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06.12.2007 17:51

Test der relativistischen Zeitdehnung durch Präzisions-Laserspektroskopie

Dr. Bernold Feuerstein Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Kernphysik

    Ein internationales Forscherteam hat am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik die nach der Speziellen Relativitätstheorie auftretende Zeitdehnung bewegter Objekte mit einer bisher unerreichten Präzision untersucht. Wie die Zeitschrift "Nature Physics" in der Dezember-Ausgabe berichtet, ist die Genauigkeit dieser Messung der Zeitdilatation auf ein Zwölfmillionstel gesteigert worden. Das Ergebnis stimmt mit der theoretischen Erwartung überein und stellt damit die genaueste Bestätigung des von Albert Einstein vorausgesagten Effekts dar.

    Schmalbandige Spektrallinien von Atomen gehören zu den präzisesten derzeit bekannten "Uhren", da sie mit Hilfe von Laserlichtquellen die Messung von Zeitdauern mit äußerster Genauigkeit ermöglichen. Verwendet man Atomstrahlen, kann man mit solchen schnell bewegten Uhren eines der erstaunlichsten Phänomene der Speziellen Relativitätstheorie beobachten: die Dehnung oder "Dilatation" der Zeit. Während dieser Effekt bei alltäglichen Geschwindigkeiten vernachlässigbar klein ist, wird er bei einigen Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu einer starken Gangabweichung, die durch die Frequenzmessung einer Spektrallinie der bewegten Atome beispiellos genau vermessen werden kann.

    Ein solches Experiment, dessen Grundprinzip schon 1907 - 2 Jahre nach der Vorhersage der Zeitdilatation - von Albert Einstein selbst vorgeschlagen worden war, wurde erst im Jahre 1938 von Ives und Stilwell durchgeführt. Ihnen gelang es, die Zeitdilatation zum ersten Mal nachzuweisen und auf 1% Genauigkeit zu messen.

    Heute gehört die Spezielle Relativitätstheorie zu den Eckpfeilern der modernen Physik. Sie beschreibt die lokale Struktur von Raum und Zeit und ist als solche Grundlage für die Beschreibung der vier fundamentalen Wechselwirkungen. Sowohl die Quantentheorien des Standardmodells einerseits, in denen die elektromagnetische, schwache, und starke Wechselwirkung beschrieben werden, als auch die Allgemeine Relativitätstheorie als Theorie der Gravitation andererseits, enthalten die Spezielle Relativitätstheorie. Trotz des ungeheuren Erfolges dieser Theorien gibt es aber weiter offene Fragen und Probleme. So ist eines der größten Ziele der theoretischen Physik, die Große Vereinheitlichung der vier Wechselwirkungen, bisher an der Unvereinbarkeit von Quantenphysik und Allgemeiner Relativitätstheorie gescheitert. Nahezu alle Versuche in diese Richtung basieren auf Modifikationen der bestehenden Theorien und sie erlauben insbesondere eine winzige Verletzung der Speziellen Relativitätstheorie, so dass deren experimentelle Beobachtung einen starken Hinweis auf Physik jenseits des Standardmodells und der Allgemeinen Relativitätstheorie geben könnte.

    Nun hat ein Forscherteam um Sascha Reinhardt und Dirk Schwalm vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik, Gerald Gwinner von der University of Manitoba, sowie Sergei Karpuk und Gerhard Huber von der Universität Mainz eine moderne Version des Ives-Stilwell Experiments durchgeführt. Beim derzeitigen Status des Experiments werden die Zeitintervalle einer bewegten Uhr fast im Prozent-Bereich - um 0,2% - gedehnt, da hierfür Li-Ionen verwendet werden, die sich mit bis zu 6,5% der Lichtgeschwindigkeit (fast 70 Millionen km/h) bewegen. Die einfach ionisierten Li-Atome haben eine grüne Spektrallinie (548 Nanometer), verursacht durch eine innere Schwingung dieses Li+-Ions mit ungefähr 0,55 Millionen Gigahertz. Um die interne Uhr dieser schnell bewegen Li+-Ionen durch Laserspektroskopie abzufragen, steht am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg als einzigartiges Hilfsmittel ein Speicherring für schnelle Ionenstrahlen zur Verfügung. Die Li+-Ionen werden hier über viele Sekunden festgehalten und dabei in einem weniger als 1 mm dünnen Strahl mit hoher Genauigkeit auf eine einheitliche Geschwindigkeit gebracht. Die mit Hilfe von Lasern abgefragte interne Zeit dieser bewegten Lithium-Atomuhren wird nun über einen Frequenzkammgenerator des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik mit der Zeit einer ruhenden Caesium-Atomuhr verglichen und so die Zeitdehnung gemessen.

    Wie die Zeitschrift "Nature Physics" in der Dezember-Ausgabe berichtet, ist die Genauigkeit dieser Messung der Zeitdilatation auf 1 in 12.000.000 gesteigert worden. Auch bei dieser Genauigkeit stimmt die gemessene Zeitdehnung mit der Vorhersage der Speziellen Relativitätstheorie überein. Sie stellt damit die genaueste Bestätigung des von Albert Einstein vorausgesagten Effekts dar. Um die Genauigkeit weiter zu steigern, ist es unerlässlich, die Geschwindigkeit der Uhren und damit die Zeitdehnung weiter zu steigern. Dazu wird derzeit eine vergleichbare Messung am Speicherring ESR der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt vorbereitet. Hier können die Lithium-Uhren bei 34% der Lichtgeschwindigkeit gespeichert werden, was zu einer Zeitdehnung von 6% führt. Erste Messungen lassen eine weitere etwa zehnfache Verbesserung der Messgenauigkeit erwarten, so dass die Spezielle Relativitätstheorie auf eine noch härtere Probe gestellt werden kann.

    Originalveröffentlichung:
    S. Reinhardt, G. Saathoff et al.
    Test of relativistic time dilation with fast optical atomic clocks at different velocities
    Nature Physics, 3, 861, 2007

    Kontakt:
    Dr. Sascha Reinhardt
    Max-Planck-Institut für Kernphysik
    Sascha.Reinhardt@mpi-hd.mpg.de

    Prof. Dr. Andreas Wolf
    Max-Planck-Institut für Kernphysik
    Andreas.Wolf@mpi-hd.mpg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.nature.com/nphys/journal/v3/n12/full/nphys778.html - Originalveröffentlichung
    http://prola.aps.org/abstract/PRL/v91/i19/e190403 - Frühere Arbeit: G. Saathoff et al., Phys. Rev. Lett. 91 (2003) 190403
    http://www.mpi-hd.mpg.de/ion-storage/Lorentz/relativity.html - Web-Projektdarstellung am MPIK
    http://www.physics.umanitoba.ca/~gwinner/pmwiki/pmwiki.php?n=Relativ.Public - Weiteres Material


    Bilder

    Der Heidelberger Testspeicherring für Schwerionen TSR
    Der Heidelberger Testspeicherring für Schwerionen TSR
    Foto: Max-Planck-Institut für Kernphysik
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    Sergei Karpuk (links) und Sascha Reinhardt bei Justagearbeiten am Lasersystem
    Sergei Karpuk (links) und Sascha Reinhardt bei Justagearbeiten am Lasersystem
    Foto: TSR Relativity Team (Sascha Reinhardt, Sergei Karpuk, Christian Novotny, Guido Saathoff)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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