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13.07.2018 14:12

Erderwärmung doppelt so hoch wie vorhergesagt

Sabine Ranke-Heinemann Pressestelle
Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund / Institut Ranke-Heinemann

    Die neue Studie eines internationalen Forscherteams, unter anderen der University of New South Wales in Sydney, kommt anhand der Untersuchung vergangener Wärmeperioden zu dem Ergebnis, dass die Erderwärmung unter Umständen doppelt so hoch sein wird, wie bisher vorhergesagt. Die Wissenschaftler kritisieren, dass in aktuellen Klimamodellen die Langzeitfolgen für unseren Planeten nicht ausreichend betrachtet werden. Sofortiges Handeln ist unerläßlich, um tiefgreifende Veränderungen unserer Welt zu verhindern.

    Die bisherigen Klimamodelle haben die Erderwärmung nicht korrekt vorhergesagt. Die Klimaerwärmung könnte laut einem Forscherteam aus siebzehn Ländern, darunter aus Australien, doppelt so hoch ausfallen, und der Anstieg des Meeresspiegels könnte sechs Meter oder sogar noch mehr betragen, selbst wenn das 2°C-Ziel erreicht wird.

    Die Erkenntnisse wurden vergangene Woche in Nature Geoscience veröffentlicht und basieren auf Beobachtungen von drei Wärmeperioden in den vergangenen 3,5 Millionen Jahren. Zu der Zeit war es auf der Welt 0,5°C - 2°C wärmer, als während der präindustriellen Temperaturen des 19. Jahrhunderts. Die Forschungsergebnisse enthüllen ausserdem, dass große Teile der polaren Eiskappen kollabieren und signifikante Veränderungen des Ökosystems auftreten können: Die Sahara könnte plötzlich grün und die tropischen Regenwälder zu Savannen werden.

    „Beobachtungen der vergangenen Wärmeperioden legen nahe, dass es einige verstärkende Mechanismen gibt, die in den Klimamodellen nur unzureichend dargestellt werden. Diese Mechanismen erhöhen die langfristige Klimaerwärmung mehr, als aktuelle Klimamodelle vorhersagen," so der leitende Autor Prof Hubertus Fischer von der Universität Bern. „Das legt nahe, dass die CO2-Billanz noch deutlich geringer sein muss, als bisher vorhergesagt. Es bedeutet auch, dass es nur einen geringen Spielraum für Fehler geben kann, um die Pariser Ziele zu erreichen."

    Um ihre Forschungsergebnisse zu gewinnen, verglichen die Wissenschaftler die drei am besten dokumentierten Wärmeperioden: das holozäne Wärmemaximum (vor 5000-9000 Jahren), die letzte Zwischeneiszeit (vor 129000 - 116000 Jahren) und die mittlere pilozäne Wärmeperiode (vor 3,3-3 Millionen Jahren). Die Erwärmung der ersten beiden Wärmeperioden ergab sich aus vorhersehbaren Veränderungen in der Erdumlaufbahn. Die mittlere pilozäne Wärmeperiode entstand jedoch, da die atmosphärische Kohlenstoffdioxidkonzentration bei 340-450ppm lag - in etwa so wie heute.

    Durch die Kombination einer Vielzahl von Messungen von Eiskernen, Sedimentschichten und Fossilberichten, durch die Datierung anhand von Atomisotopen und durch eine große Bandbreite anderer bewährter Paläoklima-Methoden konnten die Wissenschaftler das Puzzle des Einflusses der Klimaveränderungen zusammensetzen. Kombiniert betrachtet, geben die vergangenen Perioden einen nachweislichen Hinweis darauf, wie eine wärmere Erde aussehen wird, sobald sich das Klima wieder stabilisiert hat. Im Gegensatz dazu, erwärmt sich jedoch unser Planet heute sehr viel schneller, als in einer der vorherigen Perioden.

