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25.01.2016 21:00

Klimawandel: unterschätzte Ozeanerwärmung

Johannes Seiler Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Bei der Erforschung der Folgen des Klimawandels wurde bislang unterschätzt, wie stark der Meeresspiegel ansteigt, indem sich das Wasser in den Ozeanen durch zunehmende Erwärmung ausdehnt. Ein Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn hat nun anhand von Satellitendaten berechnet, dass dieser Effekt in den vergangenen zwölf Jahren fast doppelt so stark war wie bislang angenommen. Damit könnte zum Beispiel das Risiko für Sturmfluten deutlich ansteigen. Die Wissenschaftler stellen ihre Ergebnisse im renommierten Fachjournal "PNAS" vor. ACHTUNG SPERRFRIST: Nicht vor Montag, 25. Januar, 21 Uhr MEZ veröffentlichen!

    Im Prinzip reagiert das Wasser in den Ozeanen wie ein Quecksilber-Thermometer: Wenn die Temperatur zunimmt, dehnt sich die Flüssigkeit aus und steigt in dem Röhrchen empor. Da die Weltmeere ebenfalls zwischen den Kontinenten eingezwängt sind, steigt auch ihr Spiegel an, wenn sie sich durch den Klimawandel aufheizen. „In den besonders tiefen Ozeanregionen reicht bereits eine kleine Erwärmung aus, um einen deutlichen Meeresspiegelanstieg hervorzurufen“, sagt Dr.-Ing. Roelof Rietbroek vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn. Ein Anstieg von mehreren Millimetern jährlich sei in Tiefseezonen keine Seltenheit.

    „Bislang wurde unterschätzt, wie stark die wärmebedingte Ausdehnung der Wassermassen in den Ozeanen zum globalen Meeresspiegelanstieg beiträgt“, sagt Dr. Jürgen Kusche, Professor für Astronomische, Physikalische und Mathematische Geodäsie an der Bonner Universität. Zusammen mit Wissenschaftlern des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam und des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven berechneten die Geodäten aus den Erdschwerefelddaten der GRACE-Satelliten und den Meereshöhenmessungen des Altimeters von Jason-1 und Jason-2, wie stark der Meeresspiegelanstieg durch sowohl die erwärmungsbedingte Ausdehnung des Wassers als auch die Massenzunahme in den Ozean in den Jahren von 2002 bis 2014 war.

    Effekt ist doppelt so groß wie die schmelzenden Eismassen Grönlands

    Bislang wurde davon ausgegangen, dass der Meeresspiegel durch diesen „Thermometereffekt“ jährlich im Schnitt um 0,7 bis 1,0 Millimeter anstieg. Nach den neuen Berechnungen betrug der Meerespiegelanteil durch Ausdehnung etwa 1,4 Millimeter pro Jahr – also fast doppelt so viel wie zuvor angenommen. „Dieser Höhenunterschied entspricht in etwa dem Doppelten des abschmelzenden grönländischen Eisschildes“, sagt Dr. Rietbroek.

    Außerdem variiert der Meeresspiegelzuwachs durch die Volumenausdehnung in den verschiedenen Ozeanregionen und durch andere Effekte sehr stark. Nach den Auswertungen des Forscherteams halten die Philippinen mit rund 15 Millimeter jährlich den Rekord, während an der Westküste der USA weitgehend Stillstand herrscht – weil es dort zu kaum einer Meerwassererwärmung kommt.

    Risiko von Sturmfluten könnte deutlich ansteigen

    Vom Meeresspiegelanstieg bedroht sind vor allem Siedlungen in Küstennähe, wo die regionalen Änderungen eine größere Rolle spielen können als der globale Anstieg. „Wegen ein paar Millimeter mehr wird kein Land seine Deiche höher bauen“, sagt Dr. Rietbroek. „Allerdings summieren sich diese kleinen Beträge in Jahrzehnten zu etlichen Zentimetern. Die Wahrscheinlichkeit einer zerstörerischen Sturmflut könnte damit drastisch zunehmen.“ Deshalb lohnt es sich aus Sicht des Wissenschaftlerteams, den ausdehnungsbedingten Wasserspiegelanstieg in den Weltmeeren hinsichtlich des Klimawandels im Auge zu behalten. Es gebe nur wenige Messdaten darüber, wie stark sich die Ozeane bei steigenden globalen Lufttemperaturen in Tausenden Metern Tiefe erwärmen und ausdehnen.

    „Die physikalischen Ausdehnungsprozesse in der Tiefsee sind bisher nur mangelhaft berücksichtigt“, sagt der Geodät der Universität Bonn. Sie spielten aber bei der Abschätzung der Klimafolgen eine entscheidende Rolle. Deshalb sei es hochinteressant, die wärmebedingte Ausdehnung der Weltmeere auch mit künftigen Satellitenmissionen zu beobachten und auch Messdaten aus der Vergangenheit zu erschließen. Damit ließe sich mehr darüber erfahren, zu welchem Teil der Anstieg des Höhenniveaus der Ozeane auf menschenbedingte und welcher Anteil auf natürliche Ursachen zurückzuführen ist. Dr. Rietbroek: „Außerdem ist der Anstieg des Meeresspiegels weit weniger durch natürliche Schwankungen überlagert als der Anstieg der globalen Temperaturen, und damit ein verlässlicherer Indikator des Klimawandels.“

    Publikation: Revisiting the Contemporary Sea Level Budget on Global and Regional Scales, Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.1519132113

    Kontakt für die Medien:

    Dr.-Ing. Roelof Rietbroek
    Institut für Geodäsie und Geoinformation
    Universität Bonn
    Tel. 0228/733577
    E-Mail: roelof@geod.uni-bonn.de
    Twitter: @r_rietje


    Weitere Informationen:

    http://store.pangaea.de/Publications/RietbroekR-etal_2015/Sealevel_pnasRietbroek... Mit Google Earth-Zugang lassen sich auch einige Ergebnisse in Kartenform abrufen


    Bilder

    Dr.-Ing. Roelof Rietbroek vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn mit einer globalen Darstellung des Meeresspiegelanstiegs am Computer-Bildschirm.
    Dr.-Ing. Roelof Rietbroek vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn mit eine ...
    © Foto: Johannes Seiler/Uni Bonn
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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