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24.10.2019 11:29

Ausgestorbene Krim-Eidechse war Italiener // 120-jähriges Sammlungsstück anhand mitochondrialer DNA entlarvt

Judith Jördens Senckenberg Pressestelle
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

    Dresden, 24.10.2019. Senckenberg-Forscher haben gemeinsam mit einem ukrainischen Kollegen das 120 Jahre alte Sammlungsstück einer „Krim-Eidechse“ untersucht. Die Tiere galten bislang als eine nur auf der Halbinsel vorkommende Smaragdeidechse. Mittels Erbgut-Untersuchungen konnte das Team zeigen, dass es sich bei den Reptilien stattdessen um eine aus Italien eingeführte Art handelt. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von historischen Sammlungen. Die Studie erscheint heute im Fachjournal „Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research“.

    „Lacerta viridis magnifica Sobolevssky, 1930“ – so lautet die Etikettbeschriftung einer in Formalin und Alkohol konservierten Eidechse in der Sammlung des Zoologischen Museums an der Universität Moskau. „Insgesamt gibt es nur fünf Exemplare dieser Art, alle wurden vor über 100 Jahren auf der Halbinsel Krim gefangen und von dem russischen Biologen Sobolevssky wissenschaftlich beschrieben“, erklärt Professor Dr. Uwe Fritz vom Museum für Tierkunde an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden. Die Eidechsen galten als eine auf der Krim vorkommende, heute ausgestorbene Art oder Unterart der Smaragdeidechse. „Das klang auch erst einmal plausibel – es gibt noch eine weitere Eidechsenart, die ausschließlich in diesem Gebiet lebt. Die geringe Anzahl der bekannten Sammlungsstücke hat uns aber stutzig gemacht“, ergänzt Fritz.

    Der Dresdner Wissenschaftler hat nun gemeinsam mit dem Senckenberger Dr. Christian Kehlmaier und Dr. Oleksandr Zinenko von der Nationalen Ukrainischen Universität in Kharkiv eines der alten Museumsexemplare mit hochmodernen Methoden untersucht. Sie kommen anhand von DNA-Analysen zu dem Schluss, dass es sich bei den Krim-Eidechsen nicht um eine eigene Art, sondern um Vertreter der Westlichen Smaragdeidechse (Lacerta bilineata) handelt. „Das war wirklich ein überraschendes Ergebnis. Das Verbreitungsgebiet dieser Reptilien ist nämlich sehr weit von der Krim entfernt – die nächsten Vorkommen gibt es 1500 Kilometer entfernt auf der kroatischen Insel Cres!“, erläutert Fritz.

    Doch wie gelangten die grünen Eidechsen dann auf die ukrainische Halbinsel? Fritz hierzu: „Im Mittelalter existierte auf der Krim eine Genueser Kolonie, genau in dem Gebiet, in dem die Eidechsen vor über 100 Jahren gefangen wurden. Bis zum frühen 20. Jahrhundert bestanden dort zudem enge Beziehungen zu Italien: Familien genuesischer Abstammung schickten ihre Kinder zur Schule nach Italien, wo es wiederum große Vorkommen von Lacerta bilineata gibt.“
    Das Wissenschaftlerteam schlussfolgert, dass die ausgestorbenen „Krimeidechsen“ daher entweder versehentlich oder absichtlich aus Italien eingeschleppt wurden.

    „Unsere Studie unterstreicht die Bedeutung von historischen Sammlungen – durch neue genetische Methoden können wir selbst aus uralten Präparaten Erbgut zur Untersuchung gewinnen und vielleicht erweisen sich noch mehr vermeintlich ausgestorbene Arten als solche wissenschaftlichen Irrtümer!“, betont Erstautor Kehlmaier.

    Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können – dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Uwe Fritz
    Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden
    Tel. 0351 7958414328
    uwe.fritz@senckenberg.de


    Originalpublikation:

    Kehlmaier, Christian, Zinenko, Oleksandr; V. N. & Fritz, Uwe (2019): The enigmatic Crimean green lizard (Lacerta viridis
    magnifica) is extinct but not valid: Mitogenomics of a 120-
    year-old museum specimen reveals historical introduction. Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research.
    https://onlinelibrary.wiley.com/journal/14390469#pane-01cbe741-499a-4611-874e-10...


    Bilder

    Die Westliche Smaragdeidechse Lacerta bilineata wurde auf die Krim-Halbinsel eingeschleppt.
    Die Westliche Smaragdeidechse Lacerta bilineata wurde auf die Krim-Halbinsel eingeschleppt.
    Foto: Henrik Bringsøe
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    Das 120-jährige Sammlungsstück wurde anhand von mitochondrialer DNA entlarvt.
    Das 120-jährige Sammlungsstück wurde anhand von mitochondrialer DNA entlarvt.
    Foto: Olexandr Zinenko
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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