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10.06.2005 13:21

"National" orientierte Wirtschaftspolitik führt Nationen in die Krise

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Eine Analyse aus der Friedrich-Schiller-Universität Jena

    (Jena) Aus gegebenem Anlass haben sich Angehörige der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit den wirtschaftspolitisch relevanten Abschnitten der Parteiprogramme rechtsextremer Gruppierungen in Deutschland - namentlich der DVU, der NPD und der Republikaner - befasst.

    Angesichts der weitreichenden Strukturveränderungen, die von der Weltwirtschaft ausgehen und die in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort Globalisierung diskutiert werden, ist die Wirtschaftspolitik heutzutage vor außerordentliche Herausforderungen gestellt. Die Arbeitslosigkeit ist zu verringern, die sozialen Sicherungssysteme sind zu reformieren, Anreize für unternehmerische Aktivitäten sind zu setzen, die Energieversorgung ist zu sichern, die Umweltzerstörung und Klimaveränderung sind zu bremsen und vieles mehr. Dies setzt eine Wirtschaftspolitik voraus, welche die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland wieder lukrativ macht, die Preisniveaustabilität sicherstellt und die Steuerbelastung in angemessener Relation zum Angebot an öffentlichen Leistungen hält. Gleichzeitig ist die Staatsverschuldung zu reduzieren, also die langfristige Finanzierung der staatlichen Aufgaben zu gewährleisten, insbesondere mit Blick auf die sozialen Sicherungssysteme. Schließlich sollten die Möglichkeiten der weltweiten Arbeitsteilung, die ganz erheblich zu einer effizienten Verwendung knapper Ressourcen beiträgt, bestmöglich genutzt werden.

    Werden die wirtschaftspolitischen Programmaussagen der genannten rechtsradikalen Gruppen diesen Anforderungen gerecht? Die Antwort auf diese Frage fällt, so viel vorweg, eindeutig negativ aus. Generell gilt, dass der Wirtschaftspolitik nur bei den Republikanern ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Allerdings muss man das gesamte Programm lesen, um die Widersprüche in ihrer Vollständigkeit erkennen zu können. In den anderen Programmen finden sich wirtschaftspolitische Aussagen in zahlreichen Abschnitten verstreut. All dies trägt naturgemäß nicht zur inneren Schlüssigkeit der Programme bei.

    Zu den Politikbereichen im Einzelnen.

    · Die Vorstellungen zur Arbeitsmarktpolitik zeigen sich durchgängig nicht schlüssig, denn Aussagen zur Regulierung des Arbeitsmarktes unterbleiben. Es werden vor allem staatliche Maßnahmen zur Nachfragesteigerung und Qualifizierung sowie zur Beschränkung der Beteiligung ausländischer Arbeitnehmer gefordert. Mit welchen Methoden und Anreizsystemen die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen, bleibt offen. Die Ausweisung von Ausländern trägt mit Sicherheit nicht zur Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit bei. Zum einen sind viele ausländische Arbeitskräfte wie ihre deutschen Kollegen auch an Schlüsselpositionen tätig. Ihre Ausweisung führte nur zu einem Verlust an Kompetenzen und der damit verknüpften Arbeitsplätze, steigerte also die Arbeitslosigkeit. Zum anderen ist eine Wirtschaftspolitik, die auf Diskriminierung und Rassismus setzt, mit dem Grundgesetz unvereinbar.

    · Preisniveaustabilität wird nicht abgelehnt, allerdings werden einheitlich die Abschaffung des Euro und die Wiedereinführung der D-Mark gefordert. Dabei übersehen diese Gruppierungen allerdings, dass gerade die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sehr wichtig für die Stabilität ist, weil die Geldpolitik so dem Zugriff nationaler Politik entzogen wird, die in allen EU-Mitgliedsländern aus kurzfristigen Erwägungen heraus gelegentlich eine laxe und damit gerade nicht stabilitätsorientierte Geldpolitik fordert. Dies wäre gerade im Falle der Umsetzung der hier vorliegenden rechtsradikalen Programme und ihrer potenziell negativen Auswirkungen auf Beschäftigung und den Staatshaushalt eine große Gefahr.

    · Es wird einheitlich eine Vereinfachung der Steuerpolitik sowie eine Senkung der Steuern gefordert. Dies kann man aus ökonomischen Gründen nachvollziehen, jedoch werden an keiner Stelle die Auswirkungen einer Steuerreform auf die öffentlichen Haushalte deutlich. Dies gilt um so mehr, als klare Aussagen zu einer Reform der Sozialsysteme unterbleiben, aber eine angemessene Unterstützung weiterhin gefordert wird. Zur Staatsverschuldung wird wenig gesagt; die Republikaner fordern explizit eine Nettoneuverschuldung von Null, ohne jedoch den Weg in eine schlüssige Finanzpolitik zu zeigen. Einsparungen seien dabei vor allem dadurch zu erzielen, dass Deutschland seine Verpflichtungen dem Ausland, vor allem der Europäischen Union gegenüber, nicht länger nachkommt. Abgesehen davon, dass ein solches Verhalten allen moralischen Grundsätzen widerspräche und die Reputation Deutschlands als verlässlicher Wirtschaftsstandort schädigen würde, sind die einzusparenden Beträge im Vergleich zum vorliegenden Problem gering. Die gegenwärtige Nettoneuverschuldung wäre dadurch nicht zu beseitigen. Einem soliden öffentlichen Haushalt steht zudem eine Vielzahl von in den rechten Programmen geplanten Förderungsprogrammen entgegen - neben der Familienförderung z. B. Programme für den Mittelstand, für eine vom Ausland unabhängige Energieversorgung, für die Förderung der Werft- und Stahlindustrie, der Landwirtschaft und dabei insbesondere traditioneller, d. h. relativ unproduktiver Landwirtschaftsformen (bei Autarkie in diesem Bereich). Insbesondere die Förderung unproduktiver Landwirtschaftsformen erscheint völlig unsinnig: Sie würde eine Verschwendung von Mitteln mit sich bringen, die noch über das Niveau hinausgeht, das die Europäische Agrarpolitik schon jetzt erreicht. Denn ein freiwilliger Verzicht auf produktive Verfahren bewirkt höhere Kosten für den gleichen Ertrag bzw. geringeren Ertrag bei gleichen Kosten. An anderer Stelle würden diese knappen Mittel in Deutschland dann fehlen. Ähnliches gilt für die angestrebte Wiederherstellung längst vergangener Wirtschaftstrukturen, z. B. in der Stahlindustrie. Auch hier werden Mittel verschwendet. Ohne weitere staatliche Subventionen wäre eine derartige Politik nicht machbar. Darüber hinaus wird in allen Programmen eine Ausdehnung der Landesverteidigung (gegen wen?) gefordert, ohne dass auf die Finanzierung dieser Form des Staatskonsums ohne Rendite eingegangen wird.

