idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Erstmals ist es möglich, die Einnistung des ebenso gefährlichen wie weitverbreiteten Helicobacter pylori in den Magenschleim nachzuvollziehen und die dafür notwendigen Bedingungen festzustellen. Die Mikrobiologin Dr. Christine Josen-hans und der Physiologe Dr. Sören Schreiber (beide: Medizinische Fakultät der RUB) entwickelten eine neue Technik zum exakten Nachweis dieser Bakterien, die Magengeschwüre, ja sogar Magenkrebs verursachen.
Bochum, 10.03.1999
Nr. 55
Die ersten Minuten der Infektion
Etappensieg im Kampf gegen das Magengeschwür
RUB-Wissenschaftler erhalten Bennigsen-Foerder-Preis
Erstmals ist es möglich, die Einnistung des ebenso gefährlichen wie weitverbreiteten Helicobacter pylori in den Magenschleim nachzuvollziehen und die dafür notwendigen Bedingungen festzustellen. Die Mikrobiologin Dr. Christine Josen-hans und der Physiologe Dr. Sören Schreiber (beide: Medizinische Fakultät der RUB) entwickelten eine neue Technik zum exakten Nachweis dieser Bakterien, die Magengeschwüre, ja sogar Magenkrebs verursachen. Für ihre Forschungen über die ersten Minuten der Helicobacter-Infektion erhalten sie am 17.März 1999, 14 Uhr, aus den Händen von NRW-Wissenschaftsministerin Gabriele Behler im Thürmer-Saal, Bochum, den mit 100.000 DM dotierten Bennigsen-Foerder-Preis des NRW-Wissenschaftsministeriums (MSW-WF). Mit den Förder-mitteln können die Forscher ihre Studien fortsetzen, um so Möglichkeiten der Therapie und der Prophylaxe zu finden.
Lebenslange Infektion bei der Hälfte der Weltbevölkerung
Helicobacter pylori ist der Erreger einer Volkskrankheit: Über die Hälfte der Weltbevölkerung ist mit ihm infiziert. Hat er sich einmal angesiedelt, bleibt die Infektion meist ein ganzes Leben lang bestehen. Die Folgen können schwerwiegend sein: Magenschleimhautentzündungen und Magen- und Dünndarmgeschwüre. Das Bakterium gilt auch als eine der Ursachen für Magenkrebs. In den Magen jedes gesunden Menschen gelangen Bakterien - sowohl unschädliche als auch Krankheitserreger.
Unwirtliches Millieu
Daß der Körper trotzdem nicht erkrankt, ist auf das unwirtliche Milieu im Magen zurückzuführen: der Verdauungssaft enthält z. B. Salzsäure und Pepsin, die Bakterien sofort töten. Der pH-Wert im Mageninnern ist so niedrig, daß kein Erreger darin überleben kann. Auch Helicobacter pylori ist dagegen nicht gefeit. Was es trotzdem so gefährlich macht, ist seine Fähigkeit, schnell in die Magen-schleim-schicht einzudringen, in der ein fast neutraler pH-Wert herrscht und kein Pepsin enthalten ist. Die wichtigste Phase der Infektion sind also die allerersten Minuten, in denen die Bakterien das Mageninnere überleben bis sie in den sicheren Schleim gelangen.
Perfekte Anpassung des Erregers
Bisherige Forschungsergebnisse stammen aus Langzeitstudien. Aus ihnen ist bekannt, daß Helicobacter sich an die Gegebenheiten in der Schleimschicht gut angepaßt hat: Es produziert Enzyme, die in seiner Umgebung den pH-Wert erhöhen, so daß es in der Schleimhaut gut überleben kann. Außerdem ist es durch rotierende Geißeln, sog. Flagellen, beweglich und flink. Mit Rezeptoren an seiner Oberfläche kann es bestimmte Substanzen als Lock- oder Schreckstoffe wahrnehmen und sich daran orientieren. So erreicht es schnell seinen bevorzugten Aufenthaltsort im Magenschleim.
