idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
21.06.2001 11:41

Neues Screening-Verfahren für Arzneiwirkstoffe gegen Viren

Dr. Wolfgang Hirsch Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jena (21.06.01) Jenaer Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, um neue Substanzen auf ihre Wirksamkeit gegen Viren zu prüfen. Mit diesem schnellen, einfachen und kostengünstigen Screening-Verfahren wird eine hohe Anzahl von verschiedenen chemischen Verbindungen oder Naturstoff-Extrakten gleichzeitig in einem Arbeitsgang daraufhin getestet, inwieweit sie die zellzerstörende Kraft von Viren bremsen oder sogar verhindern können. Das Testverfahren liefert damit den entscheidenden Anfangshinweis, ob die Entwicklung eines neuen Medikaments Erfolg verspricht.

    "Die Suche nach antiviralen Wirkstoffen ist etwa so wie die sprichwörtliche Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen", erläutert Dr. Michaela Schmidtke im Institut für Virologie der Jenaer Universität. In den vergangenen drei Jahren hat ihre Forschergruppe mit dem neuen Test selbst über 6.000 Substanzen überprüft und ihn dabei so weit standardisiert, dass ihn jede Laborfachkraft nach kurzer Einweisung anwenden kann. Die "Trefferquote" liegt im "Normbereich": 0,1 Prozent der Ergebnisse fallen so vielversprechend aus, dass sich eine weitere Forschung lohnt. "Das ist mühsam, aber es gibt zur Zeit keine Alternative im Kampf gegen Viren, als immer wieder neue Wirkstoffe zu finden", so Schmidtke.

    Denn die elektronenmikroskopisch kleinen Krankheitserreger besitzen die gefährliche Eigenschaft, sich binnen weniger Generationen genetisch zu verändern - und dabei auch Resistenzen gegen medizinisch bewährte Therapien herauszubilden. "Das ist wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel", meint die Jenaer Virologin. Zum Beispiel taucht - statistisch gesehen - etwa alle 15 Jahre ein neues Grippe-Virus auf, gegen das der vorhandene Impfstoff nur wenig ausrichtet, zuletzt die "Hühnergrippe" in Hongkong. Mit dem neuen Jenaer Screening-Test könnten die "Hasen" ihre Arbeit erheblich beschleunigen.

    Auf einer herkömmlichen, etwa handtellergroßen Gewebekulturplatte legen die Wissenschaftler Zellkulturen in 60 klar abgegrenzten Proben an und überprüfen zunächst die Testsubstanzen selbst auf ihre zellgiftige Wirkung. "Wir arbeiten dann grundsätzlich nur mit Konzentrationen weiter, die das gesunde Gewebe nicht schädigen", erklärt Dr. Schmidtke, "denn ein Wirkstoff, der die Viren samt gesunden Körperzellen tötet, würde für dem Patienten mehr schaden als nützen." In einem zweiten Arbeitsschritt wird die Zellkulturplatte vorher mit Viren "beimpft", und schon nach 24 bis 48 Stunden verrät die Probe mit dem Standardindikator Kristallviolett, wie viele Zellen den tödlichen Virus-Angriff überlebt haben. Im Routine-Verfahren testen die Forscher Substanzen gegen Herpes-simplex-, Coxsackie- und Influenza-A-Viren, "weil diese drei wichtige genetische Reproduktionsprinzipien der Viren repräsentieren", so Schmidtke.

    Grundsätzlich ist der Jenaer Screening-Test leicht auf andere Erregerarten übertragbar, etwa auf Maul- und Klauenseuche-, Schnupfen- oder Masern-Viren. Schmidtke: "Voraussetzung ist allerdings, dass wir die Viren sehr gut kennen." Denn nur auf den "richtigen" Zellkulturen verläuft der Test so schnell, dass spätestens nach zwei Tagen ein aussagekräftiges Ergebnis vorliegt. Zum Beispiel Herpes-Viren gedeihen im Labor am besten auf künstlich gezüchteten Nierenzellen der Grünen Meerkatze, die lebensgefährlichen Coxsackie-Viren, die beim Menschen eine chronische Herzmuskelentzündung verursachen können, "bevorzugen" so genannte Hela-Zellen, das sind entartete Gebärmutterhalskrebs-Zellen.

    Aber selbst nach erfolgreicher Wirkstoffsuche ist der Weg bis zu einem zugelassenen Medikament immer noch sehr weit. Etwa zehn, zwölf Jahre dauert das, weiß Michaela Schmidtke, sofern sich überhaupt ein Pharmaunternehmen findet, das in einen neu herausgefundenen Wirkstoff investieren will. Die Entwicklung neuer Medikamente kostet üblicherweise mehrere Millionen Mark - und das schließlich ohne Erfolgsgarantie. Dass die Marktgesetze so manche wissenschaftliche Erkenntnis in die Schubladen verbannen, hat die Jenaer Virologin schon selbst mehrfach erfahren müssen.

    Ansprechpartnerin:
    Dr. Michaela Schmidtke
    Institut für Virologie der Universität Jena
    Tel.: 03641/657222, Fax: 657202
    E-Mail: i6scmi@rz.uni-jena.de

    Literatur: Journal of Virological Methods, 2001; 95 (1-2): 133-43

    Friedrich-Schiller-Universität
    Dr. Wolfgang Hirsch
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Fürstengraben 1
    D-07743 Jena
    Telefon: 03641 · 931030
    Telefax: 03641 · 931032
    E-Mail: roe@uni-jena.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).