    · Die Sozialpolitik wird als wichtiger Grundpfeiler der Wirtschaftspolitik gesehen. Es wird zum einen für eine familienfreundliche Politik geworben, die der Frau eine klare Rolle als Hausfrau und Mutter zuweist; und zwar unabhängig davon, ob diese Rolle den Wünschen entspricht. Diese Arbeitsteilung innerhalb der Familie soll den Vorstellungen nach finanziell unterstützt werden. Dies ist mit der - bewusst gewählten - Qualifikation vieler Frauen und den Präferenzen auf dem Arbeitsmarkt nicht vereinbar, und es ist überdies sehr teurer. Zum zweiten wird deutlich, dass nach Auffassung dieser Gruppierungen Sozialleistungen für Ausländer offenbar schon einen kriminellen Tatbestand darstellen. Dies widerspricht nicht nur humanitären Grundsätzen, sondern auch der ökonomischen Äquivalenz: Wer in die Systeme einzahlt, soll auch im Versicherungsfall Zahlungen erhalten.

    · Ein weiterer gravierender Schwachpunkt ist die weitgehende und allen rechtsradikalen Programmen gemeinsame Ablehnung der internationalen Arbeitsteilung. Im Programm der NPD wird indirekt Autarkie gefordert und ausdrücklich das wirtschaftstheoretische Konzept der "komparativen Kostenvorteile" als Grundlage von Außenhandel abgelehnt. Dieses Konzept erklärt die Spezialisierung auf die Arbeiten, die einzelne Menschen, Länder oder Nationen relativ am besten beherrschen. Es gilt somit für jede Form der Arbeitsteilung zwischen den Nationen und innerhalb der Länder. Seine Ablehnung kommt damit der Ablehnung menschlicher Zusammenarbeit gleich und ist eine Aufforderung zur Verschwendung. Die anderen Gruppierungen stehen dem Außenhandel sowie dem internationalen Kapitalverkehr ebenfalls sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber. Damit wird einer der wesentlichen Grundlagen des deutschen Wohlstandes eine klare Absage erteilt. Die deutsche Wirtschaft hat mehr als viele andere Länder vom Außenhandel profitiert. Dabei ist nicht nur die Exportwirtschaft in den Blick zu nehmen; ohne günstige Importe von Vorleistungen, darunter auch Energieträger, hätte es das deutsche "Wirtschaftswunder" nie gegeben. Wie auf Basis einer solchen Schwächung die Situation der Menschen in Deutschland verbessert werden soll, bleibt offen - es muss offen bleiben, denn die konsequente Umsetzung dieser Politik würde eine in der Nachkriegszeit nie erlebte Ausweitung der Arbeitslosigkeit und damit tatsächlich eine Schlechterstellung zahlreicher Menschen (in Deutschland und anderswo) zur Folge haben.

    Parallelen zur Zwischenkriegszeit drängen sich auf. Bekanntlich sind durch die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik bereits im Jahre 1936 Versorgungsengpässe aufgetreten. Was danach kam und im folgenden Vierjahresplan verankert wurde, war nicht etwa eine wohlgeordnete und gleichgerichtete Struktur. Vielmehr waren Kompetenzüberschneidungen und Chaos in den NS-Organisationen an der Tagesordnung. Eine teure Überbürokratisierung - im NPD-Programm angelegt in der Formulierung der "Führung der Volkswirtschaft als Aufgabe des Staates" - und niedrige Produktivität, die das Wirtschaftswachstum hemmten, waren die Folge. Die bewusste Abkopplung von langfristig gepflegten internationalen Märkten und Partnern erwies sich schon damals als Bumerang mit fatalen wirtschaftlichen und politischen Folgen. Insgesamt wurde die Wirtschaft gleichsam von innen ausgehöhlt. Zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker (selbst nach den kruden Vorstellungen der drei Gruppierungen) kann eine auf diesen fragwürdigen Grundlagen basierende Politik sicherlich nicht beitragen.

    Insgesamt fehlen den Programmen somit innere Schlüssigkeit und nachvollziehbare Aussagen über die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik. Deutlich sichtbar wird nur eine massive Schwächung der deutschen Wirtschaft bei gleichzeitig steigender Inanspruchnahme des Bruttoinlandsprodukts durch den Staat für unproduktive Verwendungen. Die Antwort auf die Frage, ob die Programme den wirtschaftspolitischen Problemen der Zeit gerecht werden und zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Erhöhung des Wohlstandes in Deutschland beitragen können, kann demnach nur eindeutig negativ ausfallen.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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