    Schuld daran ist der vom Mensch verursachte CO2-Austoß, der stetig zunimmt. Selbst wenn wir unsere Emissionen von heute an stoppen würden, würde es Jahrhunderte bis Jahrtausende benötigen, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Die Veränderungen, die die Erde unter den vergangenen Bedingungen erfahren hat, waren tiefgreifend – die antarktische und die grönländische Eisplatte haben sich substanziell zurückgezogen, und als Konsequenz ist der Meeresspiegel um mindestens sechs Meter angestiegen; Meeresplankton-Bereiche haben sich verlagert und damit ganze Marineökosysteme zur Neuordnung gezwungen; Die Sahara - wie auch die Tundra - wurde grüner und ganze Wälder sind 200km in die Richtung der Pole gewandert; Höhenarten sind zurückgegangen, gemäßigte tropische Regenwälder wurden reduziert und in mediterranen Arealen hat die Feuer-überstehende Pflanzenwelt dominiert.

    „Selbst mit nur 2°C Erwärmung – und wahrscheinlich sogar mit nur 1,5°C – sind die signifikanten Einflüsse auf das Erdsystem tiefgreifend," so Co-Autor Prof Alan Mix von der Oregon State University. „Wir können davon ausgehen, dass der Anstieg des Meeresspiegels für Jahrtausende unaufhaltsam wird. Das wirkt sich auf einen Großteil der Weltpopulation, die Infrastruktur und auf die wirtschaftliche Aktivität aus."

    Bis heute sind diese signifikanten beobachteten Veränderungen weitestgehend unterschätzt in Klimamodellvorhersagen, die sich nur mit der nahen Zukunft beschäftigen. Verglichen mit den Beobachtungen der Vergangenheit, scheinen Klimamodelle die Langzeitauswirkungen der Erderwärmung und die Verstärkung der Wärme in den Polarregionen zu unterschätzen.

    „Klimamodelle sind zuverlässig, was die kleineren Veränderungen, wie beispielsweise für geringe Emissionsszenarien, und über einen kurzen Zeitraum, wie etwa in den nächsten Jahrzehnten bis 2100, angeht. Aber da die Veränderungen größer und hartnäckiger werden, entweder wegen der steigenden Emissionen, wie beispielsweise im Business-as-usual-Szenario, oder weil wir daran glauben, mit etwas geringeren Emissionen die Welt retten zu können, werden die Klimaveränderungen unterschätzt," so Co-Autor Prof Katrin Meissner, Direktorin am University of New South Wales Climate Change Research Centre.

    „Diese Forschungsergebnisse liefern einen wichtigen Aufruf zur sofortigen Handlung. Sie sagen uns, dass, wenn heutige Staatsoberhäupter sich nicht um unsere Emissionen kümmern, die Erderwärmung tiefgreifende Veränderungen für unseren Planeten und die Art und Weise, wie wir leben, bringen wird. Das gilt nicht nur für dieses Jahrhundert, sondern weit darüber hinaus."

    Paper: Fischer, H., Meissner, K.J., Mix, A.C., et al.: Palaeoclimate constraints on the impact of 2 °C anthropogenic warming and beyond. Nature Geoscience, 25 June 2018 (in press). https://doi.org/10.1038/s41561-018-0146-0

    Weitere Informationen:

    Institut Ranke-Heinemann / Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund
    Pressestelle Friedrichstr. 95
    10117 Berlin
    Email: berlin(at)ranke-heinemann.de
    Tel.: 030-20 96 29 593

    oder:

    Alvin Stone
    Centre of Excellence for Climate Extremes
    Email: alvin.stone(at)unsw.edu.au
    Tel.: +61 (0)2 9385 8953 oder (0)418 617 366

    Bei Veröffentlichung der Pressemitteilung bitten wir um eine Quellenangabe sowie die Zusendung eines Belegexemplars.

    Das Institut ist die gemeinnützige Einrichtung zur Förderung des Austausches und der Auslandsstudien insbesondere mit allen Universitäten Australiens und Neuseelands sowie zur Förderung von Wissenschaft und Forschung. In seinen Förderprogrammen stellt es SchülerInnen und Studierenden Unterstützung in der Finanzierung durch Stipendien und Coaching in der Studienberatung und Studienplatzbewerbung zur Verfügung.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    https://www.ranke-heinemann.de


    Originalpublikation:

    https://doi.org/10.1038/s41561-018-0146-0


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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