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08.03.2011 12:05

Kommentierte Studie: Antidepressivum verbessert die Rehabilitation nach Schlaganfall

Frank A. Miltner Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie

    Das Antidepressivum Fluoxetin kann die Erholung von Schlaganfall-Patienten verbessern. Die Patienten werden beweglicher und damit auch eigenständiger. „Sollten sich diese Befunde in weiteren Untersuchungen erhärten, könnte diese Art der Behandlung eine neue Strategie darstellen, um die Folgen eines Schlaganfalls zu begrenzen“, kommentiert Professor Dr. med. Martin Grond von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Das wäre äußerst bemerkenswert, denn bisher ist das therapeutische Fenster für den Einsatz von Medikamenten auf wenige Stunden nach dem Insult begrenzt“, fügt der Chefarzt vom Kreisklinikum Siegen hinzu.

    Die in Lancet Neurology veröffentlichte Arbeit stammt von französischen Neurologen um Professor François Chollet von der Universitätsklinik Toulouse. In der bislang größten Studie ihrer Art hatten die Wissenschaftler 118 Betroffene mit schweren einseitigen Lähmungen untersucht, die nach dem Losprinzip zusätzlich zu einer Physiotherapie drei Monate lang entweder Fluoxetin oder ein Scheinmedikament erhalten hatten. In der abschließenden Bewertung hatten sich die Patienten unter dem Antidepressivum nicht nur motorisch verbessert, sondern lebten auch unabhängiger.

    Doppelte Wirkung von Fluoxetin?
    Antidepressiva wie Fluoxetin – ein Medikament aus der Klasse der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme Hemmer (SSRI) – werden in Deutschland schon jetzt häufig nach einem Schlaganfall verabreicht, um den zahlreichen Betroffenen zu helfen, die nach einem solchen Ereignis eine Depression entwickeln. Dadurch wird vermutlich auch die Bereitschaft für eine intensive Physiotherapie erhöht und es werden womöglich mit dieser Rehabilitationsmaßnahme bessere Ergebnisse erzielt, als dies ohne die Einnahme von Antidepressiva der Fall wäre.
    Allerdings betonen die französischen Wissenschaftler, dass die bessere Erholung ihrer Patienten höchstwahrscheinlich nicht allein der antidepressiven Wirkung von Fluoxetin zu verdanken ist. Rechnet man die Wirkung auf die Depression heraus, bleiben die positiven Effekte weiter bestehen. Die Wissenschaftler verweisen darüber hinaus auf Tierversuche und wissenschaftliche Untersuchungen am Menschen, wonach Fluoxetin u.a. die Entzündungsreaktion nach einer Durchblutungsstörung des Gehirns begrenzen kann und die Entstehung neuer Nervenzellen anrege. Dies könnte auch das Wiedererlernen durch den Schlaganfall verlorengegangener Hirnfunktionen positiv beeinflussen.

    Patienten sind beweglicher und unabhängiger
    In der Studie hatte eine Hälfte der Patienten das Antidepressivum erstmals fünf bis zehn Tage nach dem Schlaganfall erhalten und dann für weitere drei Monate eingenommen. Auf der 100 Punkte umfassenden Fugl-Meyer-Skala zur Bewertung der Beweglichkeit hatten diese Patienten sich anschließend um durchschnittlich 34 Punkte verbessert, in der Gruppe, die nur ein Scheinmedikament bekommen hatte, betrug die Verbesserung dagegen nur 24 Punkte. Auf der so genannten Rankin-Skala, die als Maß für die Unabhängigkeit der Patienten gilt, waren zum Ende der Studie ein Drittel der Studienteilnehmer mit Fluoxetin weitgehend selbstständig, aber nur jeder Neunte ohne die Arznei.

    Unter den zahlreichen Medikamenten mit antidepressiver Wirkung hatten Chollet und dessen Mitarbeiter Fluoxetin ausgewählt, weil das Patent für diesen Wirkstoff bereits abgelaufen und das Präparat somit vergleichsweise billig ist. Wegen seiner langjährigen Verfügbarkeit sind auch die Nebenwirkungen des Fluoxetins gut bekannt und es gilt als gut verträglich. Lediglich vorrübergehende Verdauungsstörungen waren in der aktuellen Studie unter den Fluoxetin-Empfängern häufiger gewesen als in der Placebo-Gruppe. Besser bekannt ist Fluoxetin als „Glückspille“. Vor allem in den USA war die Arznei unter dem Handelsnamen „Prozac“ oft leichtfertig zur Leistungssteigerung verschrieben worden und wurde daher vielfach als „Lifestyle-Droge“ kritisiert.

    Quelle:
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21216670
    Chollet F et al. Fluoxetine for motor recovery after acute ischaemic stroke (FLAME): a randomised placebo-controlled trial. Lancet Neurol. 2011 Feb;10(2):123-30. Epub 2011 Jan 7.

    Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
    Prof. Dr. med. Martin Grond
    3. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    Kreisklinikum Siegen gGmbH
    Chefarzt der Klinik für Neurologie
    Weidenauerstr. 76, 57076 Siegen
    Tel.: +49 271-705-1800
    Fax : +49 271-705-1804
    E-Mail: m.grond@kreisklinikum-siegen.de

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 6500 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist die Bundeshauptstadt Berlin.
    http://www.dgn.org

    1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Wolfgang Oertel
    2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Heinz Reichmann
    3. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Martin Grond
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter

    Geschäftsstelle
    Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin, Tel: +49 (0)30-531437930, E-Mail: info@dgn.org

    Ansprechpartner für die Medien
    Frank A. Miltner, Tel: +49 (0)89-461486-22, E-Mail: presse@dgn.org
    Pressesprecher der DGN: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen


    Weitere Informationen:

    http://dgn.org/pressemitteilungen.html - Hier finden Sie die Pressemitteilung


    Bilder

    Prof. Dr. med. Martin Grond, 3. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    Prof. Dr. med. Martin Grond, 3. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    DGN/D.Gust
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    Anhang
    attachment icon Prof. Dr. med. Martin Grond

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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