebrachten Salzmengen werden mit dem Schmelzwasser in die Straßenrandböden verfrachtet. Nach der Bodenpassage und Sorptionsvorgängen im Boden gelangt das Salz entweder ins Grundwasser oder in den Vorfluter des Abflußsystems.
    Ein anderer Teil des Salzes erreicht über Spritzwasser (sog. "Verkehrsgischt") den Straßenrand-bereich. Im innerstädtischen Bereich werden ca. 5 bis 15 % - abhängig vom Fahrverhalten der Autofahrer - der ausgebrachten Streumenge mit der Verkehrsgischt als Salz-Aerosole aufgewirbelt und verfrachtet.
    Salzhaltige Aerosole können sich auf oberirdischen Pflanzenteilen ablagern und in die Pflanzen eindringen; eine Ionenaufnahme über die Wurzeln ist ebenfalls möglich.

    Der Einsatz von Streusalz kann zur Verschlämmung und Verdichtung der Straßenrandböden führen. Der Boden wird nicht mehr ausreichend durchlüftet und die Fähigkeit, Wasser aufzunehmen und zu speichern, wird gestört.

    Straßenrandböden sind generell ungünstige Substrate für Pflanzen. Diese sind hier in ihrer Vitalität beeinträchtigt und nicht mehr in der Lage, ihre volle physiologische Leistungsfähigkeit zu entfalten. Dadurch können sie sich von der zusätzlichen Belastung, die durch die winterliche Salzzufuhr entsteht, während der Vegetationszeit nicht selbständig regenerieren. Dies wird erst nach einem Verzicht auf den Salzeinsatz möglich.

    Bäume können Natrium und Chlorid in begrenzter Menge aufnehmen, ohne Schadsymptome zu zeigen. Durch hohe Salzzufuhr wird jedoch der Nährstoffhaushalt der Pflanzen gestört. Man unterscheidet direkte Vegetationsschäden durch Verspritzen der Salzlösung auf die Pflanze durch
    den Verkehr (Salz-Aerosole), sowie indirekte Schäden durch die Versalzung des Bodens.
    Bei direktem Kontakt der oberirdischen Pflanzenteile mit der Salzlösung zeigen sich durch das Überangebot an Natrium und Chlorid osmotisch bedingte Ätz- und Verbrennungsschäden.
    Die Ursachen der indirekten Schädigungen durch Streusalz sind in der Anreicherung von Natriumionen und Auswaschung von Nährstoffen zu sehen. Die Bildung von Mykorrhizen (ein für die Nährstoffaufnahme der Pflanze wichtiges Pilzgeflecht an Wurzeln) nimmt bei alkalisierten Böden ab. Ein gesteigerter Salzgehalt im Boden kann zu Nährstoffauswaschungen, Wasserentzug im Wurzel-bereich und Wurzelschädigungen führen. Zugleich behindert der erhöhte Salzanteil die Aufnahme anderer wichtiger Nährelemente, wie z. B. Stickstoff, Phosphor und auch Kalium in die Pflanze.

    Salzgeschädigte Bäume weisen einige typische Symptome auf: Die Blätter treiben erst später im Frühjahr aus. Sie sind dann kleinflächiger, oft gekräuselt und zeigen Nekrosen (Absterben von Gewebeteilen) an Blatträndern und Spitzen. Weitere Folgen sind frühzeitige Alterungserscheinungen der Bäume wie Verfärbung der Blätter und vorzeitiger Laubabfall bis zum Absterben von Pflanzenteilen oder der ganzen Pflanze.

    Grund- und Trinkwasser: Über die Böden gelangt Streusalz in das Grundwasser. In der Nähe von Autobahnen sind Erhöhungen des Salzanteils im Trinkwasser von 20 auf 300 mg/l während einer Streuperiode festgestellt worden. Bei Chloridwerten über 200mg/l können für die landwirtschaftliche
    Nutzung und die Trinkwasserversorgung Probleme auftreten.

    Ökonomische Schäden

    Neben den ökologischen Konsequenzen auf Straßenrandböden und -bewuchs sollte man die ökonomischen Folgeschäden von ausgebrachter und verspritzter Salzlösung wie Korrosionsschäden an Betonbauteilen, Stahlträgern und Kfz-Karosserien nicht außer acht lassen.

    Die Schäden an Betonteilen werden durch lokale Unterkühlung und chemischen Angriff hervorgerufen. Langfristig können dadurch z. B. durch Sanierungsmaßnahmen an Straßen und Autobahnbrücken selbst, hohe Kosten entstehen.

    Korrosionsschäden an tragenden Teilen und Karrosserien von Kraftfahrzeugen werden zu ca. 50 % auf die Einwirkung von Streusalz zurückgeführt. Von den anderen 50 % nimmt einen Großteil die atmosphärische Korrosion ein (Einwirkung der an Wasserdampf und Luftverunreinigungen reichen
    Umgebungsluft).

    Abstumpfende Mittel wie Kiesgranulat können Lackschäden durch mechanische Einwirkung und darauffolgende Korrosion durch Salzeinwirkung hervorrufen. Daneben kann die Laufleistung der Winterreifen durch Einwirkung der scharfkantigen Granulate reduziert sein.