Forschungsziele
Mit ihren Untersuchungen der ersten Minuten einer Infektion wollen die Bochumer Wissenschaftler herausfinden, an welchen Stoffen sich das Bakterium orientiert, wie schnell es in den Magenschleim eindringt und welche Rolle seine Beweglichkeit dabei spielt. Außerdem werden die Bedingungen untersucht, die im Magen herrschen müssen, damit eine Infektion überhaupt möglich wird. Erforscht wird auch, ob es Bedingungen gibt, unter denen sich eine Infektion vermeiden läßt.
Bakterien in natürlichen Verhältnissen beobachten
Herausbekommen wollen sie das durch Tests an narkotisierten Mäusen. Durch einen mikrochirurgischen Eingriff wird der Magen der Maus zugänglich gemacht. Der Magen wird während der Untersuchung ständig mit einer physiologischen Lösung gespült, um so die natürlichen Verhältnisse zu erhalten. Um veränderte Bedingungen, z. B. unterschiedliche pH-Werte, zu simulieren, kann man die Lösung leicht abwandeln.
Mikroprobennehmer ermöglicht örtliche Zuordnung
Aus dem Magenschleim können nun mehrere Stunden lang im Minutentakt winzige Proben entnommen werden. Nur mit dem einmaligen Mikroprobennehmer, der an der RUB entwickelt wurde, ist es möglich, sehr kleine Proben (2 Nanoliter, d.h. 2 milliardstel Liter) aus dem Mausmagen zu entnehmen und diese auch später örtlich zuzuordnen. Dadurch können die Wissenschaftler für jeden Zeitpunkt ganz genau feststellen, wie viele Bakterien wo an der Schleimhaut vorhanden waren. Um eine Infektion zu simulieren, tropft man einer gesunden Maus mit einem eigens dafür entwickelten Hochdruck-Mikroinjektor kleine Mengen bakterienhaltiger Flüssigkeit auf die Magenschleimschicht und entnimmt danach Mikroproben. Daraus wird ersichtlich, wie schnell und wohin genau sich die Erreger ausbreiten.
Vergleich zwischen wilden und genetisch veränderten Bakterien
Um herauszufinden, welche Fertigkeiten für das Bakterium lebenswichtig sind, vergleicht man das Verhalten normaler mit dem genetisch veränderter Bakterien. Die Wissenschaftler stellen drei verschiedene Arte von Helicobacter her, beispielsweise die bewegungsunfähig sind, oder nicht mehr über die Fähigkeit verfügen, sich an chemischen Substanzen zu orientieren. Um die Bakterien in einer Probe nachweisen zu können, kann man sie zusätzlich mit einem Protein versehen, das sie grün fluoreszieren läßt. Haben die Wissenschaftler einmal herausgefunden, unter welchen Bedingungen sich Helicobacter ansiedelt, woran es sich orientiert, und aufgrund welcher Fähigkeiten es so widerstandsfähig ist, können sie aus den Erkenntnissen Therapieverfahren und sogar Strategien zur Prophylaxe entwickeln.
Weitere Informationen
Dr. rer. nat. Christine Josenhans, Medizinische Fakultät der RUB, Abteilung für medizinische Mikrobiologie, Universitätsstr. 150, 44 780 Bochum, Tel. 0234/700-7886, Fax. 0234/7094-197, e-mail: Christine.Josenhans@ruhr-uni-bochum.de
Dr. med. Sören Schreiber, Medizinische Fakultät der RUB, Institut für Physiologie, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-4883, Fax. 0234/7094-449, e-mail: Soeren.Schreiber@ruhr-uni-bochum.de,
Internet: http://www.py.ruhr-uni-bochum.de/Research/Mucosa.html-ssi
http://www.py.ruhr-uni-bochum.de/Research/Mucosa.html-ssi
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).