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13.02.2003 09:56

Blauweiße Creme-Geschichten: Nivea, Florena und Co.

Monika Paschwitz Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Historiker der Universität Jena schreibt Kulturgeschichte der Produktkommunikation in Ost und West

    Jena (13.02.03) "Florena", die Nivea des Ostens? Den Produzenten im sächsischen Waldheim wurde geistloses Imitieren vorgeworfen, als sie 1960 die Universalcreme "Florena" im blauweißen Blechdosengewand auf den sozialistischen "Markt" brachten. "Die Hersteller hatten damals jedoch keine Wahl bei der Gestaltung ihrer Creme", verteidigt Dr. Rainer Gries die damalige Strategie. Der Historiker der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellte bei seinen Forschungen zur Kulturgeschichte der Produktkommunikation in Ost- und Westdeutschland fest, dass ein anderes Design von der Bevölkerung nicht akzeptiert worden wäre. Seit der Einführung der westdeutschen Schwester "Nivea" im Jahr 1925 kamen und kommen cremeweiße universale Hautschützer eben im blauen Gewand daher. "Der blauweiße Produktarchetyp ist spätestens seit Anfang der dreißiger Jahre fest in den Köpfen der Käufer verankert", sagt Gries. "Penaten", "Elasan", "Florena" sind alles Kapitel der blauweißen Cremegeschichte. Diese und andere Geschichten der Produktkommunikation hat der Jenaer Wissenschaftler in dem Buch: "Produkte als Medien" zusammengetragen, das soeben im Leipziger Universitätsverlag erschienen ist.

    "Produkte erzählen Geschichten und machen damit Geschichte", erklärt Gries. Seit der Einführung der Selbstbedienung in den 50er Jahren mussten die Markenwaren im Regal unmittelbar mit dem Käufer Kontakt aufnehmen. Dieser entscheidet durch sein Kaufverhalten, ob er den Werbestrategen die Produkt-Story "abkauft". "Über den Kauf hinaus schreiben die Konsumenten an der Produktgeschichte fleißig mit", sagt der Historiker und zitiert ein Beispiel aus der frühen Bundesrepublik. Da schrieben die Verbraucher persönliche Briefe an "ihre Nivea" in Hamburg und berichteten, wie und warum sie die Creme so gerne benutzten. Die Werbestrategen wiederum nutzten die Kundenbriefe als Grundlage für ihre Kampagnen. Über zwei Jahrzehnte gab die "Nivea" so ihren Verwendern die eigene Geschichte zurück. Die Anzeigen erzählen von einer Creme, die die Familie zum Beispiel auf die Fahrradtour oder an den Strand mitnimmt. Auch ihr ostdeutsches Pendant "Florena" setzt in Anzeigen auf das bewährte Bildprogramm der Familiencreme.

    "Produktbiographien sind eng mit unseren menschlichen Biographien verwoben, denn wir sind mit den Markenwaren groß geworden und sie haben sich mit und an uns entwickelt", erklärt Gries. Mit seinem kulturwissenschaftlichen Ansatz erschließt er die Facetten von Produktkommunikationen für die Geschichtswissenschaft. So avancierte die Marke "Florena" beispielsweise nach der Wende zum Identifikationsangebot für die Bürger in den neuen Bundesländern. Noch 1961 war "Nivea"-Hersteller Beiersdorf gegen die blau-weiße Aufmachung der "Nivea des Ostens" vor Gericht gezogen. Heute, nachdem der Konzern die ostdeutsche Marke übernommen hat, hütet er sich, die immer noch erfolgreiche Traditionsmarke aus den Regalen zu nehmen. In seiner buchgewordenen Habilitationsschrift entwickelt Dr. Rainer Gries ein neuartiges "dreidimensionales Modell der Produktkommunikation". In dessen Mitte steht das Produkt selbst, beispielsweise die weiße Universalcreme. Darum rankt sich die "blauweiße" Aura der Anmutungen, die von Herstellern und Konsumenten gemeinsam "produziert" wird. Im Falle der "Nivea" und der "Florena" gehören dazu die Begriffe Schutz, Geborgenheit, vor allem aber Sicherheit.

    Rezensionsexemplare des soeben erschienen Buches von Rainer Gries: "Produkte als Medien. Kulturgeschichte der Produktkommunikation in der Bundesrepublik und der DDR" (Leipzig 2003; 64 überwiegend farbige Abbildungen; 40 Euro; ISBN 3-935693-96-6) können beim Leipziger Universitätsverlag unter der Telefon- und Faxnummer: 0341 / 9900440 bestellt werden.

    Kontakt:
    PD Dr. Rainer Gries
    Historisches Institut der Universität Jena
    Fürstengraben 13, 07743 Jena
    Tel.: 03643 / 401539 oder 03641 / 944450
    E-Mail: rainer.gries@t-online.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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