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22.03.2000 09:40

Rheumatoide Arthritis: Im Gelenk werden Immunzellen falsch erzogen

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündliche, immunologisch bedingte Erkrankung. Weltweit sind etwa fünf Prozent der Bevölkerung, insbesondere Frauen, von diesem schweren Gelenkleiden betroffen. Wissenschaftler von der Universität Würzburg haben neue Erkenntnisse über die Erkrankung gewonnen.

    Kurzfassung:
    Die rheumatoide Arthritis ist ein schweres Gelenkleiden, von dem weltweit etwa fünf Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Die Gelenksinnenhaut, die normalerweise den Knorpel ernährt, hat sich hierbei zu einem zerstörerischen Organ entwickelt: Wie Wissenschaftler von der Universität Würzburg herausgefunden haben, wandern unreife Immunzellen aus dem Blut in die Gelenksinnenhaut ein und werden dort dann derart falsch erzogen, dass sie den Knorpel angreifen. Dadurch kommt es zur kompletten Zerstörung von Knorpel und Gelenk. Diesen Angriff auf den eigenen Organismus führen Antikörper aus. Den Erkenntnissen der Würzburger Forscher zufolge binden sich die Antikörper an ein Protein, das für die mechanische Belastungsfähigkeit des Knorpels verantwortlich ist. Die Wissenschaftler haben erstmals die Bindungsstelle, das so genannte Knorpelantigen, charakterisiert. Weil dieses für eine künftige Therapie der rheumatoiden Arthritis von Bedeutung sein kann, wurde es zum Patent angemeldet. Das Projekt der Arbeitsgruppe um den Pathologen Dr. Veit Krenn und den Orthopäden Dr. Achim König wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

    Ausführliche Fassung:
    Die rheumatoide Arthritis führt zur kompletten Zerstörung des Gelenkes, so dass ein künstlicher Ersatz nötig wird. Eine medikamentöse Therapie gibt es derzeit nicht. Mit der Ursache dieser Krankheit beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe am Pathologischen Institut der Universität Würzburg. Sie wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und besteht aus den Pathologen Dr. Veit Krenn und Prof. Dr. Hans Konrad Müller-Hermelink, der Diplom-Biochemikerin Margarida Souto Carneiro und dem Orthopäden Dr. Achim König.

    Bei gesunden Menschen ist die Gelenksinnenhaut eine zarte, transparente Gewebsschicht, welche die Ernährung des Gelenkknorpels gewährleistet. Hingegen hat sich bei Patienten mit rheumatoider Arthritis die Gelenksinnenhaut zu einer aggressiven Gewebsmasse entwickelt. Die Würzburger Wissenschaftler haben gezeigt, dass die zelluläre Zusammensetzung dieser Masse mit derjenigen eines Immunorganes, zum Beispiel eines Lymphknotens, zu vergleichen ist.

    Die Arbeitsgruppe fragt sich: Sind die Immunzellen in der aggressiven Masse tatsächlich vollwertig, können sie also die gleiche Funktion erfüllen wie normale Immunzellen in den Lymphknoten? Gegen welche Bestandteile des Gelenkes ziehen die Immunzellen zu Felde? Die Antworten auf diese Fragen könnten eine Grundlage für die Früherkennung und Therapie der rheumatoiden Arthritis bieten.

    Die Würzburger Forscher haben herausgefunden, dass die Immunzellen in der Gelenksinnenhaut in großen Gruppen angeordnet sind und eine Art Schulungsprozess durchlaufen, der mit einer Weiterbildung auf einer höheren Schule zu vergleichen ist: Aus dem Blut wandern noch unreife Immunzellen in die Gelenksinnenhaut ein und werden dort zu Immunzellen erzogen, die sich gegen das Gelenk richten und es zerstören. Dieser Befund ist laut Dr. Krenn neu, denn bisher habe man es für unwahrscheinlich gehalten, dass die Ausbildung der Immunzellen, die sich gegen den eigenen Körper richten, im Gelenk selbst stattfindet.

    Zur Beantwortung der Frage, gegen welche Bestandteile des Gelenks sich die immunologische Attacke richtet, haben die Wissenschaftler B-Lymphozyten - das sind Immunzellen, die Antikörper produzieren - aus der Gelenksinnenhaut ausgegliedert und unter Kulturbedingungen analysiert. Dabei konnten sie zeigen, dass die Antikörper in der Knorpelmatrix angreifen, einem wasser- und molekülreichen Bestandteil des Knorpels, der für dessen Stabilität entscheidend ist. Bei der Suche nach dem genauen Angriffsort charakterisierten die Wissenschaftler das "cartilaginäre oligomere Matrixprotein". Dieses Molekül ist seit etwa vier Jahren bekannt und für die mechanische Belastungsfähigkeit des Knorpels verantwortlich. Die Forscher ermittelten auch die Struktur, an welche die Antikörper auf diesem sehr großen Molekül binden. Da diese Bindungsstelle, das so genannte Knorpelantigen, für weitere Experimente von großer Bedeutung sein kann, wurde sie als Patent angemeldet.

    Was bringen diese Erkenntnisse den Erkrankten? Die Würzburger Forscher fanden heraus, dass im Blut von rheumatoiden Arthritispatienten ein spezieller Faktor nachzuweisen ist, und so kann in Zukunft möglicherweise über eine einfache Blutentnahme schon vor der Zerstörung des Gelenks abgeschätzt werden, ob eine immunologische Attacke vorliegt. Dann könnten die Ärzte frühzeitig eine Therapie einleiten, um die beginnende Gelenkszerstörung zu verhindern.

    Die Tatsache, dass die Arthritisforscher im Knorpel erstmals das Antigen der immunologischen Attacke charakterisiert haben, könnte auch die Grundlage für eine derzeit noch nicht etablierte Therapieform darstellen: Aus Experimenten mit Mäusen ist bekannt, dass das gleiche Antigen, das eine Autoimmunerkrankung verursacht, diese Erkrankung auch zum Erlöschen bringt. Das bedeutet für die rheumatoide Arthritis, dass das in Würzburg identifizierte Knorpelantigen im Rahmen einer Therapie eingesetzt werden könnte.

    Weitere Informationen: Dr. Veit Krenn, T (0931) 201-3792, Fax (0931) 201-3440, E-Mail:
    veit.krenn@mail.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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