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Leben und Wirken Gutenbergs sind im Kontext von Reformbemühungen, Bildungsaufbruch und Universitätsgründung zu sehen
550 Jahre nach dem Tod des genialen Erfinders und berühmtesten Sohns der Stadt Mainz erinnern im Jahre 2018 zahlreiche Veranstaltungen an Johannes Gutenberg, seine Zeit und die weitreichenden Folgen seiner Erfindung. Im Vorfeld der Tagung „Reviewing Gutenberg. Historische Kontexte und Rezeptionen“ plädiert der Mainzer Historiker Prof. Dr. Michael Matheus dafür, die Forschungen zu Gutenberg und den frühen Inkunabeln im Kontext des Mainzer Universitätsgründungsprozesses zu diskutieren. „Zudem müssen die Forschungsarbeiten in den Zusammenhang mit weitreichenden Reformbemühungen und einem beeindruckenden, als Bildungsaufbruch zu deutenden Prozess gestellt werden“, fordert Matheus, Professor für Mittlere und Neuere Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). An diesen Bemühungen um bessere Bildungschancen waren in Mainz und am Mittelrhein viele, teilweise in diesem Zusammenhang bisher wenig beachtete Personen beteiligt, unter ihnen der bedeutende Theologe Gabriel Biel, dessen Schriften den Reformator Martin Luther nachhaltig beeinflussten. In Abwandlung des bekannten Diktums „ohne Buchdruck keine Reformation“ formuliert Matheus als zugespitztes Statement „ohne Bildungsaufbruch keine Reformation“.
Ein Element dieses Bildungsaufbruchs stellt die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts wachsende Zahl von Universitäten im Reich dar. Seit 1974 ist bekannt, dass bereits im Jahre 1467, zehn Jahre vor der Eröffnung der Hohen Schule in Mainz im Jahre 1477, die päpstliche Genehmigung zur Gründung dieser Universität erteilt wurde. „Die bisherige Annahme, dieses Gründungsprojekt sei noch nicht recht durchdacht und von eher handstreichartigem Charakter gewesen, ist zu revidieren“, erklärt Matheus. Der Neufund einer von Papst Paul II. am 13. März 1469 genehmigten Bittschrift im Vatikanischen Geheimarchiv zeigt, dass noch zu diesem Zeitpunkt an dem Plan einer Hochschulgründung festgehalten wurde. An der neuen Hohen Schule sollten 21 aus kirchlichen Mitteln finanzierte Professuren etabliert werden, eine für die damalige Zeit bemerkenswert umfangreiche Erstausstattung.
Tatsächlich stellt sich die Gründungsgeschichte der Mainzer Universität nun als ein in Mainz und Rom sehr viel länger dauernder Beratungs- und Aushandlungsprozess mit unterschiedlichen Etappen dar, als bisher angenommen. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die letzten Lebensjahre Gutenbergs in neuem Licht. Gutenberg wurde im Jahre 1465 angesichts seiner Verdienste zum erzbischöflichen Diener und Hofmann ernannt und betrieb auf der Grundlage einer Geschäftsbeziehung zu dem bedeutenden Mainzer Intellektuellen und promovierten Juristen Konrad Humery bis zu seinem Tode eine Druckerei. Die wirtschaftliche Grundlage Gutenbergs war folglich gesichert, und die gängige Vorstellung, der Erfinder der Druckkunst sei aufgrund eines verlorenen Prozesses gegen Heinrich Fust als armer Mann gestorben, ist nicht haltbar. Offenbar bemühte sich der Mainzer Erzbischof Adolf von Nassau im Kontext seiner Universitätsgründungspläne erfolgreich darum, mit Gutenberg und Humery ehemalige Gegner in einem Befriedungsversuch auf seine Seite zu ziehen.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine weitere Annahme plausibel: Mit der von Gutenberg bis zu seinem Tode betriebenen Offizin wurde versucht, angesichts der zu erwartenden Eröffnung der Hohen Schule eine Druckerei in Mainz zu etablieren, die auch der Universität von Nutzen sein konnte. Die Offizin sollte entsprechend einer Übereinkunft aus dem Jahre 1468 auch nach Gutenbergs Tode in Mainz verbleiben, und befand sich möglicherweise in jenem umfangreichen Hofkomplex „Zum Algesheimer“, in dem Gutenberg wahrscheinlich verstarb. Der im erzbischöflichen Besitz befindliche Hof war wohl schon damals als Universitätsgebäude vorgesehen. Zusammen mit dem als Geburtshaus Gutenbergs anzusprechenden Komplex „Zum Gutenberg“ stand er seit der Eröffnung im Jahre 1477 der Mainzer Universität nachweislich zur Verfügung. „Aus der Perspektive des skizzierten Zusammenhangs von Universitätsgründungsprojekt und frühem Buchdruck erscheint die Tatsache, dass die Mainzer Universität den Namen des berühmtesten Sohnes der Stadt trägt, in einem neuen Licht: Der aktuell beschworene ‚Gutenberg-Spirit‘ und damit das derzeitige Leitbild der Hohen Schule erhalten eine neue Facette historischer Fundierung“, fasst Matheus die aktuellen Kenntnisse zusammen.
Die Tagung „Reviewing Gutenberg. Historische Kontexte und Rezeptionen“ findet am Freitag, 23. Februar, und Samstag, 24. Februar 2018 im Gutenberg-Museum Mainz, Liebfrauenplatz 5, 55116 Mainz statt. Sie wird veranstaltet vom Arbeitsbereich Mittlere und Neuere Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte am Historischen Seminar der JGU und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. (IGL). Die Tagung ist öffentlich, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Kontakt:
Prof. Dr. Michael Matheus
Mittlere und Neuere Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte
Historisches Seminar
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-22265
Fax +49 6131 39-23984
E-Mail: matheus@uni-mainz.de
http://www.geschichte.uni-mainz.de/MittelalterLandesgeschichte/137.php
Weiterführende Links:
http://www.geschichte.uni-mainz.de/MittelalterLandesgeschichte/640.php - Tagung „Reviewing Gutenberg. Historische Kontexte und Rezeptionen“
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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