    Maßnahmen/Handlungsbedarf

    Um den Streusalzverbrauch zu senken und die Schäden so gering als möglich zu halten, empfiehlt es sich:

    * innerhalb geschlossener Ortschaften auf den Einsatz so weit wie möglich zu verzichten
    * Streusalz auch nicht auf Gehwegen anzuwenden, da diese dem Straßenrandgrün räumlich
    direkt benachbart sind
    * Streusalz nur auf besonders verkehrswichtigen Straßenabschnitten, an
    gefährlichen Kreuzungen oder Steigungen zu verwenden
    * die Streumenge optimal zu dosieren, zehn Gramm Salz pro Quadratmeter
    und Streugang sollten nicht überschritten werden
    * abstumpfende Streumittel (Granulat, Split, Sand, Kies) einzusetzen.
    Diese müssen in frostfreien Perioden allerdings wieder aus dem Straßenraum enfernt werden.
    Die Staubentwicklung beim Einsatz von Split etc. sollte nicht vernachlässigt werden. Vor allem für
    das Kehrpersonal kann es zu Belastungen kommen, deretwegen geeignete Schutzkleidung
    getragen werden sollte.

    Der Einsatz von chemischen Auftaumitteln wie Harnstoffen, Phosphatverbindungen, Ammoniumsalzen usw. stellt aus ökologischer Sicht keine Alternative zum Streusalz dar.
    Auch diese sind in hohem Maße umweltschädlich.

    Von Mischungen von Salz mit abstumpfenden Streumitteln ist aus ökologischer Sicht ebenfalls abzuraten, da diese Streumittel in der Regel in ungleich größeren Mengen ausgebracht werden müssen und somit die gleichen Mengen oder sogar mehr Salz dem Boden und den Pflanzen zuführen als bei gemäßigter reiner Salzstreuung.
    Eine dauerhafte Erholung von Boden und Vegetation kann nur durch vollständigen Verzicht auf Auftausalze erreicht werden. Untersuchungen im Auftrag des Umweltbundesamtes haben gezeigt, daß nach mehrjährigem vollständigem Verzicht auf Tausalz im innerstädtischen Bereich sowohl die
    Schadsymptome als auch die Chlorid- und Natriumkonzentrationen in Blättern und Zweigholz stark abnehmen. Wenig geschädigte Bäume zeigten sich bereits nach sechs Jahren völlig symptomlos, während stärker belastete Bäume einen wesentlich längeren Zeitraum zur Erholung brauchen. Hier spielen auch andere Umweltbelastungen eine große Rolle.

    Eine 1996 / 1997 in der Schweiz durchgeführte Studie "Salz- oder Splitstreuung im Winterdienst" kam zu dem Ergebnis, daß es sinnvoller sei, auch auf die Anwendung abstumpfender Streumittel zu verzichten, da aus ökologischer Sicht nichts für deren Einsatz spreche. Darüber hinaus verursache sie die sechs- bis zehnfachen Kosten der Salzstreuung. Die Verkehrssicherheit werde durch die Splitstreuung dagegen nur kurz oder gering beeinflußt.

    Stand: Februar 1999
    Redaktion: Gertrud Aßmann, Information Umwelt


    Literatur

    ABEL-LORENZ, E. und EISBERG, J. (1990): Winterliche Straßen - umweltfreundlich.
    Eberhard Blottner Verlag, Taunusstein.

    BALDER, H. u. NIERSTE, J. (1988): Ökologische Auswirkungen eines tausalzfreien innerstädtischen Winterdienstes. Texte Umweltbundesamt 4/88, Berlin.

    BARK, A; BÖHM, P.M., LEVIN, CH.; MATTHESS,V. (1993). Winterdienst und Verkehrssicherheit - FP 8938. Schlussbericht Technische Hochschule, Darmstadt, 11/93.

    Bayr. Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg., 1991): Bodenschutzprogramm 1991 der Bayerischen Staatsregierung.

    BROD, H.-G. (1991): Auftausalze - Anwendung im Straßenwinterdienst, Auswirkungen auf Straßenrandböden und -gehölze. In: Z. Umweltchem. Ökotox. 3 (2), 109 - 113.

    BROD, H.G. (1993): Langzeitwirkung von Streusalz auf die Umwelt. Berichte der Bundesanstalt für Strassenwesen. Verkehrstechnik-Heft V2.

    BROD, H.G. (1994): Auswirkungen des Winterdienstes auf die Umwelt. 9. Internationaler Straßenwinterdienstkongreß der AIPCR/PIACR, Seefeld/Österreich. Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, Wien, Bd. 2, 532-539.

    GREGOR, H.-D. (1984): Der Trend "weg vom Salz" ist unverkennbar! Ökologische Risiken der Salzstreuung - Forderungen und Tendenzen. der gemeinderat 9, 23 - 25.

    HANKE, H. (1996): Neue Erkenntnisse und Empfehlungen zum differenzierten Winterdienst.
    Der Städtetag 1, 53.

    HOFFMANN, G. (1986): Abstumpfende Streustoffe und Verkehrssicherheit. Strassenwinterdienst. Kolloquium in Darmstadt 1985. Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen, Köln.

    OECD (1990): Reduzierter Einsatz von Auftaumitteln im Winterdienst. Forschung Strassenbau und Strassenverkehrstechnik, Heft 583, Bundesministerium für Verkehr, Abt. Strassenbau, Bonn.

    SCHNEEWOLF R. (1990): Straßenwinterdienst und Verkehrssicherheit in Städten der Bundesrepublik Deutschland. In: Motor im Schnee 3, 16 - 19.

    SCHNEEWOLF R. (1988): Winterdienst. Der Städtetag 9, 643 - 648.

    Umweltbundesamt (1999): Auf Streusalz soweit wie möglich verzichten. UBA, Berlin, Pressemitteilung Nr. 02.

    VKS (1997): Differenzierter Winterdienst im kommunalen Bereich.
    Informationsschrift des Verbandes kommunale Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (VKS), Köln.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Bauwesen / Architektur, Biologie, Chemie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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