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09.03.2012 12:01

DGPPN: Versachlichung der Burnout-Debatte gefordert

Nicole Siller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)

    Das Thema Burnout beherrschte jüngst wochen- und monatelang die öffentliche Diskussion. Für die einen ist ein Burnout eine Modediagnose, für die anderen eine ernstzunehmende Erkrankung. In einem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) klärt die Fachgesellschaft auf und gibt Empfehlungen.

    Wie sehr die breite öffentliche Diskussion um das Thema Burnout und um schädliche psychosoziale Bedingungen unserer Arbeitswelt auch zu begrüßen ist, so sehr muss doch auch vor Missverständnissen und irreführenden Sichtweisen gewarnt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) schafft in einem Positionspapier aus medizinischer Sicht Klarheit. Das Papier wird am 7. März 2012 im Rahmen des 11. Hauptstadtsymposiums „Burnout – Der Preis für die Leistungsgesellschaft?“ der DGPPN in Kooperation mit der Stiftung Seelische Gesundheit der Öffentlichkeit vorgestellt. In ihrem Positionspapier warnt die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft vor einem unkritischen Gebrauch des Begriffs Burnout für quasi sämtliche psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsbelastung stehen. Diese allumfassende Anwendung des Begriffs hat zwar zu einem offeneren Umgang mit psychischen Erkrankungen geführt. Betroffenen fällt es erkennbar leichter, ohne Scham über ihre psychischen Erkrankungen zu sprechen. Aber oftmals wird Burnout mit der schweren und nicht selten lebensgefährlichen Krankheit der Depression gleichgestellt. Damit droht eine besorgniserregende Unter- oder Fehlversorgung der Betroffenen, heißt es in dem Positionspapier.

    Burnout ist – laut der Internationalen Klassifikation von Erkrankungen (ICD-10) – keine medizinische Diagnose. Auch in Zukunft wird Burnout bei der anstehenden Revision zur ICD-11 absehbar keine Krankheitsdiagnose sein. Burnout kommt lediglich im Anhang des ICD-10 vor, nämlich unter „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“. Dennoch hat Burnout für Diagnostik und Therapie eine mehrfache Bedeutung:

    • Das Erleben von Burnout kann ein Risikozustand sein, der zu Erkrankungen wie Depression, Alkoholmissbrauch, Angststörungen, chronisches Schmerzsyndrom, Tinnitus, Bluthochdruck oder chronische Infektionskrankheiten führen kann.
    • Andererseits kann das Erleben von Burnout auch Früh-Symptom oder Folge von Krankheiten wie beispielsweise Psychosen, Multiple Sklerose oder Tumorerkrankungen sein.

    Nur durch eine gründliche medizinische Untersuchung kann eine zugrundeliegende Krankheit erfasst und gezielt behandelt werden. Diese differenzierende Diagnostik ist bei erlebtem Burnout unbedingt notwendig, denn für alle diese zugrundeliegenden Krankheiten gibt es gesicherte störungsspezifische Therapien, die den Patienten nicht vorenthalten werden dürfen. Für Burnout, ohne gleichzeitig bestehende Erkrankung, gibt es keine nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin wirksam nachgewiesenen Therapien oder Prävention. Ist Burnout Auslöser einer psychischen oder somatischen Erkrankung sollte in der dann indizierten Therapie die Belastung am Arbeitsplatz noch stärker berücksichtigt werden.

    Die DGPPN fordert, dass „psychisch gesunde“ Arbeitsplätze mehr als bisher in die Verantwortung der Betriebe und Verwaltungen rückt. Dabei sollte die Position von Betriebsärzten gestärkt werden. Wie in den meisten anderen europäischen Ländern sollten auch in Deutschland gesetzliche Regelungen zum Schutz vor gesundheitsgefährdendem psychischem Stress erfolgen. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz müssen medizinischen Risiken von Lärm, Licht, Vibrationen oder Toxinen gleichgestellt sein. Dies könnte aus Sicht der DGPPN verhindern, dass das sogenannte Burnout-Problem vornehmlich auf das Gesundheitssystem abgeschoben wird. Hier besteht in Deutschland erheblicher Nachholbedarf.

    In der medizinischen Forschung ist der Risikofaktor „psychisch ungesunder Arbeitsplatz“ bisher kaum untersucht. Das Thema „Psychische Krankheit und Arbeitsplatz" muss auch Gegenstand einer breit angelegten wissenschaftlichen Forschungsinitiative der Bundesregierung werden.

    Das vollständige Positionspapier ist auf der Homepage der DGPPN abrufbar unter: http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/download/pdf/stellungnahmen/20...

    Kontakt:
    Prof. Dr. med. Peter Falkai
    Präsident DGPPN
    Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
    Universitätsklinikum Göttingen
    von-Siebold-Str. 5
    37075 Göttingen
    Tel.: 0551-396601
    Fax: 0551-3922798
    E-Mail: pfalkai@gwdg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik, Psychologie, Wirtschaft
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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