idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.11.2016 09:43

Neue Erkenntnisse über wesentlichen Faktor des Bienensterbens, das Flügeldeformationsvirus

Mag.rer.nat Georg Mair Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien

    Seit einigen Jahren treten in Europa und Nordamerika massive Verluste von Honigbienenvölkern vor und während der Überwinterung auf. Die Varroamilbe und das Flügeldeformationsvirus konnten als Hauptfaktoren für das bedenkliche Bienensterben nachgewiesen werden. Mit der Erzeugung künstlichen Erbguts des Virus gelang es Forschenden der Vetmeduni Vienna nun erstmals, Krankheitsverlauf und Symptome der sogenannten Milbenkrankheit ohne die Milben im Labor nachzustellen und die Virusvermehrung zu studieren. Dies ermöglicht nun die überlegte Entwicklung neuer Strategien, um die Bienenpopulation zukünftig zu schützen. Die Ergebnisse wurden im Journal PLOS ONE veröffentlicht.

    Die Honigbiene Apis mellifera ist neben ihrer Bedeutung für die Honig- und Wachsproduktion ein wichtiger Bestäuber von Obst- und Gemüsepflanzen. Verluste von ganzen Bienenvölkern während der Überwinterung haben neben wirtschaftlichen vor allem ökologische Konsequenzen, da im Frühjahr zur Blütezeit die Bestäuber fehlen. Besonders die Bienenzuchten Nordamerikas und Europas sind seit einigen Jahren von teils massiven Verlusten betroffen. Alleine in den Wintermonaten 2014/2015 starben regional in Österreich bis zu fünfzig Prozent aller Bienenvölker ab.
    Hauptauslöser dieses Bienensterbens scheint dabei nicht, wie bisher vermutet, der Pestizideinsatz in der modernen Landwirtschaft zu sein. Viele Studien konnten zeigen, dass ein Überleben der Bienenvölker maßgeblich von der Belastung durch die Varroamilbe, einen blutsaugenden Parasiten, und der durch diese Milbe verursachten Infektionen mit dem Flügeldeformationsvirus abhängt. Einer Forschungsgruppe des Instituts für Virologie der Vetmeduni Vienna gelang nun durch ein neues Versuchssystem ein entscheidender Schritt zur Erforschung des Virus. Sie stellten mithilfe eines molekularen Klons des Erregers erstmals den Krankheitsverlauf gezielt unter Laborbedingungen nach.

    Künstliches virales Erbgut enthüllt Krankheitsverlauf von Bienenvirus

    Bislang verwendete man für Versuche ausschließlich Proben des Flügeldeformationsvirus, die aus infizierten Bienen gewonnen wurden. „Misch- und Mehrfachinfektionen können das Ergebnis solcher Versuche allerdings verfälschen“, weiß Erstautor Benjamin Lamp. Für die Entwicklung des neuen Versuchssystems verwendeten die Forschenden künstlich hergestelltes Erbgut anstatt natürlicher Proben des Flügeldeformationsvirus, um den Krankheitsverlauf eindeutig dem Virus zuzuordnen.
    „Zuerst wird das Erbgut eines Virus vervielfältigt und in einem Vektor, einem speziellen Transportvehikel, als Kopie gespeichert. Dieser sogenannte molekulare Klon erlaubt die Erzeugung künstlicher, stets identischer Klonviren“, erklärt Lamp. Die mit dem künstlichen Virus infizierten Insekten zeigten die gleichen Symptome wie Verfärbungen, Zwergenwuchs, Tod oder eben die namensgebenden Missbildungen der Flügel, wie sie auch bei einer natürlichen Infektion mit dem Flügeldeformationsvirus auftreten. Damit konnte erstmals eindeutig gezeigt werden, dass diese Krankheitssymptome alleine durch das Flügeldeformationsvirus verursacht werden.

