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11.07.2019 10:13

Wie sich Aufschieber und Macher genetisch unterscheiden

Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Manche Menschen neigen dazu, Handlungen aufzuschieben. Bei Frauen geht dieser Charakterzug mit der genetischen Veranlagung einher, einen höheren Dopaminspiegel im Gehirn zu besitzen. Das fanden Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dresden mit genetischen Analysen und Fragebögen heraus. Bei Männern konnten sie diesen Zusammenhang nicht feststellen.

    „Der Botenstoff Dopamin ist in der Vergangenheit immer wieder mit einer erhöhten kognitiven Flexibilität in Verbindung gebracht worden“, sagt Dr. Erhan Genç aus der Bochumer Abteilung für Biopsychologie. „Das ist nicht grundsätzlich schlecht, aber geht oftmals mit einer erhöhten Ablenkbarkeit einher.“

    In der Zeitschrift Social Cognitive and Affective Neuroscience, vorab online veröffentlicht am 3. Juli 2019, berichtet Erhan Genç unter anderem zusammen mit Caroline Schlüter, Dr. Marlies Pinnow, Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün, Prof. Dr. Christian Beste und Privatdozent Dr. Sebastian Ocklenburg über die Ergebnisse.

    Nur bei Frauen

    Die Forschungsgruppe untersuchte die genetische Ausstattung von 278 Männern und Frauen. Sie interessierten sich vor allem für das sogenannte Tyrosinhydroxylase-Gen (TH-Gen). Je nach Ausprägung des Gens besitzen Menschen im Gehirn viel oder wenig Botenstoffe aus der Katecholamin-Familie, zu denen der Botenstoff Dopamin gehört. Außerdem erfasste das Team mit einem Fragebogen, wie gut die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Handlungen kontrollieren können. Frauen mit schlechterer Handlungskontrolle hatten die genetische Anlage für höhere Dopaminlevel.

    Dopamin und Handlungskontrolle

    Ob jemand dazu neigt, Aufgaben aufzuschieben oder direkt anzugehen, hängt von der individuellen Fähigkeit ab, eine Handlungsabsicht aufrechtzuerhalten, ohne sich von Störfaktoren ablenken zu lassen. Genau hierfür könnte Dopamin entscheidend sein. Der Botenstoff wurde in früheren Studien nicht nur mit erhöhter kognitiver Flexibilität in Zusammenhang gebracht, sondern scheint auch dafür zu sorgen, dass Informationen leichter ins Arbeitsgedächtnis gelangen.

    „Wir nehmen an, dass es dadurch schwerer wird, eine einmal gefasste Handlungsabsicht aufrechtzuerhalten“, sagt Doktorandin Caroline Schlüter. „Frauen, die aufgrund ihres Genotyps einen höheren Dopaminspiegel haben, könnten also eher dazu neigen, Handlungen aufzuschieben, weil sie sich stärker von Umwelteinflüssen und anderen Störfaktoren ablenken lassen.“

    Empfänglicher für die genetischen bedingten Unterschiede?

    Auch frühere Studien haben bereits geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen der Ausprägung des TH-Gens und dem Verhalten zutage gefördert. „Der Zusammenhang ist noch nicht vollständig geklärt, aber das weibliche Sexualhormon Östrogen scheint eine Rolle zu spielen“, erläutert Erhan Genç. Östrogen beeinflusst indirekt die Dopamin-Produktion im Gehirn und erhöht die Anzahl bestimmter Nervenzellen, die auf Signale aus dem Dopaminsystem reagieren. „Frauen könnten also aufgrund des Östrogens empfänglicher für die genetisch bedingten Unterschiede im Dopaminlevel sein, was sich wiederum im Verhalten niederschlägt“, so der Biopsychologe.

    Ausblick

    In künftigen Studien will das Forschungsteam untersuchen, inwiefern der Östrogenspiegel tatsächlich einen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen TH-Gen und Handlungskontrolle hat. „Hierzu wäre es erforderlich, den Menstruationszyklus und die damit verbundenen Schwankungen im Östrogenspiegel der Teilnehmerinnen genauer unter die Lupe zu nehmen“, erklärt Caroline Schlüter.

    Neben Dopamin beeinflusst das TH-Gen auch Noradrenalin, einen weiteren wichtigen Botenstoff aus der Katecholamin-Familie. Die Rolle dieser beiden Neurotransmitter für die Handlungskontrolle wollen die Forscherinnen und Forscher in weiteren Untersuchungen beleuchten.

    Förderung

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen der Grants mit den Nummern GU 227/16-1 und GE 2777/2-1 sowie im Rahmen der Sonderforschungsbereiche 940, Projekt B08, und 1280, Projekt A03. Weitere Unterstützung kam vom Mercator Research Center Ruhr durch den Grant An-2015-0044.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Caroline Schlüter
    Arbeitseinheit Biopsychologie
    Fakultät für Psychologie
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: 0234 32 21453
    E-Mail: caroline.schlueter@rub.de


    Originalpublikation:

    Caroline Schlüter, Larissa Arning, Christoph Fraenz, Patrick Friedrich, Marlies Pinnow, Onur Güntürkün, Christian Beste, Sebastian Ocklenburg, Erhan Genc: Genetic variation in dopamine availability modulates the self-reported level of action control in a sex-dependent manner, 2019, Social Cognitive and Affective Neuroscience, DOI: 10.1093/scan/nsz049


    Bilder

    Das Bochumer Forschungsteam: Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün, Caroline Schlüter, Privatdozent Dr. Sebastian Ocklenburg, Dr. Marlies Pinnow und Dr. Erhan Genç (von links)
    Das Bochumer Forschungsteam: Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün, Caroline Schlüter, Privatdozent Dr ...
    © RUB, Kramer (Dieses Foto darf nur für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum im Kontext dieser Presseinformation verwendet werden.)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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