    Nachweis des Flügeldeformationsvirus in Drüsengeweben

    Neben der Infektion mit der viralen RNS unter kontrollierten Laborbedingungen konnte auch ein unverfälschtes Bild des Krankheitsverlaufes gezeigt werden. Im Versuch wurden außer voll entwickelten Bienen auch Larven und Puppen mit dem künstlichen Erbgut des Virus infiziert. Im verpuppten Stadium analysierten Lamp und sein Team das Zielgewebe und die Wirtszellen, also die Zellen, die das Virus bevorzugt befällt.
    Virale Antigene, die spezifischen Eiweißmoleküle des Flügeldeformationsvirus, wurden in allen Körperregionen gefunden. Besonders betroffen waren allerdings Nerven-, Drüsen- und Bindegewebszellen. „Der hohe Anteil an viralen Eiweißen, den Antigenen, in den Drüsen könnte auch ein Hinweis auf eine orale Übertragung des Virus von Biene zu Biene im Stock sein“, erklärt Letztautor Professor Till Rümenapf, Leiter des Instituts für Virologie der Vetmeduni Vienna. Dies würde erklären, warum das Virus auch ohne Übertragung durch die Varroamilbe in den Bienenstöcken erhalten bleibt. In Muskel- und Blutzellen konnten dagegen keine viralen Proteine nachgewiesen werden.

    Die neue Methode kann vielfältig angewendet werden

    Mit dem molekularen Klon können verschiedene Aspekte einer Infektion im Labor gezielt nachgestellt, verändert und erforscht werden. Das betrifft die Übertragung durch die Varroamilbe, den Infektionsverlauf und die Vermehrung des Virus in den unterschiedlichen Entwicklungsstadien und Körperzellen der Honigbiene. Durch kontrollierte Versuchsbedingungen können neue Strategien entwickelt werden, um die Verluste von Bienenvölkern durch das Virus effektiv zu reduzieren.
    Auch wenn im beschriebenen Versuch gezielt mit nur einem Virusstamm gearbeitet wurde, kann die Methode auch für andere Virusstämme genutzt werden. „Häufig ist eine Biene nicht nur von einer Virusspezies befallen. Mit dem Versuchssystem kann nun festgestellt werden, welche Viren besonders viel Schaden anrichten und wie sich die Viren in Mischinfektionen verhalten“, erklärt Lamp. „Damit lassen sich gezielte Strategien gegen krankmachende Viren ausarbeiten.“

    Über das Flügeldeformationsvirus

    Das Flügeldeformationsvirus, Englisch „deformed wing virus“ und kurz DWV genannt, gehört zur Familie der Iflaviren. Diese Viren sind sogenannte RNS-Viren und haben als Erbgut nur einen Ribonukleotid-Einzelstrang, im Gegensatz zu der bei Säugetieren üblichen doppelsträngigen DNS. Infektionen mit dem Flügeldeformationsvirus sind zumeist, aber nicht ausschließlich, an den Befall eines Stocks mit der Varroamilbe gekoppelt. „Das Virus kann auch nachgewiesen werden, wenn keine Parasiten im Stock sind“, erklärt Benjamin Lamp.

    Service:
    Der Artikel „Construction and Rescue of a Molecular Clone of Deformed Wing Virus (DWV)“ von Benjamin Lamp, Angelika Url, Kerstin Seitz, Jürgen Eichhorn, Christiane Riedel, Leonie Janina Sinn, Stanislav Indik, Hemma Köglberger und Till Rümenapf wurde in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht.
    http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0164639

    Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
    Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna. http://www.vetmeduni.ac.at

    Wissenschaftlicher Kontakt:
    Dr.med.vet. Benjamin Lamp, PhD
    Institut für Virologie
    Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
    T +43 1 25077-2709
    benjamin.lamp@vetmeduni.ac.at

    Aussender:
    Mag.rer.nat. Georg Mair
    Wissenschaftskommunikation / Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
    Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
    T +43 1 25077-1165
    georg.mair@vetmeduni.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinformatione...


    Bilder

    Starke und gesunde Bienenvölker können Imker nur nach Behandlungen gegen die Varroamilbe einwintern.
    Starke und gesunde Bienenvölker können Imker nur nach Behandlungen gegen die Varroamilbe einwintern. ...
    Benjamin Lamp/Vetmeduni Vienna
    None

    Die massiven Bienenvölkerverluste werden großteils durch die Varroamilbe und das Flügeldeformationsvirus verursacht.
    Die massiven Bienenvölkerverluste werden großteils durch die Varroamilbe und das Flügeldeformationsv ...
    Benjamin Lamp/Vetmeduni Vienna
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).